Eigentlich sollte der Schwimmverband FINA die wenigen Möglichkeiten, die sich ihm bieten, nutzen, um den Sport in gutem Licht zu präsentieren. Was sich aber an der WM in Gwangju zuträgt, ist ein Trauerspiel sondergleichen.
Daran sind nicht primär die protestierenden Schwimmer schuld, welche Weltverband zur Zurückhaltung mahnt, sondern vielmehr die FINA selbst, die wiederholt Gelegenheiten auslässt, rigoros gegen dopende Schwimmer und nicht kooperierende Verbände vorzugehen.
Sun Yang mag ein hervorragender Schwimmer sein, ein gleichsam beinharter Arbeiter im Training, wie elegant gleitender Ästhet im Wasser. Und in seiner Heimat China nunmehr ein Superstar. Der 27-Jährige avancierte am Dienstag mit seinem elften Titelgewinn zum dritterfolgreichsten Schwimmer an Weltmeisterschaften hinter den amerikanischen Stars Michael Phelps (26 mal Gold) und Ryan Lochte (18). Doch Yangs Vorgeschichte ist haarsträubend.
Der 1,98-Meter grosse Modellathlet, der inzwischen seit zehn Jahren an der Weltspitze mitschwimmt, wurde bereits 2014 nach einem Dopingvergehen gesperrt. Ihm wurde das verbotene Herzmittel Trimetazidin nachgewiesen. Die Angelegenheit wurde indessen erst einige Monate später publik, als die Sperre schon abgelaufen war.
Ausserhalb des Schwimmbeckens gilt der Chinese als schwieriger Charakter. Er legte sich schon mit seinen Trainern und dem Verband an, war ohne Führerschein in einen Unfall verwickelt und deswegen eine Woche in Haft. An der WM 2015 soll er eine brasilianische Schwimmerin beim Einschwimmen geboxt haben. Bekannt und besonders brisant ist auch die Geschichte der zerstörten Dopingprobe 2018, die noch ein Nachspiel vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS haben könnte – wenn nicht muss.
Die jüngsten skandalträchtigen Episoden um den «chinesischen Schwimmkaiser» ereignen sich dieser Tage im südkoreanischen Gwangju. Immer mehr Schwimmer lehnen sich gegen die laxe Vorgehensweise gegen Yang auf. Der Australier Mack Horton und der Brite Duncan Scott protestierten still an den Siegerehrungen, deren Rennen zuvor von Yang gewonnen wurden.
Den Chinesen wiederum treiben diese Aktionen zur Weissglut. Er faucht am Dienstag auf dem Podium den Schwimmer an, der ihm den Handschlag verweigert. Und was macht der Verband? Er weist auf das hängige Verfahren und den Termin vor dem Sportgerichtshof im September hin und bittet die Sportler, Proteste und Aktionen gegen Yang zu unterlassen.
Yang scheint bei der FINA einen Sonderstatus zu geniessen: 2015 wurde er zum «Athleten der WM» gewählt, trotz der Nebengeräusche um die brasilianische Schwimmerin und obschon er wegen «Herzproblemen» auf ein Rennen verzichtete und der Brite Adam Peaty den Wettkämpfen mit zwei Weltrekorden über die Bruststrecken den Stempel aufdrückte. Die Schwimmer in Gwangju wollen dem Treiben um Yang nun nicht weiter zusehen – und handeln in Eigenregie. Man kann sie verstehen.