Flückiger unter Beschuss «Eine Anzeige stoppt keinen einzigen dieser Schreihälse»

lbe

18.8.2022

Mathias Flückiger spricht ausführlich über seinen Crash mit Schurter und dessen Folgen.
Mathias Flückiger spricht ausführlich über seinen Crash mit Schurter und dessen Folgen.
Bild: Keystone

Vor über einem Monat geraten Mathias Flückiger und Nino Schurter beim Heimrennen in Lenzerheide aneinander. Flückiger machen aber vor allem die Vorkommnisse nach dem Zwischenfall nachdenklich.

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Nach einem offenbar riskanten Überholmanöver landen der Führende Nino Schurter und Verfolger Mathias Flückiger in Lenzerheide kurz vor dem Ziel im Dreck. Statt einen Doppelsieg zu feiern, müssen sich die Schweizer mit den Rängen 3 und 4 begnügen. Der Frust ist so gross, dass Schurter im anschliessenden TV-Interview schwere Vorwürfe an seinen Landsmann richtet. Während sich Flückiger keiner Schuld bewusst ist, wird er auch von Fans in den sozialen Netzwerken angefeindet – obwohl der Zwischenfall von den Kameras gar nicht eingefangen wird.

«Niemand hat die Szene gesehen. Wie will er sich also eine Meinung dazu machen?», hinterfragt Flückiger nun in einem ausführlichen Interview mit «CH Media» und bestreitet, dass er in Lenzerheide aus Frust so agiert habe. «Ich selber kann auf jeden Fall zu meinem Auftritt stehen. Ich habe Mühe, wenn mein Charakter infrage gestellt wird, denn für mich sind Fairplay und Ehrlichkeit ganz wichtige Leitlinien in meinem Handeln als Sportler und als Mensch.»

«Mit dieser Entwicklung habe ich grosse Mühe»

So widerstrebt Flückiger umso mehr, was er nach dem Zwischenfall in den sozialen Medien über sich ergehen lassen muss. Dabei will er nicht genauer auf sein Beispiel eingehen, macht aber klar: «Jeder kann rauslassen ohne Rücksicht auf die negativen Folgen, die dadurch entstehen. In meinem Fall tat es zwar weh, aber ich kann damit umgehen. Aber es gibt viele Menschen, die solche Angriffe nicht einfach wegstecken können. Solche Kommentare können Menschen bis in den Abgrund treiben. Mit dieser Entwicklung in unserer Gesellschaft habe ich sehr grosse Mühe.»

Es sei zwar nur ein ganz kleiner Teil der Gesellschaft, der sich so verhalte. Aber: «Es darf doch nicht passieren, dass diese Leute ein solches Gewicht erhalten. Dieses Phänomen hat sich bei Covid ebenfalls in erschreckender Art und Weise gezeigt», so Flückiger, der von einer Anzeige gegen die Unruhestifter absieht. «Ich weiss auch nicht, was das bringen soll. Eine Anzeige stoppt keinen einzigen dieser Schreihälse.»

Aussprache mit Schurter

Im Umgang mit den Hasskommentaren baut Flückiger auf sein reales Umfeld. «Mich hat keine einzige Person aus meinem Umfeld dafür kritisiert, was in Lenzerheide passiert ist. Es ist das reale Leben, das zählt. Es sind die Menschen, die dich kritisieren und dir dabei in die Augen schauen können.» Weil die Angriffe unter der Gürtellinie aber dennoch schmerzen können, empfiehlt der 33-Jährige, diese gar nicht erst zu lesen.

Mit Konkurrent Schurter gab es übrigens längst eine Aussprache. «Für mich ist die Sache erledigt und ich spreche deshalb in der Öffentlichkeit nicht mehr über Lenzerheide», erklärt Flückiger. Er macht aber keinen Hehl daraus, dass die beiden Schweizer Aushängeschilder nicht mehr die besten Freunde werden. «In einer Sportart, wo der Kampf Mann gegen Mann entscheidet, ist man Konkurrent. Nur Personen, die nichts von Spitzensport verstehen, sehen das vielleicht nicht so. Alles andere wäre nur gespielt.»