Die TV-Diskussionsrunde zur Situation im Sport wegen des Coronavirus bestätigt Tendenzen. Eishockey-WM und Fussball-EM finden wohl nicht wie geplant statt, für Olympia sind die Prognosen günstiger.
Es war ein weiterer Fingerzeig, dass die Verbreitung des Coronavirus nirgends und vor niemandem Halt macht. Der Erreger nahm sogar Einfluss auf die Besetzung der Diskussionsrunde am frühen Sonntagabend.
Nach der Erkrankung von Dominique Blanc, des Zentralpräsidenten des Schweizerischen Fussballverbandes SFV, konnte Robert Breiter als Vertreter des SFV im Studio nicht dabei sein. Der Generalsekretär («Ich bin gesund») befindet sich wie die gesamte Geschäftsleitung des Fussballverbandes in häuslicher Quarantäne und war am Telefon zugeschaltet. Am Tisch diskutierten mit Moderator Sascha Ruefer René Fasel, Präsident des Internationalen Eishockey-Verbandes IIHF, Ralph Stöckli, Chef de Mission Swiss Olympic, und Roland Mägerle, Leiter SRF Sport und Business Unit Sport SRG.
René Fasel wollte nichts beschönigen. Der Freiburger, der das Präsidentenamt bei der IIHF im September auf dem Kongress in St. Petersburg nach 26 Jahren abgeben wird, kann sich kaum vorstellen, dass die Eishockey-WM in Zürich und in Lausanne wie vorgesehen im Mai gespielt werden kann. «Es wird sehr, sehr schwierig.»
«Man muss auch den Mut zur Absage haben»
Am Dienstagnachmittag dürfte der Entscheid zur Absage offiziell werden. Dannzumal hält der Council, die Exekutive der IIHF, eine Telefonkonferenz ab. «Man muss auch den Mut zur Absage haben», sagte Fasel. Er sieht darin ein Zeichen an die Bevölkerung, dass auf die schwierige Situation Rücksicht genommen wird. «Zudem stehen wir auch bei den Spielern und den teilnehmenden Mannschaften in der Verantwortung.»
Vorgängig stehen Gespräche mit den Schweizer Behörden, dem Organisationskomitee und den Versicherungsanstalten an. «Es geht um Schadensbegrenzung. Mit einer frühzeitigen Absage können wir Kosten sparen.» Ob und allenfalls wann die WM 2020 nachgeholt wird, konnte Fasel nicht sagen. «Sie einfach um ein Jahr zu verschieben, geht nicht. Die Turniere in den nächsten fünf Jahren sind vergeben.»
Auch EM im Sommer ist unwahrscheinlich
Nicht allzu optimistisch tönte auch Robert Breiter. «Nach der aktuellen Faktenlage ist es sehr zweifelhaft, dass die EM wie vorgesehen ausgetragen wird. Erschwerend kommt hinzu, dass das Turnier in zwölf Ländern gespielt wird.» Die UEFA wird ebenfalls am Dienstag, ebenso bei einer Telefonkonferenz mit Vertretern aller 55 Mitglieds-Verbände, die Situation erörtern und neu beurteilen.
Breiter erinnerte auch daran, dass die Playoffs, bei denen die letzten vier EM-Plätze vergeben werden, in der letzten März-Woche nicht stattfinden werden. «Das Teilnehmerfeld wird noch lange nicht komplett sein. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass die Austragung der EM im Sommer möglich sein wird.»
Die Verschiebung der EM würde der Meisterschaft in der Schweiz, deren Spielbetrieb bis Ende April ausgesetzt ist, Luft verschaffen. Der Spielraum, die ausgefallenen Partien nachzuholen, würde sich deutlich vergrössern. «Wir wollen einen Schweizer Meister. Wir wollen die Europacup-Plätze vergeben», sagte Breiter.
Grosses Fragezeichen hinter Olympia
Auch in Bezug auf den weltweit grössten Sportevent, die Olympischen Spiele, wächst die Sorge, obwohl Veranstalter und IOC-Präsident Thomas Bach weiterhin Optimismus verbreiten. «Im Moment ändert sich die Ausgangslage jeden Tag», sagte Ralph Stöckli, der zum letzten Mal vor zwei Wochen in Tokio weilte. «Seither ist vieles passiert. In der Stadt selber haben wir noch nicht grosse Veränderungen wegen des Virus festgestellt. Dagegen haben wir die wachsende Anspannung beim OK gespürt.»
Die Unsicherheit mit Blick auf den Anlass in Japan beeinflusst die Vorbereitung der möglichen Schweizer Teilnehmer. «Alles ist völlig anders geworden. Die Athleten, die sich im Ausland vorbereiten wollten, kommen so schnell als möglich zurück in die Schweiz.» Die nationalen Verbände sind nun gefordert, den «Rückkehrern» die nötige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.
Stöckli wagte keine Prognose über die termingerechte Durchführung der Spiele. Die Verschiebung um drei, vier Monate hält der St. Galler allerdings für unmöglich. «Dazu ist die Komplexität des Anlasses zu gross.»
Flexibilität ist beim Schweizer Fernsehen gefragt. «Die Aktualität holt uns zur Zeit fast minütlich ein», sagte Roland Mägerle. Nach den vielen Absagen der vergangenen Tage brechen allein in der kommenden Woche bei SRF nochmals 70 Stunden Live-Berichterstattung weg. Mägerle und seine Crew werden sich unter anderem mit Rückblicken behelfen. «Vielleicht nutzen wir die Situation auch als Chance, um Neues auszuprobieren.»
SDA