Novak Djokovic steht wieder einmal in den Negativschlagzeilen. Dabei wollte der Serbe eigentlich nur «Gutes tun». Warum der Nr. 1 dieser Spagat nicht gelingt, obwohl er diesen auf dem Platz wie kein anderer beherrscht.
Es muss frustrierend sein: Da ist man der weltbeste Tennisspieler und räumt in den letzten Jahren bei den Grand Slams gnadenlos ab. Neben dem Platz scherzt man stets mit Zuschauern und Fans, spricht redegewandt mit der Presse, kann sich in zig Sprachen verständigen, ernährt sich vegan – eigentlich ein Traumszenario für alle Marketingverantwortlichen.
Und doch wurde Novak Djokovic schon vor dem Super-GAU bei seiner Adria-Tour nicht geliebt, sondern von den grossen Massen höchstens respektiert und geduldet. Mit diesem Stachel im Fleisch spielt der Serbe nun seit Jahren auf der Tour. Zusätzlicher Frust muss bei ihm aufkommen, wenn er tagein, tagaus mitbekommt, wie seine sportlich grössten Rivalen Roger Federer und Rafael Nadal mit Anerkennung und Liebe überschüttet werden.
Als aufstrebender Jüngling hat sich «Nole» früher einige Aussetzer geleistet – genauso wie (teilweise) der Schweizer und der Spanier auch. Auch heuer legt Djokovic sich – dies im Gegensatz zu seinen beiden Konkurrenten – noch manchmal mit dem Schiedsrichter an, was natürlich seine Beliebtheitswerte nicht erhöht. Doch beim «Bad Boy» der Szene, Nick Kyrgios, wird dieses Verhalten toleriert und sogar geschätzt. Wahrscheinlich bemerken die Fans, dass die Emotionen beim Australier natürlicher und ehrlicher sind, während der Serbe bisweilen berechnend wirkt.
Djokovics schwieriges Profil
Vielleicht unterstreicht seine Art des Tennisspielens sein Dilemma: Kein anderer spielt die Bälle so klinisch sauber, wenn er in seiner «Zone» ist, wie man es in der Szene nennt. Dank seiner unglaublichen Akrobatik bringt er Bälle zurück, wie es zuvor noch kein Spieler je auf der Tour gezeigt hat.
Während «Naturtalent» Federer über den Platz zu schweben scheint, und «Arbeitstier Rafa» der Schweiss über die stählernen Muskeln perlt, sieht die Öffentlichkeit im drahtigen «Djoker» einen «unbarmherzigen Killer», der sein Handwerk professionalisiert hat und nun im Turniertakt seine Gegner kalt um die Ecke bringt.
Oft waren dabei in den grossen Spielen halt Federer und Nadal seine Opfer. Beide waren schon früher als er auf der Tour und liegen daher in der Fangunst meilenweit voraus. Keine einfache Ausgangssituation, auch für den mental abgezocktesten Profi nicht.
Unerträgliche Zwickmühle
Der 33-Jährige ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und hat diesen Umstand später in seiner Berufskarriere stets als Antrieb genommen. Um seine beiden grossen Widersacher zu bezwingen, muss er einerseits mit einem klaren Plan auf den Court gehen, andererseits aber auch im Kopf stark sein.
Der Yoga-Anhänger suchte für diese schwierige Aufgabe im esoterischen Umfeld Halt. Dort hiess die Losung für ihn wohl stark vereinfacht: «Wer Liebe gibt, wird Liebe empfangen.» So verteilt Djokovic nach seinen Siegen Herzen fürs Publikum, doch der Funken springt trotzdem nie richtig über. Die stete Suche nach Anerkennung und Liebe muss für einen Menschen im Licht der Öffentlichkeit ein brutales Spannungsfeld sein.
Versuche, dich selbst zu lieben
Der 17-fache Grand-Slam-Sieger hat deshalb wohl die Corona-Krise als Chance gesehen, um der Welt zu zeigen, dass er sehr viel Gutes tun kann. So organisierte er die Adria-Tour, wo beim bekennenden Impfgegner leider «Social Distancing» ein Fremdwort war. Denn das Virus scherte sich nicht um seine (hehren) Absichten: Viele Leute – darunter auch ironischerweise Djokovic und seine Frau – sind an Covid-19 erkrankt. Das wohltätige Turnier gilt nun als Symbol für den falschen Umgang mit der Pandemie. Nicht Federer oder Nadal also, sondern die Wissenschaft hat ihn gestoppt.
Es muss für den ehrgeizigen, intelligenten und sensiblen Djokovic eine Schmach sein, wenn er den Spott und die Häme mitbekommt, die sich derzeit über ihn ergiesst. Gut möglich, dass es zumindest kurzfristig auch mit seiner sportlichen Karriere – wie es ihm einst schon nach einem zu tiefen Eintauchen in die «Esoterik-Welt» passierte – nach unten geht.
Dabei hätte jeder Paartherapeut die Lösungsansätze für Djokovic parat: Versuche, dich selbst zu lieben und schaue nicht zu fest auf die anderen – denn die Liebe findet man, ohne zu suchen.
Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.