Kolumne am MittagDiskriminierungsvorwürfe – was Mirjam «Mimi» Jäger von Kate Moss lernen könnte
Von Bruno Bötschi
22.6.2020
Mit einem Instagram-Filmchen hat sich Influencerin Mirjam «Mimi» Jäger gehörigen Ärger eingebrockt. Beim Kolumnisten wurden deswegen Erinnerungen wach – an das Kokain-Video von Supermodel Kate Moss.
Vergangene Woche musste ich an Kate Moss denken.
Das englische Supermodel schnupfte im September 2005 in einem Tonstudio (während ihr damaliger Freund ein neues Album aufnahm) fünf Linien Kokain. Wenig später fand ein heimlich aufgenommenes Video den Weg in die Presse und verursachte den grössten Knick in der Karriere des Models.
Warum mir das in den Sinn kam? Wegen Mirjam «Mimi» Jäger. Die Schweizer Influencerin hat nicht etwa wegen Drogen Ärger, aber wegen eines Filmchens, das sie am 13. Juni ins Netz gestellt hat. Darin erbost sie sich darüber, dass die Samstagspläne von ihr und ihrem Lieblingsmann (die beiden wollten Käfele gehen) durcheinandergeraten seien, weil sie wegen einer Demo 45 Minuten in Zürich im Stau standen. «Jetzt habt ihr dann langsam genug demonstriert», sagte Jäger in die Kamera.
Unklar ist, ob Jäger wusste, dass es sich bei den «Staumachern» um die Black-Lives-Matter-Demonstranten handelte. Fakt hingegen ist, Jäger wurde in der Folge im Netz beschimpft und als Rassistin bezeichnet. Sogar von Morddrohungen ist die Rede. Dabei wollte sie doch nur auf die Social-Distancing-Problematik aufmerksam machen, sagt sie Tage später.
Die Empörungswelle nahm Fahrt auf. Kurz danach trennten sich die ersten Werbepartner von ihr. Die Post schrieb, ohne mit der Influencerin zuvor gesprochen zu haben: «Wir sind bestürzt, denn wir dulden keinerlei Diskriminierung. Diversität und Inklusion sind Teil unserer DNA, und darauf sind wir stolz. Wir distanzieren uns in aller Deutlichkeit von Jägers Aussagen und werden in Zukunft nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten.» Die Mobiliar twitterte ebenfalls und Philips löschte kurzerhand den Staubsauger-Spot mit Jäger auf der Website.
Dem Supermodel erging es nach der Veröffentlichung des Kokain-Filmlis ähnlich. Burberry, Hennes & Mauritz und andere Kunden zeigten sich verschnupft, ein Auftrag nach dem anderen ging verloren. Viele glaubten damals an ein Ende der Laufbahn der Britin.
Moss entschuldigte sich. Kurz danach gab es nette Unterstützung durch Modegott Karl Lagerfeld: «Kate tut mir wahnsinnig leid. Sie ist ein Opfer ihres Erfolgs, ihres Stils, ihrer zeitlosen Einmaligkeit. Sie hat nie darauf bestanden, ein Tugendpinsel zu sein.»
Moss zog den Kopf ein, bis sich der Sturm der Entrüstung gelegt hatte. Es gab klärende Gespräche mit ihren Arbeitgebern, sie ging in eine Entzugsklinik und bekam schon bald eine zweite Chance.
Jäger hat sich (noch) nicht entschuldigt. Unterstützung hat sie jedoch bereits bekommen. Die «Tagi»-Journalistin Michèle Binswanger vermeldete unter dem Titel «Es reicht der Rassismus-Verdacht»: «Sie hat genug. Nachdem Mirjam Jäger in den sozialen Medien als Rassistin durch den Dreck gezogen wurde, will sie sich juristisch gegen ihre Hater wehren. Damit dürfte sie gute Aussichten auf Erfolg haben, der wirtschaftliche Schaden bleibt.»
Jäger hat den Kopf noch nicht eingezogen, der Sturm wütet weiter, stattdessen hat sie ein zweites Filmli hochgeladen. Der Hass gegen sie und ihre Familie gehe zu weit, wehrt sie sich. Am vergangenen Samstag wurde gemeldet, die Post und sie wollten ein klärendes Gespräch führen.
All das liess mich an Kate Moss denken.
Den Glamour des englischen Supermodels konnte das bisschen weisse Pulver nicht trüben. Es hat vielmehr die zweite Karriere von Frau Moss eingeleitet. Insider behaupten, sie habe dank des Kokain-Skandals ihre jährlichen Einnahmen von sechs Millionen Euro verdreifachen können.
Wie weit der Glamour von einer Schweizer Influencerin wohl reicht? Ob Frau Jäger ebenfalls mit einer Generalamnestie des Publikums rechnen kann? Wir bleiben dran.
Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.