Australian Open Federer: «Den heutigen Tag durchzustehen war schrecklich»

Von Syl Battistuzzi, Melbourne

30.1.2020

Roger Federer verpasst im Halbfinal der Australian Open gegen Novak Djokovic den Exploit. Der Schweizer ist zwar nicht von seiner Leistung enttäuscht, aber von seinen limitierten Möglichkeiten. 

Die Vorzeichen waren ungünstig für Roger Federer vor dem mit Spannung erwarteten 50. Duell mit seinem Erzrivalen. Seine Adduktoren mach(t)en Probleme, im Vorfeld befürchteten viele sogar eine Aufgabe während des Spiels – was bei ihm in seiner zwanzigjährigen Karriere noch nie vorkam. Er liess ein Training aus und legte den Fokus auf die Genesung.

Doch Federer trat an – und es gelang ihm ein Auftakt nach Mass, sein Plan schien aufzugehen: «Ich hatte nichts zu verlieren, versuchte befreit aufzuspielen. Ich servierte und retournierte gut und konnte die Ballwechsel kurz halten. Ausserdem konnte ich als Aufschläger vorlegen, was Druck auf ihn ausübte», so die Weltnummer 3.

Er führte im Startsatz bereits mit 4:1 und 40:0, verpasste aber drei Breakbälle zur 5:1-Führung. Djokovic rettete sich in extremis und holte sich die nächsten Games. Im Tiebreak siegte schliesslich der Titelverteidiger glatt mit 7:1. «Das war sicher der Schlüssemoment», meint Djokovic. 



Auch Federer bereut: «Leider konnte ich meine Aufschlagsspiele nicht durchbringen. Ehrlicherweise hätte ich einen Weg finden müssen, konnte es aber nicht tun. Ich bin sicher, dass er sich zu Beginn etwas unbehaglich fühlte, aber er konnte einen Ausweg finden. Sonst hätte ich ihn wohl noch eine halbe Stunde länger beunruhigen können.» Und ergänzt: «Jeder weiss, wie zäh er ist, besonders wenn man zu viele zweite Aufschläge bringen muss. Er war heute zweifellos besser.»

Gute Turnierbilanz – trotz heutiger Ausgangslage

«Schlussendlich bin ich glücklich mit dem Turnier, insbesondere nach den Spielen gegen Millman und Sandgren. Es war das Maximum, das ich erreichen konnte. Den heutigen Tag durchzustehen, war schrecklich – netter Empfang, netter Abschied, und dazwischen hat man einen Auftritt zum Vergessen, weil man weiss, dass man nur eine dreiprozentige Chance hat zu gewinnen. Das ist ein frustrierendes Gefühl», so Federer.

Es wäre natürlich auch in Vollbesitz seiner Kräfte schwierig geworden. Obwohl Federer keine Schmerzen verspürt habe, seien halt immer Gedanken im Kopf, dass man sich allenfalls schwerer verletzten könnte. So habe er speziell in der Defensive eine andere Taktik als gewohnt anwenden müssen, so der 38-Jährige. Auch Djokovic erkannte: «Er war offensichtlich verletzt und eingeschränkt.»

Federer sagt an der Pressekonferenz: «Natürlich musste ich es versuchen, man kann ja nie wissen. Aber wenn man es kommen sieht, dass es nicht gut rauskommen wird, ist es schwierig. Er ist natürlich auch ein grossartiger Spieler, der viele Sachen sehr gut macht. Deshalb bin ich am Ende des Tages sehr zufrieden. Ich habe insgesamt gut gespielt, auch wenn ich weiss, dass ich noch besser spielen kann.»

Djokovic mit weiterem Meilenstein

Djokovic baute die Führung im internen Duell auf 27:23 aus. Es war gleichzeitig der sechste Sieg in Folge an einem Grand-Slam-Turnier. Seit dem Wimbledon-Halbfinal 2012 hat der 32-Jährige an den Grand-Slam-Turnieren alle Partien gegen Federer gewonnen, vier davon in den Finals von Wimbledon (2014, 2015 und 2019) und den US Open (2015), zwei in den Halbfinals von Melbourne (2016 und 2020). Roger Federer verpasste es hingegen, in seinen 32. Grand-Slam-Final einzuziehen.

Seine beeindruckende Bilanz will der aktuelle Titelverteidiger am Sonntag noch ausbauen. Der Weltranglistenzweite hat alle seine sieben Finals in Melbourne gewonnen und ist Rekordsieger des Turniers. Gewinnt er am Sonntag seinen 17. Grand-Slam-Titel, löst er Rafael Nadal an der Spitze des ATP-Rankings wieder ab. Am Freitag stehen sich Alexander Zverev (ATP 7) und Dominic Thiem (ATP 5) im Halbfinal gegenüber und wollen den Tennis-Dominator der letzten Jahre herausfordern. Gegen beide weist Djokovic eine positive Bilanz auf. 

Speziell der Österreicher scheint nach seinem überzeugenden Sieg gegen Rafael Nadal Eindruck auf «Djoker» gemacht zu haben: «Dominic hat mich beim letzten Match besiegt und ist definitiv einer der besten Spieler der Welt. Sein Spiel hat sich auf Hartplatz im letzten Jahr sehr verbessert. Er hat das Potenzial für einen Major-Titel und auch die Erfahrung.» Auch der aufschlagstarke Zverev habe einen wahren Steigerungslauf hingelegt, so Djokovic. Er hält fest, dass es für eine vertiefte Gegner-Analyse noch zu früh sei, die beiden hätten ein zu unterschiedliches Spiel.

Die Zukunft von Federer

Obwohl Federer schon lange auf der Tour ist, wird bald ein weiterer Traum von ihm wahr. Am 7. Februar spielt er vor über 50'000 Zuschauern beim «Match for Africa» in Kapstadt, im Heimatland seiner Mutter Lynette, gegen Rafael Nadal. Und danach geht die Tennis-Saison im üblichen Stil weiter. Oder etwa nicht?

«Man weiss nie, was die Zukunft bringt, besonders in meinem Alter. Aber ich bin zuversichtlich und habe noch keinen Plan, mich zur Ruhe zu setzen. Natürlich hoffe ich, dass ich zurückkomme», macht er den einheimischen Fans Mut, die ihn auch heute in der Rod Laver Arena frenetisch unterstützten. Der 20-fache Grand-Slam-Sieger ist positiv, dass er noch immer das Zeug für Major-Titel in sich hat: «Ja, ich fühle es und glaube daran.»

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