Mit zarten 18 Jahren spielt sich Emma Raducanu in Wimbledon völlig überraschend in den Achtelfinal. Dort findet ihr Märchen allerdings ein jähes Ende – und sorgt für Kontroversen.
Als Nummer 338 der Welt stürmt die Einheimische mit begeisterndem Tennis bis in den Achtelfinal und bringt dabei auch den Centre Court in Wimbledon zum Beben. In England entfacht gar eine Tennis-Euphorie, die mit dem Auftritt am Montag allerdings abrupt endet.
Bis zum Stand von 4:4 hält Raducanu auch gegen Ajla Tomljanovic ausgezeichnet mit, dann reisst der Faden. Nach fünf verlorenen Games in Folge verschwindet die 18-Jährige aufgrund offensichtlicher Probleme in der Magengegend in die Katakomben – und taucht nicht mehr auf.
Kurz darauf informiert der Stuhlschiedsrichter die Fans über das Ende der Partie, später ist in einem Communiqué von Atemproblemen die Rede. «Ich bin geschockt, denn Emma muss verletzt sein, wenn sie zu dieser Entscheidung kommt», sagt Gegnerin Tomljanovic noch auf dem Court.
Harsche Kritik für McEnroes Ferndiagnose
Im TV-Studio dagegen wagt Experte John McEnroe bereits unmittelbar nach der Aufgabe eine Ferndiagnose – und interpretiert Raducanus Rückzug als Zeichen mentaler Schwäche. «Ich fühle Mitleid für Emma. Es scheint, dass es ihr ein bisschen viel wurde», so McEnroe, der für seine Mutmassung zahlreiche Kritik einstecken muss. Auch Gegnerin Tomljanovic, die dank Raducanus Forfaits in den Viertelfinal vorstösst, verurteilt die Kommentare des 62-Jährigen.
«Ich kann mir nicht vorstellen, mit 18 in ihrer Lage zu sein, im Heimatland eine vierte Runde zu spielen», sagt die Australierin nach dem Match und fügt an: «Wenn er (McEnroe, Anm. d. Red.) so etwas sagt, ist es definitiv hart. Ich habe Ähnliches erlebt, aber nicht in diesem Ausmass.» Auch die Journalistin Harriet Minter wählt auf Twitter deutliche Worte: «Zwei Dinge: Erstens: Ist er betrunken? Zweitens: Gibt es etwas Nervigeres, als wenn ein Mann einer Frau sagt, sie sei nicht verletzt, sondern nur emotional? Nein, gibt es nicht.»
Murray verteidigt Raducanu
Die Meinungen gehen allerdings auseinander. «McEnroe hat die Wahrheit gesagt. Frau Raducuna ist eine talentierte Spielerin, konnte aber nicht mit dem Druck umgehen und gab auf, als sie deutlich am Verlieren war. Nicht mutig, nur schade», schreibt beispielsweise der umstrittene britische Moderator Piers Morgan. Und weiter: «Wenn ich sie wäre, würde ich meinen Fans sagen, sie sollen aufhören, McEnroe zu belästigen.» Das wiederum bringt Andy Murray auf die Palme. «Das ist eine sehr harte Sichtweise, Piers», schreibt der Schotte und nimmt die Tochter einer Chinesin und eines Rumänen in Schutz.
Auch der Veranstalter wird kritisiert
Kritik setzt es auch für die Turnierorganisation ab – und zwar deshalb, weil Raducunas Partie als letztes Spiel des Tages auf Court No. 1 angesetzt wird. Prompt geht die Partie davor zwischen Auger-Aliassime und Zverev über die volle Distanz, die junge Britin hat reichlich Wartezeit. «Ich glaube nicht, dass das geholfen hat, weil sie dadurch mehr nachgedacht hat. Das ist eine Menge zu bewältigen», sagt auch McEnroe.
In einer Stellungnahme verteidigen sich die Wimbledon-Organisatoren: «Die Planung der Spielreihenfolge ist wie immer ein komplexer Vorgang. Und obwohl wir bei der täglichen Planung von Spielen und Zuweisung der Plätze sehr sorgfältig vorgehen, ist dies keine exakte Wissenschaft», heisst es in einem Statement. Und weiter: «Alle Entscheidungen werden im besten Interesse der Spieler, des Turniers und der Zuschauer getroffen. Aber die unvorhersehbare Dauer der Spiele sowie das britische Wetter können und werden jeden Zeitplan stören.»