Zahlen lügen nicht YB ist unter Rahmen historisch schwach in die Super League gestartet

Patrick Lämmle

3.9.2024

Die Vorgaben von YB-Trainer Patrick Rahmen werden nicht immer wunschgemäss umgesetzt.
Die Vorgaben von YB-Trainer Patrick Rahmen werden nicht immer wunschgemäss umgesetzt.
Keystone

Sechs Spiele, drei Remis, drei Niederlagen: YB ist seit der Einführung der Super League im Jahr 2003 noch nie so schwach in eine Saison gestartet. Trotz Champions-League-Qualifikation läuten in Bern die Alarmglocken.

Patrick Lämmle

Wer darauf gewettet hätte, dass YB nach sechs Spielen als einziges Team der Super League noch ohne Sieg dasteht und vom Tabellenende grüsst, der hätte bestimmt viel Geld gewonnen.

Tatsächlich ist YB noch nie so schlecht in eine Super-League-Saison gestartet wie in dieser Spielzeit. Der Negativrekord stammte aus der Saison 2008/09, da waren es sieben Punkte nach sechs Spielen, also mehr als doppelt so viel wie heuer. Damals holte YB aus den ersten vier Partien nur einen Punkt, was Trainer Erminio Piscerchia den Job kostete. Unter dem späteren Nati-Trainer Vladimir Petkovic startete YB eine Aufholjagd und beendete die Saison hinter dem FCZ als Vizemeister.

Als amtierender Meister schlechter in eine Saison gestartet als YB ist einzig der FCZ in der Saison 2022/23. Die Zürcher hatten damals zum gleichen Zeitpunkt nur zwei Punkte auf dem Konto. Die Saison beendete der FCZ damals mit 44 Punkten auf dem drittletzten Platz. Aber auch bei den Zürchern bedarf es eines Trainerwechsels. Nach acht Runden (2 Punkte) musste Breitenreiters glückloser Nachfolger, Franco Foda, den Posten räumen. Interimistisch übernahm Genesio Colatrella für zwei Spiele (2 Punkte), ehe der heutige Mainz-Trainer Bo Henriksen verpflichtet wurde und den Zürchern neues Leben einhauchte.

Zahlen lügen nicht – YB ist in der Liga historisch schwach

  • YB hat erstmals in der Geschichte der Super League keines der ersten 6 Spiele gewonnen (3 Niederlagen, 3 Remis).
  • Als amtierender Meister schlechter in eine Super-League Saison (Einführung im Jahr 2003) gestartet als YB ist einzig der FCZ in der Saison 2022/23. Die Zürcher hatten damals zum gleichen Zeitpunkt nur zwei Punkte auf dem Konto.
  • Letztmals so schlecht gestartet ist YB 1996, also vor 28 Jahren in der damaligen Nationalliga A. In jener Saison stiegen die Berner ab.
  • Erstmals seit 2022 ist YB 6 Spiele in Folge sieglos, damals blieben die Berner von März bis April sogar 7 Liga-Spiele in Folge ohne einen Sieg (2 unter David Wagner, 5 unter Matteo Vanetta).
  • YB gab in der Super League in dieser Saison nach Führung 9 Punkte ab – so viele wie kein anderes Team.
  • YB kassierte 14 Gegentore in den ersten 6 Super-League-Spielen unter Trainer Patrick Rahmen, mehr als in den davor letzten 12 Spielen unter Joël Magnin (10 Gegentore).
  • Patrick Rahmen ist weiterhin seit April sieglos in der Super League. Damals gewann er noch mit Winterthur 1:0 bei Stade-Lausanne-Ouchy, seither kassierte er mit dem FCW und YB saisonübergreifend 10 Niederlagen gefolgt von zuletzt 3 Remis.

YB kommt in der Liga noch nicht ins Rollen

Nach drei Niederlagen zum Saisonauftakt hat YB in der Liga zwei Mal Unentschieden gespielt, gefolgt von drei Pflichtspielsiegen (Cup und Champions-League-Playoffs). Wer nun gedacht hat, dass YB den Schwung aus der erfolgreichen Qualifikation zur Champions League in den Liga-Alltag mitnimmt, der rieb sich am Samstagabend verwundert die Augen.

YB bringt gegen Lausanne-Sport kaum ein Bein vors andere. Dass das Team von Patrick Rahmen am Ende dennoch einen Punkt holt, ist mehr als glücklich. Lausanne-Sport feuert im Wankdorf 18 Schüsse ab, 8 davon kommen aufs Tor. YB auf der Gegenseite geht nur 6 Mal in den Abschluss, aber nur einer davon kommt auf den Kasten von Karlo Letica – der landet dann allerdings prompt im Netz.

45. + 3': Ugrinic hämmert YB aus dem Nichts in Führung

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31.08.2024

Der Schuss von Filip Ugrinic scheint allerdings nicht unhaltbar, was sich auch in der «Expected Goals»-Statistik nach Spielschluss (0.18 zu 1.91) spiegelt. Ein 2:0-Auswärtssieg von Lausanne hätte dem Gezeigten mehr entsprochen als das 1:1. Im YB-Lager macht sich nur vier Tage nach dem Triumph in Istanbul Ratlosigkeit und Frust breit. Ugrinic' Expected-Goal-Wert lag übrigens bei 0,01.

Was sind eigentlich Expected Goals?

  • Der xG-Wert (xG steht für «Expected Goals», zu Deutsch: «zu erwartende Tore») liegt pro Aktion immer zwischen 0 und 1. Mit ihm kann bei jeder Torchance klar bestimmt werden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass der Ball von diesem Punkt aus im Tor landet.
  • «xG 0,25» bedeutet also: 25 von 100 Schüssen aus dieser Position führen zu einem Treffer.
  • Der Wert beruht auf grossen Datenmengen aus den vergangenen Jahren und mathematischen Modellen. Somit erhält jeder Abschluss einen statistischen Wert.
  • Beispiel Elfmeter: Hier liegt der Ball stets zentral vor dem Tor, elf Meter von der Linie entfernt und nur der Torwart steht beim Schuss im Weg. Ein Elfmeter hat einen Wert von xG 0,77. Mit anderen Worten: Im Schnitt werden ziemlich genau drei von vier Elfmetern verwandelt. Eine «100-prozentige Torchance» ist ein Elfmeter daher nicht, sondern «nur» eine 77-prozentige.
  • Wichtig zu wissen ist, dass die Berechnung der Qualität einer Chance unabhängig von der Person erfolgt, die den Schuss abgibt. Es spielt also keine Rolle, ob Lionel Messi vor dem Torhüter auftaucht oder Filip Ugrinic.

YB könnte in der Liga sogar noch schlechter dastehen

Klebt YB in der Liga einfach das Pech an den Schuhen? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, blickt blue News noch einmal in die Statistikbücher, genauer auf die «Expected Goals», also darauf, wie viele Tore YB erwartungsgemäss hätte schiessen respektive kassieren müssen. Müsste YB gemäss den Statistiken besser dastehen als sie es tun?

Die Antwort lautet: Nein! Gegen Servette hätte sich YB zwar ein Remis verdient, gegen den FCZ und zuletzt Lausanne hätte es dagegen Niederlagen absetzen müssen. Die Berner dürften sich demnach nicht beklagen, stünden sie nun gar mit nur zwei Punkten da, so wie einst der FCZ.

Alle YB-Resultate in der Saison 2024/25

In Klammern siehst du die «Expected Goals»

  • 21. Juli: YB – Sion 1:2 (1.21 : 1.50) => 1:2*
  • 24. Juli: Servette YB 3:1 (1.96: 2.02) => 2:2*
  • 28. Juli: St.Gallen – YB 4:0 (2.84 : 1.16) => 3:1*
  • 4. August: YB – FCZ 2:2 (0.97 : 2.03) => 1:2*
  • 10. August: Yverdon-Sport – YB 2:2 (0.85 : 1.27) => 1:1*
  • 17. August: Printse-Nendaz (2. Liga) – YB 0:10 (Cup)
  • 21. August: YB – Galatasaray 3:2 (UCL-Playoffs) 1.90 : 2.18 => 2:2*
  • 27. August: Galatasaray – YB 0:1 (UCL-Playoffs) 0.86 : 2.69 => 1:3*
  • 31. August: YB – Lausanne 1:1 (0.18 : 1.91) => 0:2*

    * Zu erwartendes Resultat gemäss Statistiken (gerundet)

Und trotzdem: Längst nicht alles läuft schief bei YB

Generell von einem historisch schwachen Saisonstart zu sprechen, das wäre dann aber doch vermessen. Denn so sehr die Young Boys in der Liga schwächeln, im Cup haben sie die Pflicht gegen Zweitligist Printse-Nendaz mit einem 10:0-Sieg souverän erfüllt und in den Champions-League-Playoffs gegen Galatasaray Istanbul die Erwartungen übertroffen. Nun ist Patrick Rahmen gefordert, dass er seine Spieler auch in der Liga auf Betriebstemperatur bringt, ansonsten wird auch für ihn die Luft irgendwann zu dünn.

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