Lehmann vs. FIS-Präsident Eliasch Der Eklat von Mailand und Österreichs Verrat – die Chronologie des Machtkampfs

Von Luca Betschart

24.1.2024

FIS-Präsident Johan Eliasch liefert sich mit Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann seit Jahren einen Machtkampf.
FIS-Präsident Johan Eliasch liefert sich mit Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann seit Jahren einen Machtkampf.
Bild: Keystone

FIS-Präsident Johan Eliasch attackiert Urs Lehmann nach dessen Kritik an der Rennplanung frontal und befeuert den seit Jahren wütenden Machtkampf mit dem Swiss-Ski-Präsidenten. Eine Chronologie. 

Von Luca Betschart

24.1.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Nachdem Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann am Rande der Lauberhorn-Rennen Kritik an der Planung der FIS und insbesondere an Präsident Johan Eliasch äussert, lässt die Antwort nicht lange auf sich warten.
  • Die FIS wehrt sich und wirft Lehmann «unethisches Verhalten» vor und schreibt: «Er hat die FIS für eine Kalenderentscheidung kritisiert, die er davor gutgeheissen hatte.»
  • Zwischen der FIS und mehreren nationalen Verbänden gibt es seit Jahren Differenzen, insbesondere Johan Eliasch und Urs Lehmann geraten sich dabei immer wieder in die Haare.

Weil Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann in einem Interview am Rande der Lauberhorn-Rennen in Wengen Kritik an der Erstellung des Weltcupkalenders äussert, antwortet die FIS mit einem Communiqué, das es in sich hat. Es ist das nächste Kapitel in einem jahrelangen Streit der Skibosse, der mit der Wahl von Eliasch im Sommer 2021 losgetreten wird.

Die Wahlschlappe

Lange gilt Urs Lehmann als der Topfavorit auf die Nachfolge von Gian Franco Kasper, der zwischen 1998 und 2021 die Geschicke des 1924 gegründeten Skiweltverbandes leitet. Doch als im Juni 2021 abgestimmt wird, muss Lehmann eine herbe Niederlage einstecken. Der Swiss-Ski-Präsident erhält nur 26 Stimmen – und unterliegt dem schwerreichen Schweden Johan Eliasch klar.

Der Besitzer der Skifirma Head streicht 65 Stimmen ein, womit er das erforderliche absolute Mehr gleich im ersten Wahlgang übertrifft. «Johan hat eine sehr gute Kampagne gezeigt. Dafür gratuliere ich ihm von Herzen», sagt Lehmann hinterher und zeigt sich von einigen Verbänden enttäuscht: «Die Österreicher und einige weitere Nationen haben noch die Seite gewechselt. Das mochte es nicht leiden», so der Swiss-Ski-Präsident, der berichtet, dass der damalige ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel ihm seine Stimmen eigentlich versprochen habe.

Immerhin wird der Aargauer in den FIS-Vorstand gewählt und sagt: «In diesem Gremium ist der Präsident nicht alleine, sondern man soll im Sinne der Sache gut zusammenarbeiten.» Das ist allerdings einfacher gesagt als getan.

«Einem neuen Präsidenten muss man Zeit geben»

Vor dem Auftakt in den Weltcupwinter 2021/22 spricht Lehmann in einem Interview über die verpasste Wahl zum FIS-Präsidenten. «Ich hätte es gerne gemacht, aber ich bin über die Nichtwahl absolut nicht traurig und in meiner jetzigen Situation alles andere als unglücklich», so der 52-Jährige. Über seinen Konkurrenten Eliasch sagt Lehmann geduldig: «Die FIS befindet sich nun gerade im Umbruch, vieles ist ungewiss. Das ist aber normal, denn einem neuen Präsidenten muss man Zeit geben. Vier Monate sind dafür noch zu wenig. Seine Handschrift muss aber nächsten Frühling lesbar sein.»

Der Eklat von Mailand

Eliasch ist erst ein Jahr im Amt, hat in dieser Zeit aber schon die halbe Skiwelt gegen sich aufgebracht. Viele seiner Ideen sorgen bei den grossen Verbänden für Kopfschütteln. Dazu gehören die Pläne für Rennen in Dubai oder eine zentrale Vermarktung des Weltcups. Vor allem die Art und Weise, wie Eliasch seine Vorhaben vorantreibt, stösst den nationalen Verbänden sauer auf.

Dem 61-Jährigen wird nachgesagt, Pläne im Alleingang durchbringen zu wollen und die Betroffenen dabei nicht zu informieren. Und so kommt es beim Skikongress in Mailand zum Eklat. Trotz zahlreicher Einwände beharrt die FIS darauf, dass die Mitglieder bei der Wiederwahl von Eliasch – für den es keinen Gegenkandidaten gibt – nur mit «Ja» stimmen oder sich enthalten können. Ohne die Möglichkeit, auch «Nein» zu Eliasch zu sagen, verlassen zahlreiche Delegierte den Saal und boykottieren dessen Wiederwahl – darunter auch die Schweiz.

Eliasch schafft die Wiederwahl, obwohl er nur 70 von 126 Stimmen erhält, was einem Misstrauensvotum gleichkommt. «Er kommt aus der Privatwirtschaft», geht Lehmann den FIS-Präsidenten anschliessend an, nennt die Wahl eine «Muppet-Show» und macht klar: «So, wie er diesen Verband aktuell führt, kann man ihn nicht führen. Man muss miteinander reden, einen Konsens suchen und finden, Leute miteinbeziehen. Seine Kommunikation ist der Grund für die Eskalation.»

Johan Eliasch geniesst nicht bei allen Verbandsbossen Sympathien.
Johan Eliasch geniesst nicht bei allen Verbandsbossen Sympathien.
Bild: Keystone

Lehmann nimmt auch den österreichischen Verband in die Pflicht und erinnert diesen freundlich daran, sich bei der Wahl auf die Seite von Eliasch gestellt zu haben. «Nun hat sich Schröcksnadel fünfmal bei mir dafür entschuldigt. Jetzt müssen eben die Österreicher Verantwortung übernehmen. Wir können nur helfen, federführend wollen wir nicht mehr sein», so Lehmann. Walter Reusser, Alpindirektor bei Swiss-Ski, sieht das ähnlich: «Die Österreicher waren Teil der Königsmacher Eliaschs. Vielleicht hätten sie vorher prüfen sollen, ob es gut herauskommt oder nicht.»

Kurz darauf wird bekannt: Gemeinsam mit den Verbänden aus Deutschland, Kroatien und Österreich geht Swiss-Ski juristisch gegen die Wiederwahl von Eliasch vor, zieht den Fall vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) und begründet dies mit der Untermauerung von demokratischen Grundsätzen. 

«Sabotage» und «Kriegsvokabular»

Eliasch attackiert Lehmann im «Blick» frontal, nachdem der Swiss-Ski-Präsident Kritik äussert an der Planung des FIS-Kalenders. «Das Mitglied stimmte dafür, dass der Weltcuptross dieses Jahr zweimal in die USA geht. Er fand es eine grossartige Idee, das ist sogar im Sitzungsprotokoll festgehalten», erzählt Eliasch und beschwert sich, dass Lehmann ein paar Monate später ebendiese Planung in den Medien kritisiert. «Was soll das? Da kann man ja gleich sagen, die FIS bestehe aus einem Haufen Clowns. Das ist ein inakzeptables Verhalten, das ist Sabotage. Dieses Ratsmitglied haben wir scharf, sehr scharf verwarnt. So benimmt man sich nicht.»

Lehmann will, darauf angesprochen, nicht näher auf die Vorwürfe eingehen, kontert aber: «Nur schon dieses Vokabular. Kriegsvokabular zu verwenden in unserem wunderschönen Sport. Das ist für mich völlig deplatziert.»

Einige Tage später ziehen die Verbände aus Deutschland, Österreich, Kroatien und der Schweiz ihre deponierte Klage gegen die Wiederwahl von Eliasch überraschend zurück. Damit wird das Verfahren seitens des CAS, der letzten Dezember alle Parteien angehört hat, gestoppt. «Unser Schritt, die Klage zurückzuziehen, ist im Sinne des Skisports erfolgt», bestätigt Diego Züger. Allerdings habe sich nicht etwa die Rechtsauffassung der Kläger geändert. Vielmehr habe man erkennen müssen, «dass das aktuelle Verfahren die notwendigen Abstimmungsprozesse überschattet und teilweise blockiert».

Neue Vorwürfe an Lehmann

Wieder kracht es zwischen Eliasch und Lehmann, weil der Swiss-Ski-Präsident öffentlich Kritik äussert. «Wir müssen darüber nachdenken, wer den Rennkalender macht. Im Moment hält man sich nicht an die vorgesehenen Abläufe. Im Moment macht es eine Person von zu Hause aus», bemängelt Lehmann. Das lässt sich der Schwede nicht gefallen.

Eliaschs Sprecherin entgegnet daraufhin: «Urs Lehmann ist ein Mitglied des FIS-Councils und hat den Kalender 2023/24 ohne Vorbehalte akzeptiert. Jetzt hat er die FIS für eine Kalenderentscheidung kritisiert, die er davor gutgeheissen hatte. Die FIS verurteilt ein solches unaufrichtiges Verhalten und ist der Meinung, dass Urs Lehmann, ein Mitglied des FIS-Rates, damit unethisch gehandelt hat.» 

Er nehme sie zur Kenntnis, sagt Lehmann zu den Vorwürfen. «Meine Kritik hat sich auf Sun Valley bezogen und auf die generelle Kalenderplanung. Die ist in den letzten Jahren nicht immer so gemacht worden wie zuvor. Das ist nicht gut fürs System. Dazu stehe ich.»