Marco Odermatt nimmt am Sonntag den nächsten Anlauf auf sein erstes WM-Edelmetall. In der Abfahrt versucht er nachzuholen, was ihm im Super-G nicht gelungen ist.
Das viel bemühte eigene Gesetz von Grossveranstaltungen, diese stetig in Erinnerung gerufene Gefahr für die Favoriten, von Aussenseitern geschlagen zu werden, hatte auch am Donnerstag im Super-G mit dem Sieg des Kanadiers James Crawford seine Bestätigung. Selbst ein Überflieger wie Marco Odermatt musste die schmerzliche Erfahrung machen, dass die mahnenden Worte mehr sind als eine Floskel.
Wenn Aussenseiter Rennen oder Medaillen gewinnen, ist sehr oft hohes Risiko im Spiel. Die Bereitschaft, alles zu tun, um die sich bietende Möglichkeit zu nutzen, schliesst die Fahrt am oder auch über dem Limit ein. Dieses allerletzte Risiko ist Odermatt schon oft eingegangen. Am Donnerstag hat er darauf verzichtet. «Ich habe in den letzten Wochen gemerkt, dass ich auch mit einem Prozent weniger Risiko schnell sein und Rennen gewinnen kann. Hier hat es nicht gereicht.»
Bitter für ihn, der die bisherigen sechs Weltcup-Super-G des Winters alle unter den ersten drei beendet hat, viermal auf Platz 1, je einmal auf Platz 2 und 3. Gedanken an die Verletzung im linken Knie und an die Rennen nach der Weltmeisterschaft, in denen es für ihn um den erneuten Gewinn des Gesamtweltcups geht, sollen keine Rolle gespielt haben.
Die bekannte Situation
Wieder hat es also nicht gereicht. Wieder ist es Platz 4 geworden wie vor zwei Jahren in der Abfahrt bei der Weltmeisterschaft in Cortina d'Ampezzo. Wieder ist es nichts geworden mit der ersten WM-Medaille. Erneut findet sich Odermatt somit in der Situation wieder, in der er sich in Cortina d'Ampezzo und an den Olympischen Spielen vor zwölf Monaten in Peking befunden hat.
In China hat Odermatt auf Rang 7 in der Abfahrt und den Ausfall im Super-G mit dem Sieg im Riesenslalom auf bestmögliche Weise und im Stile des grossen Könners reagiert. Ähnliches darf auch diesmal erwartet werden. Den Ärger über den Nackenschlag im Super-G hat er kurz gehalten, dem Selbstvertrauen hat die Enttäuschung nichts anhaben können. Der Nidwaldner gibt sich dieser Tage gelassen und entspannt, ein gestiegener Puls ist nicht auszumachen. Die Überzeugung und die Zuversicht, dass es mit dem Erfolgserlebnis in Courchevel klappen wird, sind geblieben.
Die überfällige Premiere
In der Abfahrt tritt Odermatt im Gegensatz zum Riesenslalom am nächsten Donnerstag nicht als der von allen gejagte Fahrer an. Diese Rolle kommt am Sonntag Aleksander Kilde zu. Der Norweger hat fünf der bisherigen acht Weltcup-Abfahrten in diesem Winter gewonnen. Odermatt hat als Referenz dreimal Platz 2 und einmal Rang 3 in seiner Zwischenbilanz stehen.
Einzig der Sieg fehlt noch. Nach insgesamt siebenmal Rang 2 im Weltcup ist der Sprung ganz nach vorne überfällig. Vielleicht ist es gerade in der wichtigsten Abfahrt des Winters soweit mit der Premiere. Vielleicht vermag Odermatt seine Risikobereitschaft um das entscheidende Prozent zu erhöhen. Als Mitfavorit im Stile eines Aussenseiters sozusagen.
SDA