Die neuen Wachs-Vorschriften wurden schon zum Saisonauftakt einer Fahrerin zum Verhängnis. Im Schweizer Lager ist man weiterhin skeptisch. Michelle Gisin zweifelt an den Messmethoden und ist damit nicht allein.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Die neuen Wachs-Vorschriften der FIS haben bereits zu Beginn der Saison zu Problemen geführt, wobei die Fahrerin Ragnhild Mowinckel nach derm ersten Riesenslalom-Lauf disqualifiziert wurde.
- Es gibt erhebliche Zweifel an den Testmethoden des neuen Reglements, da Testgeräte ungenaue oder falsche Ergebnisse zeigten, selbst bei brandneuen Skiern.
- Fahrerinnen, darunter Michelle Gisin und Camille Rast, äusserten ihre Besorgnis und Frustration über die neuen Regelungen, betonen aber das Vertrauen in ihre Service-Teams.
Die Zweifel am neuen Wachs-Reglement der FIS waren schon Wochen vor dem Saisonauftakt gross. Man befürchtete Sabotagen und unberechtigte Disqualifikationen. Auch im Schweizer Lager. Mit der Disqualifikation von Ragnhild Mowinckel nach dem ersten Riesenslalom-Lauf von Sölden dürfte die Skepsis jetzt nur noch grösser werden.
Unbegründet ist die Zurückhaltung im Ski-Zirkus nicht. Die Test-Messungen waren zuletzt nicht nur minim fehlerhaft, sondern geradezu lächerlich. Neu gilt aus ökologischen Gründen ein Fluor-Verbot beim Wachsen. Um das zu Testen werden die Skier an der Spitze, in der Mitte und am Ende einer Messung unterzogen. Leuchtet das Testgerät drei Mal grün, ist alles in Ordnung. Allerdings leuchtete die Maschine nur Wochen vor dem Saisonauftakt selbst bei brandneuen Skiern, die definitiv nie mit Fluor in Berührung kamen, gerne mal rot auf.
Ob das jetzt auch Mowinckel zum Verhängnis wurde, ist ungewiss. Die Norwegerin war nach dem Entscheid auf jeden Fall völlig aufgelöst. Unter Tränen sagt sie in einem Interview mit dem norwegischen Fernsehen: «Ich bin mir sicher, dass hier ein Fehler vorgefallen ist. Die Verantwortlichen sind zu mir gekommen und meinten, dass sie keine Wahl hätten.» Und Mowinckel ergänzt: «Die gemessenen Fluor-Werte waren offenbar so hoch, dass es sich nicht nur um eine leichte Verschmutzung des Skis handeln kann.»
Die Konkurrentinnen leiden mit Mowinckel
Ihre Konkurrentinnen können den Frust nur zu gut nachvollziehen. Kaum jemand unterstellt Mowinckel oder ihrem Service-Team böse Absicht. Vielmehr wird die neue Regel und deren Testmethoden weiterhin in Frage gestellt.
Michelle Gisin gibt sich im Interview mit blue News im Zielraum so diplomatisch wie möglich: «Es ist ein bisschen schwierig im Moment mit dem Ganzen. Es gibt viele Gerüchte. Jeder sagt etwas anderes. Es muss sich jetzt alles noch einpendeln.»
Trotzdem richtet sie dann noch einen klaren Appell in Richtung des internationalen Ski-Verbands: «Sie müssen einen Weg finden, beweisen zu können, dass die Werte auch wirklich stimmen. Es muss klar sein, dass solide gemessen wird und nicht wahllos Athletinnen disqualifiziert werden.» Bis es soweit ist, werde es aber sicher noch bis Mitte Saison dauern, wie Gisin vermutet.
«Für die Serviceleute ist es schon ein brutaler Stress. Wir brauchen bald Therapeuten, denn sie stehen alle am Start und zittern.»
Es könnte also noch die eine oder andere Fahrerin oder auch Fahrer dem neuen Reglement zum Opfer fallen. Doch wie gehen diese mit der Unsicherheit um? Wie soll man sich nach einem guten Lauf überhaupt noch sicher sein, dass dieser auch valide war?
«Während dem Rennen denke ich nicht darüber nach», so Gisin. «Ich fahre, mache mein Ding und habe blindes Vertrauen in meinen Service-Mann. Wenn dann was ist, dann ist etwas.» So macht sich die erfahrene Athletin dann auch fast mehr Sorgen um ihren Staff, als um sich selber: «Für die Serviceleute ist es schon ein brutaler Stress. Wir brauchen bald Therapeuten, denn sie stehen alle am Start und zittern.»
Im Grundsatz findet Gisin die Neuerung ja sinnvoll, auch im Sinne der Umweltverträglichkeit. «Aktuell gibt es aber leider einfach noch zu viele Gerüchte und Spekulationen.»
Rast hofft auf einen fairen Ausgang
Camille Rast hat vor dem zweiten Lauf die Disqualifikation ebenfalls mitbekommen und war dadurch auch etwas verunsichert, wie sie später gegenüber blue News verrät. «Die Stimmung beim Start und schon bei der Besichtigung war komisch (...). Ich weiss nicht genau, was jetzt passiert ist, aber ich hoffe, dass alles fair über die Bühne geht.
Das Vertrauen in die eigenen Service-Leute ist aber auch bei ihr nicht beschädigt. «Das müssen wir einfach haben, sonst stehen wir gar nicht am Start.»