Nationaltrainer Patrick Fischer äussert sich im Interview unter anderem zu seiner Entwicklung, der Ausgangslage in Peking und Rekordmann Andres Ambühl.
Patrick Fischer, Sie stehen vor Ihren zweiten Olympischen Spielen und dem siebenten grossen Turnier insgesamt als Headcoach des Nationalteams. Welches sind die grössten Unterschiede im Vergleich zu ihrem Amtsantritt im Dezember 2015?
Patrick Fischer: Die grössten Unterschiede sind die gesammelten Erfahrungen, aus denen wir gelernt haben. Wir passten uns taktisch ans internationale Level an, da hatten wir bei der ersten WM Probleme. Wir investierten mehr Zeit in den physischen Bereich, damit die Spieler noch fitter sind. Ich persönlich bin im Coaching gewachsen, da lerne ich jedes Jahr dazu. Zu Beginn machte ich mehr selber, mittlerweile habe ich einiges abgegeben, sodass ich mich mehr auf die Spieler konzentrieren kann.
2018 war die Ausgangslage ähnlich wie diesmal, fehlten doch auch in Pyeongchang die NHL-Spieler. Damals platzte der Medaillentraum jäh im Achtelfinal, der gegen Deutschland 1:2 nach Verlängerung verloren ging. Welches sind die Haupterkenntnisse, die Sie aus dieser Enttäuschung gezogen haben?
Wir gingen damals nach einer guten WM 2017, an der wir mit einer ähnlichen Mannschaft antraten, mit positiven Gefühlen ins Turnier. Der Unterschied ist sicherlich die Ausgangslage der Spieler. Vor vier Jahren rückten diese nach einem strengen Programm ein. In der ersten Partie wurden wir von Kanada (1:5) komplett überfahren. Das wird uns nicht mehr passieren. Diesmal kamen die Spieler mit vollen Batterien, sodass wir die Vorbereitung anders gestalten konnten. Zudem sind wir nun an einem anderen Punkt, haben wir doch in den drei folgenden Weltmeisterschaften einmal den Final erreicht und zweimal die Halbfinals hauchdünn verpasst. Nun gilt es, den Killerinstinkt zu manifestieren, und wenn wir führen, aktiv zu bleiben. Das müssen wir verbessern. Wichtig ist, unserem Weg treu zu bleiben.
Ist das Nationalteam auf einem noch nie dagewesenen Level?
Mit etwas Glück wären wir an den letzten zwei Weltmeisterschaften beide Male im Halbfinal gestanden. Es hing an einem seidenen Faden. Das gehört dazu, es kann in beide Richtungen gehen. Wir wissen, dass wird die Topteams in K.o.-Spielen bezwingen können.
Es ist eine spekulative Frage, dennoch: Stufen Sie es als Vorteil ein, dass die NHL-Spieler fehlen?
Das ist schwierig zu beantworten. Unsere NHL-Spieler sind in dieser Saison extrem heiss und alle sind gut in die Mannschaft integriert, da sie schon oft dabei waren. Es wäre ein sehr starkes Team gewesen. Gleichzeitig haben die anderen Mannschaften auch enorme Verluste. So oder so ist unser Vorteil der Teamgeist, wir sind auch in dieser Konstellation für alle gefährlich.
Das Turnier dauert maximal bloss zwölf Tage. Da spielen die Details eine noch grössere Rolle. Wie sehen Sie das?
Das ist so. Vor vier Jahren fingen wir am Donnerstag an und war das Turnier für uns am darauffolgenden Dienstag zu Ende. Die Marge ist klein. Gleichzeitig kann man sich in Extase spielen, was bei Deutschland (gewann Silber – Red.) damals nach dem Sieg gegen uns der Fall war.
Die Bedingungen sind aufgrund der Corona-Pandemie schwierig. Was ist für Sie das Wichtigste, unter diesen Umständen dennoch eine Topleistung abrufen zu können?
Olympische Spiele sind das höchste der Gefühle für einen Athleten. Deshalb galt es, die Stimmung aufzusaugen. Nun konzentrieren wir uns zu 100 Prozent aufs Eishockey. Das Wichtigste ist, dass sich alle körperlich gut fühlen und Klarheit im Kopf haben, jeder Einzelne weiss, was er machen muss. Die Vorfreude ist riesig, das spürt man. Es geht nun darum, uns nicht zu verkrampfen und dankbar zu sein, das hier erleben zu dürfen.
Dennoch dürften es für Sie das bisher herausforderndste Turnier sein.
Definitiv. Es ist für alle eine Herausforderung. Man kann wenig planen, es herrscht stets eine gewisse Unsicherheit. Umso mehr werden wir es geniessen, wenn wir dann endlich spielen können. Das kann auch entfesseln. Wir haben auf jeden Fall sehr akribisch gearbeitet und sind bereit. Die Mannschaft hat eine Geschichte, wir feierten und litten gemeinsam. Das schweisst zusammen. Das wird unsere grösste Stärke sein.
Zum Schluss noch ein Wort zu Andres Ambühl, der mit bald 39 Jahren seine fünften Olympischen Spiele bestreitet.
Seine Karriere ist unbeschreiblich. Er wird definitiv nicht schlechter. Es zeigt, was mit Spielfreude, Freude am Sport, Freude am Leben alles möglich ist. Er hat in jedem Training ein Lächeln im Gesicht und gibt stets alles. Ich bin unglaublich stolz, dass ich ihn weiterhin trainieren darf. Vor 20 Jahren gewannen wir als Spieler zusammen mit Davos den Meistertitel. Er ist für mich auch neben dem Eisfeld ein enorm wichtiger Spieler. Ich tausche mich oft mit ihm aus. Es ist schlichtweg phänomenal, dass er zum fünften Mal Olympische Spiele erleben darf.
Mi 09.02. 09:30 - 12:00 ∙ SRF zwei ∙ 150 Min
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