Union Berlin bereitet sich derzeit mit ungewöhnlichen Trainings auf eine mögliche Fortsetzung der Bundesliga-Saison vor. Trainer Urs Fischer weiss dennoch genau, wo er bei seinen Spielern den Hebel ansetzen muss.
Von Hundert auf Null – auch für Bundesliga-Trainer Urs Fischer bringt die Coronakrise eine krasse Umstellung. «Ich glaube, es ging mir gleich wie allen anderen», sagt der Coach von Union Berlin im Interview mit der «NZZ» auf die Zwangspause angesprochen. «Ich musste mich auf eine Situation einstellen, die ich nicht kannte. Wir versuchten schnell, Instrumente zu finden, um mit der Situation klarzukommen.»
Persönlich gelingt Fischer die Umstellung gut: «Bei mir ist das Glas halb voll und nicht halb leer. Es war nie ein Thema, dass ich in ein Loch falle.» Der 54-Jährige versorgt die Spieler mit individuellen Trainingsplänen, schaut sich Spiele aus der laufenden Saison noch einmal an und lernt die technischen Möglichkeiten besser kennen. «Plötzlich führten wir eine Videokonferenz mit 46 Personen durch. Da habe ich das eine oder andere dazugelernt. Vielleicht können wir diese Möglichkeiten in Zukunft vermehrt nutzen.»
Der überraschende Fitnessstand der Spieler
Seit dem 6. April trainiert seine Mannschaft wieder in Kleingruppen, wobei den Spielern die dreiwöchige Auszeit in den ersten Einheiten anzumerken gewesen sei. «Ich möchte es so sagen: Die Spieler haben sich an ihre persönlichen Trainingspläne gehalten. Doch als wir das Training in Kleingruppen wieder aufnahmen, waren wir schon etwas überrascht, dass sie in drei Wochen ziemlich viel verloren hatten.»
Eine mögliche Erklärung sieht Fischer in der fehlenden Bewegung. «In der Sommerpause haben die Jungs auch Trainingspläne, sie bewegen sich allerdings auch sonst dauernd. In dieser Zeit sind sie neben den persönlichen Trainings vor allem herumgesessen. Das hat sicher dazu beigetragen, dass die Tests nicht so gut herausgekommen sind.» Eine normale Pause bedeute aktive Erholung, diese Pause aber sei vor allem passive Erholung gewesen. Deshalb habe man gewusst, wo der Hebel anzusetzen sei.
Erinnerungen an eigene Juniorenzeit
Mit dem normalen Trainingsalltag haben die Einheiten in Kleingruppen aber wenig gemeinsam. «Nicht erlaubt sind Spielformen und alles, was mit Zweikämpfen und Körperkontakt zu tun hat», erklärt der Schweizer. «Vieles erinnert mich aber momentan an meine Juniorenzeit. Da waren die Übungen auch so einfach gestrickt.»
Die Arbeit des Trainers habe sich deshalb aber nicht komplett verändert – mit der Ausnahme, dass Fischer mehr Zeit auf dem Platz verbringt. «In der ersten Woche hatten wir Tage, an denen wir um neun Uhr mit der ersten Gruppe anfingen und die letzte Gruppe um 16 Uhr verabschiedeten».
Ansonsten suche man nach wie vor immer wieder die beste Lösung, jetzt sei einfach die Ausgangslage anders. Doch für Fischer ist klar: «Sich immer wieder zu hinterfragen und etwas Neues zu kreieren, gehört doch auch in normalen Zeiten dazu.»