Kommentar Pelé ist tot und die GOAT-Debatte sollte es auch sein

Von Jan Arnet

30.12.2022

Die Welt trauert um Pelé

Die Welt trauert um Pelé

Fussballlegende Pelé ist im Alter von 82 Jahren verstorben. Für viele war er der beste Fussballer der Geschichte.

29.12.2022

Der König ist tot. Edson Arantes do Nascimento – oder kurz: Pelé – ist am Donnerstag im Alter von 82 Jahren verstorben. Der Brasilianer ist der beste Fussballer aller Zeiten. Zumindest behauptete er das selber.

Von Jan Arnet

In fast jedem Bericht zu Pelés Tod ist es zu lesen: «O Rei» war der erste globale Superstar des Fussballs, machte den Fussball gross und gilt als einer der besten Spieler aller Zeiten. Ist er auch der GOAT, der Beste der Geschichte? 

Oder ist es doch Lionel Messi, der kürzlich mit dem WM-Titel seine Karriere gekrönt und nun alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt? Und was ist mit Tormaschine Cristiano Ronaldo und dem einzigartigen Diego Maradona?

Tostão, Pelés Sturm-Kollege beim WM-Gewinn 1970, hat mal gesagt: «Nähme man alle Talente von Maradona, Ronaldo und Messi zusammen, dann hätte man einen Spieler, der nah an die Klasse von Pelé herankäme. Aber Pelé wäre immer noch besser.» Und Franz Beckenbauer meint: «Von allen grossen Fussballern war er der Grösste.»

Rekorde und Zweifel

Die Zahlen, die Erfolge und die Schwärmereien der älteren Fussballspieler und Fans lassen kaum eine andere Meinung zu. 1'281 Tore hat Pelé Zählungen zufolge in seiner Karriere in 1'363 Spielen geschossen. Ein unerreichter Wert. Auch seine drei Weltmeister-Titel sind Rekord. Nicht umsonst wurde er 1999 von der FIFA gemeinsam mit Diego Maradona als «Weltfussballer des Jahrhunderts» ausgezeichnet.

Doch seine Nörgler finden viele Gründe, weshalb Pelé total überschätzt wird und in der heutigen Zeit nicht mit den besten Spielern mithalten könnte. Schliesslich spielte er in seiner Karriere nie in Europa und hatte auch das Glück, in der brasilianischen Nationalmannschaft grossartige Teamkollegen zu haben.

Auch seine 1'281 Tore werden angezweifelt, da sich damals in der 1960er- und 1970er-Jahren die Datenerfassung natürlich viel schwieriger gestaltet hatte als heutzutage. Böse Zungen behaupten sogar, der frühere Santos-Star habe die 1000er-Marke nur erreicht, weil er auch die Treffer im Training mitgezählt habe.

Alle sehen sich selbst als die Besten

Wie auch immer. Die Frage nach dem GOAT des Fussballs nervt sowieso. Wie kann man Spieler miteinander vergleichen, die in völlig verschiedenen Zeiten gekickt haben? In den 1970er-Jahren hatte die brasilianische Liga noch ein ganz anderes Ansehen als heute. Andererseits darf man davon ausgehen, dass die Verteidiger heute taktisch viel besser geschult sind als damals und es deshalb heute nahezu unmöglich ist, in einer Karriere 1'000 Tore zu schiessen. Ronaldo steht aktuell übrigens bei 819, Messi bei 799.

Interessant ist jedoch, was die oft genannten GOATs selbst zur Debatte zu sagen haben. Wer ist der beste Fussballer der Geschichte? «Cristiano Ronaldo», sagt Cristiano Ronaldo. «Messi ist grossartig, aber ich bin der Beste», sagte Diego Maradona zu Lebzeiten.

Lionel Messi wählt bescheidenere Worte und sagt, er wolle sich nicht mit anderen vergleichen, weil er ein völlig anderer Spieler sei als Maradona, Pelé oder Ronaldo. 2018 liess sich der Argentinier für ein Magazin allerdings mit einer Ziege ablichten, was dann doch als klares Statement aufgefasst werden kann. Ziege heisst auf Englisch «goat», was wiederum die Abkürzung für den «Greatest Of All Time» darstellt.

Pelé war kein Messi-Fan

Und was sagte Pelé zu der Thematik? Wenig überraschend sah sich auch die brasilianische Legende auf dem Fussball-Thron. Zwar habe er auch grossen Respekt vor den Leistungen seiner Mitstreiter und man dürfe auch Spieler wie Zico, Ronaldinho und Franz Beckenbauer nicht vergessen. «Aber ich denke, ich war besser als sie alle.»

Pelé erlaubte sich auch, seine vermeintlichen Rivalen miteinander zu vergleichen und sie teilweise auch zu kritisieren. So sagte er Ende 2018 in einem Interview mit einer brasilianischen Zeitung, dass Maradona «viel besser» war als Messi. Ein grosser Fan des Zauberflohs, der spätestens nach dem WM-Titel von den meisten Fussball-Fans der jüngeren Generation als GOAT angesehen wird, war Pelé nie.

Den Argentinier auf eine Stufe mit ihm selber zu stellen, war dann schon fast eine Frechheit. «Wie kann man einen Vergleich ziehen zwischen jemandem, der den Ball gut köpft, mit links und mit rechts schiessen kann und jemandem, der nur mit einem Bein spielt, nur diese eine Fähigkeit hat und auch keine Kopfball-Tore macht?», fragte sich Pelé vielsagend.

Es braucht gar keinen GOAT

Eigenlob stinkt, heisst es. Doch die umstrittene Debatte um den besten Fussballer kann man wohl kaum gewinnen, wenn man sich nicht selbst als den besten sieht.

Nur: Braucht es überhaupt einen Sieger? Wie wär's, wenn wir der leidigen Diskussion ein Ende setzen und einfach anerkennen, dass sie alle, Pelé, Maradona, Messi, Ronaldo und noch viele andere, grossartige Fussballer waren und es geschafft haben, dass wir uns in diesen wunderschönen Sport verliebt haben. Gerade jetzt, wo die Fussball-Ikone schlechthin von uns gegangen ist.

«Eines Tages spielen wir hoffentlich gemeinsam Fussball im Himmel», richtete Pelé vor zwei Jahren seine Worte an den verstorbenen Maradona. Diego wird dich mit offenen Armen empfangen, Pelé. Ruhe in Frieden.

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