Gut verdienende Fussballer stehen in Zeiten der Corona-Krise in der Kritik, weil sie habgierig seien. Diese Vorwürfe sollten mit Skepsis beäugt werden. Ein Kommentar.
Vorab: Verdienen die Fussballer in den grossen Ligen zu viel? Ja. Bekommen in unserer Gesellschaft Ärzte, Krankenschwestern, Putzfrauen und Pflegepersonal die Wertschätzung, die sie verdienen? Nein. Auf diese Erkenntnis wäre wohl selbst die grosse Mehrheit der Kicker gekommen.
Egal ob Premier League, Primera Division, Bundesliga oder Super League –überall wird derzeit heftig über Lohnkürzungen gestritten. Dabei ist die Rollenverteilung klar. Auf der einer Seite die gierigen Profis, die in ihren pompösen Villen gemütlich die Zeit zuhause absitzen können, auf der anderen Seite der Grossteil der Bevölkerung, die nun jeden Rappen umdrehen muss. Wer in diesem Spannungsfeld den Kürzeren zieht, ist klar.
«Nun sind die Fussballer ein leichtes Ziel, weil in der Öffentlichkeit häufig über ihre finanziellen Mittel geredet wird», meint auch Ex-Baça-Star Javier Mascherano.
Die Spieler sind ein Spiegelbild unserer Gesellschaft: Manche sind nicht die intelligentesten Zeitgenossen, einigen fehlt die Demut und andere sind wiederum verschwenderisch. Und natürlich hilft es nicht, wenn sich die Kicker in ihrer Freizeit beim Gold-Steak-Verzehr oder mit ihren Luxuskarossen abbilden lassen. Viele zeigen sich aber auch grosszügig – teilweise auch anonym. Rund um den Globus haben zudem zig Sportler tolle Solidaritätsaktionen ins Leben gerufen und Spenden gesammelt .
«Ich habe schon vielen verschiedenen Organisationen geholfen und wollte einfach nicht, dass etwas herauskommt. So etwas muss von Herzen kommen. Und nicht, weil jemand es einem sagt», erläutert auch Mascherano.
Fussballer haben keine Moral
Als grösste Kritiker tun sich ausgerechnet populistische Politiker hervor. «Wir sind mit der obszönen Situation konfrontiert, dass Spieler, die nicht arbeiten, weiterhin Hunderttausende Pfund pro Woche kassieren, während die Angestellten, die den Klub am Laufen halten, Löhne verlieren», meinte etwa der Engländer Julian Knight von den regierenden Tory-Partei marktschreierisch, nachdem unter der Woche noch keine Einigung über eine Gehaltsreduktion in der Premier League gefunden werden konnte.
In die gleiche Richtung ging es auch bei den Barça-Stars, ehe die Spieler verkündeten, in der Corona-Krise auf 70 Prozent ihres Gehalts zu verzichten. Lionel Messi fühlte sich und seine Teamkollegen zu Unrecht unter Druck gesetzt. Die Mannschaft sei zu jeder Zeit bereit gewesen, Abstriche zu machen. «Wir sind uns völlig bewusst, dass wir uns in einer aussergewöhnlichen Lage befinden», so der Superstar.
Fussballer tun sicher gut daran, aktuell Solidarität an den Tag zu legen. Aber grundsätzlich sind die Sportler immer noch Arbeitnehmer. Ob sie ihr Klub grosszügig entschädigen will, darüber entscheiden deren Finanzexperten. Bis jetzt brummte der Laden, viele Vereine haben in den letzten Jahren gute Summen verdient (und wieder ausgegeben). Die meisten der nun wehklagenden Klubbosse in der Premier League sind denn auch keine Altruisten, sondern stinkreiche Geschäftsleute. Dies unter dem Deckmantel der freien Marktwirtschaft, die viele Politiker gerne hochhalten. Und mit Kniffen und Tricks begünstigen, dass dem Staat Unmengen Geld verloren geht, das jetzt benötigt wird.
Fingerzeig aus der falschen Ecke
Die immer grösser werdenden Summen im Spitzenfussball sind also schlicht Systemauswüchse. Mit den Fussballern am Ende der Nahrungskette – die nun als alleinige Profiteure gebrandmarkt werden. Ihnen deswegen ein moralisches Fehlverhalten anzulasten, ist vor allem aus Mündern von Politikern heuchlerisch. Denn genau die Politik hat – trotz gegebenen Möglichkeiten – bis jetzt versagt, den Berufsgruppen im Gesundheitswesen und anderswo den richtigen Stellenwert beizumessen.
Vielen Menschen bereitet es hingegen grossen Spass, Messi, Ronaldo oder Hazard bei der Arbeit zuzusehen. Und viele bezahlen auch gerne dafür. Wenn man den Sport als Kunstform auffasst, müsste man auch die Stars in der Musik oder Filmwelt mit einer Luxussteuer bestrafen. Wie wichtig diese Berufe aber für die Bevölkerung sind, spürt man in diesen flauen Quarantäne-Zeiten besonders.
Fazit: Falls die Politik in diesen Krisenzeiten zur Einsicht gelangt, dass generell ein Systemfehler vorliegt, ist das eine tolle Sache. Nur sollten bei einer Eindämmung die richtigen Schlüsse gezogen werden. Die Fussballer sollen ihren Anteil dabei leisten, aber nicht als alleiniges Bauernopfer in diesem Spiel herhalten.