Kommentar Eismeister ledert über «Memmen»-Fussballer ab – das können wir so nicht stehen lassen

Patrick Lämmle

27.4.2021

In der Sendung «Ein Ball für zwei» geht Sportjournalist Klaus Zaugg mit den Fussballern hart ins Gericht. Doch bei allem Respekt, die Vergleiche mit den Eishockeyanern hinken. Ein Kommentar.

Patrick Lämmle

Wer sich über das Geschehen auf Schweizer Eishallen informiert, dem wird «Eismeister Zaugg» ein Begriff sein. Der 64-Jährige ist nah dran, stets bestens informiert und gewährt so dem Leser einen Blick hinter die Kulissen.

Doch am Freitag wäre ich zugegebenermassen gerne in den verbalen Infight gegangen mit Herrn Zaugg. Dass sein Herz primär fürs Eishockey schlägt und nicht für den Fussball, das ist selbstverständlich sein gutes Recht. Die Hockey-Cracks für ihre Leidenschaft zu loben, daran gibt es nichts auszusetzen. Eishockey ist ein attraktiver Sport, ganz besonders in der Playoff-Zeit. Doch des «Eismeisters» Sticheleien in Richtung der Fussballer, reine Polemik. Schon als kleines Kind wird einem eingeimpft, man solle nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.



Zauggs Aussagen unter die Lupe genommen 

Zaugg: «Das Wichtigste im Eishockey ist die Leidenschaft. Deshalb ist Hockey besser als Fussball.»

Gegen den ersten Satz gibt es nichts einzuwenden. Aber auch im Fussball gewinnst du ohne Leidenschaft keinen Blumentopf. Das gilt übrigens für so gut wie jede Sportart. Ohne Leidenschaft wirst du kein Spitzensportler.

«Alle, die zur Eishockey-Meisterschaft antreten, haben genügend Talent, um einander schlagen zu können.»

Es hat wenig mit Talent zu tun, dass im Eishockey jeder gegen jeden gewinnen kann. Und wer sich die Super League anschaut, der sieht, dass ebenfalls so gut wie jeder gegen jeden gewinnen kann. Gegen YB ist es zwar besonders schwierig, doch gleiches gilt für den EV Zug, der mit grossem Abstand Quali-Sieger wurde und nun auch im Playoff-Halbfinal vorgelegt hat. Und dass sich in den Playoffs nicht immer die vermeintlich bessere Mannschaft durchsetzt, könnte man mit den Cup-Spielen im Fussball vergleichen – wobei dieser Vergleich zugegebenermassen auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

«Entscheidend ist: Man ist ein Team und man zeigt Leidenschaft. In diesem Punkt unterscheidet sich das Eishockey grundsätzlich vom Fussball.»

Echt jetzt? Im Eishockey sind Ausnahmekönner, oft die Ausländer, genau so entscheidend wie jene im Fussball. Aber trittst du nicht als Einheit auf, so wirst du keine Erfolge feiern. Die Stars können nur glänzen, wenn dies die Mitspieler möglich machen – egal in welcher der beiden Sportarten.

Auf die Frage, ob Fussballer ein bisschen «Memmen» seien, antwortet Zaugg in der Sendung «Ein Ball für zwei»: «Jawohl, das ist das richtige Wort.»

Es war noch nie eine gute Idee, eine Gruppe von Menschen in einen Topf zu werfen. Valon Behrami du Memme, liest du mit? Sie verstehen? Fussballer könnten zudem dagegenhalten, indem sie behaupten, dass Hockey-Profis «Memmen» sind, die so gut wie jeden Körperteil mit Polstern und Helm schützen müssen. Natürlich wäre das ein völlig schwachsinniger Konter. Und ja, auch wir haben uns schon oft geärgert, wenn Neymar nach einem Schubser den sterbenden Schwan spielt.

«Blut-Held» Senderos geht an der WM 2006 dorthin, wo es weh tut. An der WM 2018 treffen mit Behrami und Neymar zwei unterschiedliche Spielertypen aufeinander.
«Blut-Held» Senderos geht an der WM 2006 dorthin, wo es weh tut. An der WM 2018 treffen mit Behrami und Neymar zwei unterschiedliche Spielertypen aufeinander.
Bild: Keystone

«Ich habe mich auch mit Fussball befasst. Eishockey ist aber ein Sport, wo man nicht bescheissen kann. Wenn du eine Schwalbe machst, bekommst du direkt eine Busse und wirst geächtet.»

Es mag sein, dass Fussballer im Allgemeinen schneller zu Boden gehen und oft wird das dann auch noch als «clever gemacht» verkauft. Da ist also was dran. Aber: Seit der Einführung des VAR kann man auch im Fussball kaum noch unentdeckt «bescheissen».

«Hockey ist ein sehr harter und anspruchsvoller Sport.»

Das stimmt. Wenn damit impliziert wird, dass Fussball kein harter und anspruchsvoller Sport ist, dann irrt Zaugg gewaltig. Im Eishockey «klepft» es vielleicht noch mehr, Faustkämpfe gehören auf dem Rasen nicht zum Alltag, Bodychecks ebenso wenig. Aber wer selbst Fussball spielt, der weiss, dass Schmerzen Teil des Spiels sind. Ein Stollen im ungeschützten Knöchel, eine «Tomate» am Oberschenkel, zwei Schädel, die zusammenstossen …

Fussball, hier fühlen sich «Memmen» gut aufgehoben.
Fussball, hier fühlen sich «Memmen» gut aufgehoben.
Bild: Keystone

«Ich mache noch ein Beispiel: Im Eishockey hast du manchmal 15 Spiele in 30 Tagen. Im Fussball wird schon geheult, wenn du in 10 Tagen zwei Spiele hast. Das ist eine ganz andere Leistungsbereitschaft – kann man nicht vergleichen.»

Ob das mit dem Gejammer stimmt, sei mal dahingestellt. Spielt eigentlich auch keine Rolle, denn die beiden Sportarten lassen sich in Bezug auf die physischen Anforderungen schlichtweg nicht vergleichen. Fürs Eishockey ist der Wechsel von kurzen, wiederholten Phasen hoher Intensität charakteristisch, dazwischen gibt es aber die Möglichkeit der Regeneration auf der Auswechselbank. Viel länger als 20 Minuten pro Spiel steht kaum einer auf dem Eis.

Fussballer, die über 90 Minuten auf dem Platz stehen, legen im Durchschnitt zehn bis zwölf Kilometer zurück – teils im Vollsprint, teils trabend. Nur stehen bleiben, das gibt es nicht. Nach 45 Minuten gibt es eine 15-minütige Pause, doch dann geht es weiter. Die Muskeln brauchen nach einem Fussballspiel ungleich länger, um sich zu erholen. Dass Fussballer viel öfters mit muskulären Problemen zu kämpfen haben, liegt nicht daran, dass sie schlechter trainiert sind als Eishockeyaner.

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