Sepp Blatter und Ciriaco Sforza kannten Franz Beckenbauer gemeinsam über 60 Jahre. Der Tod des Kaisers hat sie erschüttert. Zusammen erinnern sie sich an witzige Fast-Kirchenbesuche und welche Magie Beckenbauer auf den Fussballplatz brachte.
Sepp Blatter (87) stochert nachdenklich in seiner Pasta, schneidet sich das Piccata Milanese klein. Er sitzt im Restaurant Antiquario in Zürich, neben ihm Ciriaco Sforza (53), der Tortelloni isst. Beide sind sie betroffen vom Tod ihres Weggefährten Franz Beckenbauer.
Blatter kennt Beckenbauer seit fast 50 Jahren. Als Angestellter der Firma Longines lernte er Beckenbauer vor der WM 1974 kennen, als man mass, wie schnell die Schüsse der Top-Spieler sind. «Beckenbauer hatte nicht den härtesten, aber den präzisesten Schuss», so Blatter.
Nicht nur in Lederhosen eine vollendete Eleganz
Als Blatter am Montagabend von Beckenbauers Tod erfährt, trifft es ihn mit voller Wucht: «Ich konnte es zuerst gar nicht glauben. Ich habe so viel erlebt mit ihm, so viel Gutes, auch wenn wir nicht immer der gleichen Meinung waren. Ich wollte mich Anfang Jahr noch einmal telefonisch bei ihm melden, aber seine Frau meinte: ‹Sepp, ich kann ihn dir nicht mehr ans Telefon bringen.› Dann habe ich schon gemerkt, dass bald fertig ist.»
Das letzte Mal unterhalten haben sich Blatter und Beckenbauer telefonisch im letzten Jahr als es Beckenbauer schon schlechter ging. Aus diesem Grund erinnert sich Blatter auch lieber an die alten Zeiten. Zum Beispiel an die Weltmeisterschaft 1974 und die Monate zuvor. «Schon da habe ich gemerkt, was für ein eleganter Typ er ist. Ein Tänzer schon fast.»
Einen der witzigsten Momente aus Sicht von Blatter ereignete sich Jahrzehnte später bei einem Kongress auf den Samoainseln nachdem sich Deutschland für die WM 2006 beworben hatte. Blatter: «Ich habe ihn damals gefragt, ob er mit mir in die Kirche geht. Er antwortete: ‹Aber ich bin doch geschieden.› Darauf ich: ‹Der liebe Gott nimmt auch dich an. Ich bin schliesslich auch geschieden.›»
Der Glaube ist bis heute ein stetiger Begleiter von Sepp Blatter. Deshalb ist er sich auch sicher: «Ich bin sicher, dass ich Franz im Himmel treffen werde. Weil er ein gutes Leben hatte und so positiv war.»
Immer aus Liebe zum Fussball
Berührende Worte, die auch Ciriaco Sforza unter die Haut gehen. Der frühere Nati-Spieler lernte Beckenbauer 1995 kennen, als er seinen Vertrag bei den Bayern unterschrieb. «Schon da ist mir aufgefallen, dass er ein Herzensmensch ist. Hoeness war mehr der Macher. Beckenbauer war der Mensch, der sagte: ‹Wir sind da zum Fussballspielen. Es geht auch um den Spass.›»
Ein Motto, das sich durch das ganze Leben von Franz Beckenbauer zog. Eines seiner legendären Zitate im schönsten bayrischen Dialekt lautet «Geht's raus und spielt's Fussball». Das liess er seine Spieler auch als Trainer immer wieder wissen. Auch Sforza durfte später diese Erfahrung machen, als Beckenbauer interimistisch für Otto Rehagel bei den Münchnern das Trainerzepter übernahm. «Das gab uns Energie und Stärke. Und so präsentierte sich Beckenbauer auch an der Seitenlinie. Es ging nicht um Händeschütteln und Rumschreien, sondern ein Zeichen zu setzen, Fussball zu spielen.»
So harmonisch und fussballbegeistert Beckenbauer immer aufgetreten war, konnte er aber auch hart und gradlinig sein. «Er hatte schon seinen Zaun, darin durftest du dich bewegen. Wenn du diesen Zaun mal verlassen hast, hat er dich zur Seite genommen», so Sforza. «Dabei blieb er aber immer menschlich. Er hat nicht nur das Negative gesehen, sondern immer auch mit einem Lächeln das Positive angesprochen. Damit das Gegenüber merkte, dass er es nur gut meinte. Der Erfolg hat ihm immer recht gegeben.»