Der kosovarische Nationaltrainer Bernard Challandes gilt als heisser Kandidat für die Nachfolge von Vladimir Petkovic als Nati-Coach. Wir nehmen die mögliche Wahl des SFV unter die Lupe.
Plötzlich ging es schnell: Vladimir Petkovic bekam in seinen Ferien ein Angebot von Bordeaux, welches der 57-Jährige nicht ablehnen wollte. Damit wurde der Posten als Nati-Trainer unerwartet frei. Doch wer soll das schwere Erbe beim SFV antreten? Interessante einheimische Optionen wie Lucien Favre oder Urs Fischer nahmen sich bereits selbst aus dem Rennen, internationale Top-Shots wie Arsène Wenger oder Jogi Löw sind eher unrealistisch. Die Coaches aus der Super League sind eventuell zu leichtgewichtig.
Der Verband um Nati-Direktor Pierluigi Tami hat jedenfalls einen genau definierten Zeitplan und ein sehr präzises Anforderungsprofil erstellt und führt diese Woche nun Gespräche mit den Kandidaten, welche es auf die «Short List» geschafft haben. Aber auch der Findungskommission ist klar, dass es aktuell keinen Idealkandidaten gibt. Doch die Zeit drängt, eine Lösung muss her. Ein Name, der nun in der Deutschschweiz herumgeistert – und Wunschlösung von Fredy Bickel (siehe Video oben) ist –, ist Bernard Challandes. Nachfolgend eine kleine Analyse, wieso der Romand eine gute Wahl wäre – oder eben nicht.
Verband
1995 begann Challandes für den Schweizerischen Fussballverband zu arbeiten. 2001 übernahm er dort den Job als U-21-Nationaltrainer. Ein Jahr später führte er die kleine Nati an der Heim-EM sensationell in den Halbfinal. Bis 2007 blieb er dem SFV treu. Er weiss also, was im Verband gefordert ist. Eine Rückkehr zum Karriereende wäre für Challandes sicher eine schöne Geschichte. Doch Stallgeruch kann auch schnell für Probleme sorgen, speziell, wenn die Beteiligten sich schon kennen und so viel Konfliktpotenzial brachliegt.
Erfolge
Challandes kann auch ausserhalb des SFV einige Erfolge vorweisen. Mit dem FCZ wurde er 2009 Meister und spielte dann eine tolle Champions-League-Kampagne. Zudem hat Challandes vor allem in seiner Zeit im Ausland einige Meriten geholt. Nach einem Jahr in Armenien (2014–2015) übernahm er 2018 das Amt im Kosovo. Mit der jüngsten Fussballnation entfachte er eine grosse Euphorie und verpasste die EM-Teilnahme nur ganz knapp. Die ganz grossen Ausrufezeichen fehlen aber in seinem Lebenslauf.
Erfahrung
Der 70-jährige Neuenburger hat im Fussball schon viel erlebt. In der Heimat war er vor allem im Klubfussball (u.a. FC Zürich, Servette, Sion, Basel, Neuchâtel Xamax, Thun und YB) tätig. Die letzten Jahre hat er zudem – auch wenn bei kleineren Nationen – internationale Luft geschnuppert. Sein Rucksack ist also gut gefüllt. Andererseits ist er aufgrund seines Alters schon naturgemäss etwas weit von der aktuellen Spielergeneration entfernt. Mit seinem Energielevel können aber nur wenige Junge mithalten (und wohl auch nur mithilfe von illegalen Substanzen). Zudem hat man beim SFV mit Herren im gesetzteren Alter zuletzt gute Erfahrungen gemacht. So kamen vor Petkovic sowohl Ottmar Hitzfeld und Köbi Kuhn zum Handkuss.
Umbruch
Die Nati befindet sich schon mitten in der schwierigen WM-Qualifikation, wo es jeweils nur der Gruppenerste direkt an die Endrunde schafft. Die Schweiz ist zwar mit zwei Siegen gut in die Quali gestartet, trifft in ihrer Gruppe aber auch noch auf Europameister Italien. Wahrscheinlich muss man sich über die Barrage für Katar qualifizieren. Der Grossteil der Nati-Spieler wird aber sicher auch bei einer allfälligen Teilnahme noch dabei sein. Es geht also vorerst vor allem ums Verwalten der erfolgreichen Arbeit von Petkovic. Challandes könnte sicher damit leben, eventuell nur eine temporäre Lösung zu sein. Bei den meisten Stationen blieb der fordernde Coach eh nicht lange. Wünschenswert wäre aber eigentlich ein Kandidat, der über mehrere Jahre seine Spielphilosophie vermitteln könnte.
Charakterkopf
Mit Challandes wird es nie langweilig. Der lebensfrohe und charmante Zeitgenosse hat sich in der Kabine vor allem als Motivator hervorgetan. Doch er ist auch extrovertiert und sensibel – eine Mischung, welche bei seinen Arbeitgebern und in den Medien stets für viel Diskussionsstoff sorgte. Challandes nimmt nie ein Blatt vor den Mund. Mit seinem Schalk provoziert er viele Lacher – und rote Köpfe bei den Chefs. Der impulsive «Alpen-Vulkan» ist auch für die Spieler nicht einfach zu handhaben. Während einige Profis Gefallen an seiner Art finden dürften, eckt er mit seinem Verhalten sicher auch bei einigen an. An seinen menschlichen Qualitäten zweifelt aber niemand.