Er war Assistent von Christian Gross bei GC und Basel, Hospitant bei Marcello Lippi, Nationaltrainer in Neuseeland, Aufstiegscoach in Ghana: Fritz Schmids Karriere hat viele Facetten – erfolgreiche, witzige, groteske, frustrierende. Mit blue Sport blickt er auf 40 Jahre im Business zurück.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Über 40 Jahre ist Fritz Schmid (65) im Fussballbusiness tätig. Mit blue Sport redet der Fussball-Globetrotter über sein bewegtes Trainerleben bei GC, in Basel, in Neuseeland, Malaysia oder Ghana.
- Als Nationaltrainer Neuseelands wurde er teilweise sogar gemobbt. «Wer dort als ‹fremder Fötzel› arbeitet, muss damit leben, dass er ebendas bleibt», sagt Schmid.
- In Ghana sei im Teambus jeweils der Referend auf dem Trainersitz gesessen, sagt Schmid: «In der Kabine wird gesungen, Matchball und Fussballschuhe werden mit Zauberwässerchen beträufelt, um böse Geister zu vertreiben. Und da willst du als Trainer noch taktische Anweisungen geben? Vergiss es!»
Fritz Schmid, inzwischen wartet der FC Basel seit 2017 auf einen Meistertitel. Als Sie im Januar 2002 Assistent von Christian Gross wurden, gings schnell, bis Sie feiern durften.
Schmid: Da ging sofort die Post ab. Vier Meisterschaften, die erste nach wenigen Monaten, vier Cupsiege, unzählige Europacup-Nächte, die Titelfeiern mit den Fans auf dem prallvollen Barfi. Unvergessen. Christian Gross wusste, wie man eine Mannschaft auf den Punkt perfekt einstellt. Der Erfolgstrainer schlechthin. Wir alle haben ihm viel zu verdanken, auch ich. Und natürlich bin ich auch stolz, einen nachhaltigen Beitrag geleistet zu haben.
Wie meinen Sie das?
Ich wusste, wann und wie ich Christians fordernden Stil ausgleichen oder ergänzen musste, ohne dass seine Linie darunter gelitten hätte, ohne grosse Absprache, wir haben das nie konkret angesprochen. Aber ich wusste, was von mir erwartet wurde und was ich von ihm erwarten konnte. Und das hat lange einfach gepasst. Auch die Begeisterung im Umfeld und in der ganzen Stadt war einmalig. Eines muss ich dazu gleich erzählen …
Bitte
Ich war kürzlich wieder mal für einen Matchbesuch in Basel und beschloss, die Stunden vor dem Kickoff für einen nostalgischen Spaziergang durch die Innenstadt zu nutzen. Dabei zieht es mich Richtung Spalenberg, zu meiner Lieblings-Tapasbar, wo ich aber vor einem anliegenden Modegeschäft von einer Traube schwadronierender Erwachsener angesprochen werde. FCB-Aficionados, unverkennbar, die Stimmung schon recht heiter: «Hey, das ist doch…! Wie heisst du...? Du bist doch der Ex-Assi, vom Gross?» Sofort entsteht ein Palaver über die grandiosen Zeiten mit Gross, wir lachen, ein Kalauer folgt dem Nächsten, da fragt mich der Besitzer des Modeladens unvermittelt: «Was hast du denn da für Schuhe an?» Tatsächlich trug ich schwere Treter, schliesslich war ich direkt aus dem Engadin angereist. Doch das Komitee vom Spalenberg befand, dass man so nicht ins Stadion könne, beorderte mich ins Ladeninnere, wo mir flugs ein topmodischer Sneaker verpasst wurde. Geschenkt, versteht sich!
Was wenige wissen: 1998 schlossen Sie die Uefa-Pro-Lizenz in Italien ab, in Coverciano, den heiligen Hallen des italienischen Fussballs. Sie waren der erste Ausländer, der das durfte; sie waren auch noch Schweizer und nicht mal ein Ex-Profi. Das gleicht einem Sakrileg.
Das ist Fritz Schmid
Fritz Schmid (65) studierte Sport, Germanistik, Anglistik und Publizistik an der ETH und der Uni Zürich. Er war Journalist und berichtete für die Sportinformation von den WM- und EM-Endrunden 1990-94. Er spielte bei den GC-Junioren und war später auf dem Hardturm Nachwuchstrainer, Konditions- und Rehatrainer. Ein Engagement bei Tottenham zerschlug sich 1998 wegen einer fehlenden Arbeitsbewilligung. Stationen danach: U20- und Co-Trainer in Aarau (98/99), Kondi-Trainer in Zürich (99/00). Cheftrainer in Kriens (00/01). Assistent in Basel (02-09). Assistent in Österreich (11-13). Technischer Direktor in Malaysia (14-17). Nati-Trainer in Neuseeland (18-19). Aufstiegstrainer der Kotoku Royals in Ghana (22). Anfang Jahr war Schmid 22 Tage lang Nachwuchschef bei GC, bis er ernüchtert zurücktrat. Daneben bildet er weltweit Trainer aus, zuletzt in Georgien und Aserbaidschan. Schmid ist verheiratet und Vater einer erwachsenen Tochter.
Kann man fast so sagen. Eigentlich wollte ich den Kurs für Konditionstrainer absolvieren, doch der war bereits angelaufen. Auf Empfehlung des ehemaligen Fifa-Mitarbeiters Walti Gagg wurde ich stattdessen zum Corso Master eingeladen, das ist der Kurs zur UEFA-Pro-Lizenz, den gab es damals in der Schweiz noch gar nicht. So kam ich in den Genuss, mit einigen Cracks des Calcio die Schulbank zu drücken: mit «Beppe» Dossena, einem Weltmeister von 1982, mit Andrea Mandorlini, früherer Inter-Star, oder Marino Magrin, den Juve einst als Nachfolger von Michel Platini holte. Und mittendrin ich, der «piccolo svizzero». Wenn dann im Training wieder mal einer meiner Flankenbälle übers Tribünendach segelte, dauerte es nie lange, bis auf der heiligen Anlage in Coverciano Magrins unerbittliches Feedback zu vernehmen war: «Smiiiiid – al muro!» Nach dem Motto: Üb an der Wand, bevor du mit uns spielst.
Fühlten Sie sich nicht blossgestellt?
Ach was. Mit der Zeit wuchs auch der Respekt, wenn wir Fachliches diskutierten. Überhaupt begegneten sich die Trainer untereinander mit unglaublichem Respekt, man war als Berufskollege anerkannt, auch der kleine Schweizer. Der ganze Kurs war geprägt von hoher gegenseitiger Akzeptanz. Zudem musste ich bereits als Konditionstrainer bei GC Sprüche und Frotzeleien über mich ergehen lassen, da lernt man damit zu leben (in den 90ern, Red.).
Was für Sprüche?
Johann Vogel neckte mich immer in seinem schrägen welschen Dialekt: «De Ball isch nid diin Früünd, gäll?» Und Alain Geiger, mit dem ich mal ein Einzeltraining im Kraftraum absolvierte, klopfte mir gnädig auf die Schulter und fragte barmherzig: «Hast du schon mal mit einem trainiert, der 110 Länderspiele absolviert hat?» Der Respekt und die Akzeptanz wuchsen dann mit der Zeit, bis auch Rekordspieler Geiger mich bei taktischen Diskussionen ernsthaft mitreden liess.
Zeit hatten Sie für den «Corso Master» nur, weil Ihr Engagement 1998 bei Tottenham scheiterte. Christian Gross, Ihr vor- und nachmaliger Chef, wollte Sie auf die Insel holen.
Ja, da war ich eine Spur zu blauäugig. Ich sollte Konditionstrainer werden, wie schon in den Jahren zuvor bei GC. Alles schien geklärt, wir waren bereits in London, die ersten Trainings und Spiele hinter uns. Was noch fehlte, war die Arbeitsbewilligung. Die Schweiz war jedoch damals schon nicht in der EU, und wer in England als Schweizer eine Arbeitsbewilligung wollte, musste nachweisen, dass nur er für diesen einen Job in Frage kommt. Als ob es keine Konditionstrainer gäbe in England! Nach acht Wochen sass ich wieder zuhause in der Schweiz. Hätten wir meine Rolle als Personal Assistent von Christian Gross bezeichnet, hätte es möglicherweise geklappt.
Cheftrainer waren Sie hierzulande einzig in Kriens, knapp eineinhalb Jahre lang, bis zur Entlassung. Was lief schief?
Ich war jung und brauchte viel zu lange, bis ich mein ganzes Umfeld durchschaut hatte. Der Klub war ein einziger Klüngel. Einen Tag vor einem wichtigen Abstiegsrundenspiel gegen Locarno etwa war eine Galanacht des Klubs angesetzt. Mit Spielern und Präsident (Toni Burri, Red.) wurde vereinbart, die Mannschaft um 23.00 Uhr höflich nach Hause zu schicken, was aber nicht geschah. Verabschiedet hat sich der Trainer und zwei, drei Spieler. Der Rest blieb bis tief in die Nacht, Einzelne sollen der Legende nach im Morgengrauen nach Hause getorkelt sein. Vor dem Spiel ging ich deshalb in die Kabine und verzichtete demonstrativ auf eine Besprechung. Ich verteilte die Leibchen und sagte sinngemäss: «Gestern habt ihr auch eigenständig beschlossen, wie die Dinge laufen sollen, nun könnt ihr heute zeigen, wie das auch im Match funktionieren soll…»
Was passierte?
Die Mannschaft machte eines ihre besten Spiele und gewann 2:0. Trotzdem wollte mich Päuli Meier, der Sportchef, in der ersten Aufregung auf der Stelle entlassen, er beruhigte sich erst einige Tage später. Im zweiten Jahr lagen wir auf Auf-/Abstiegsrundenkurs; die gab es damals noch. Doch bereits im Herbst drängte Christian Gross auf meinen Wechsel nach Basel. Und als ich dann mit Kriens zwei Spiele in Folge verlor, gings schnell.
Später waren Sie Technischer Direktor in Malaysia und Nationaltrainer in Neuseeland.
Für den Job in Neuseeland hatte ich mich auf eine Anzeige beworben. Den Job bekam ich sicher auch wegen des Österreichers Andreas Heraf, dem damaligen Technischen Direktor, der mich von meiner Zeit als Assistent von Marcel Koller beim ÖFB kannte (2011 bis 2013, Red.). Auch Christian Gross gab eine gute Empfehlung, als die Kiwis Referenzen einholten. Und Neuseeland ist natürlich ein wunderbares Land – für Touristen, notabene. Wer dort als «fremder Fötzel» arbeitet, muss damit leben, dass er ebendas bleibt. Selbst die heimischen Trainerkollegen liessen dich das gelegentlich spüren. Declan Edge, Ex-Profi bei Waikato United und den Hamilton Wanderers, später Akademieleiter in Wellington, gab mir beim ersten Treffen den unmissverständlichen Rat: «Go back, where you came from. Geh’ zurück, wo du herkommst.» Und auch im Alltag macht man hie und da ungewohnte Erfahrungen.
Beispiele, bitte.
Ich hatte mal unsauber eingeparkt. Das heisst: ein Vorderrad touchierte knapp das danebenliegende Parkfeld, rundherum war alles frei. 30 Minuten später hatte ich ein Post-it-Zettelchen an der Windschutzscheibe: «Learn how to park straight! Lern mal sauber zu parken!» Zudem hatte mein Auto einen Kleber am Heck, mit der E-Mail-Adresse von New Zealand Football. Da kam gefühlt nach jedem Spurwechsel auf der Autobahn eine Mail an die Geschäftsstelle, man möge den Lenker des besagten Fahrzeugs in die Fahrschule schicken oder auf seinen Alkoholpegel untersuchen. Irgendwann warf man mir dann Spesenmissbrauch vor, weil ich nach den wöchentlichen Meetings mit meinem Staff immer für alle das Mittagessen bezahlte. Da hab’ ich dann kapiert, dass es aufs Ende zuging…
Und sportlich?
Grosse Befriedigung und Spass pur. Die Mannschaft war jung, aufnahmefähig, machte schnell Fortschritte. Wir machten in kurzer Zeit aus einer Truppe, die am eigenen 16er verteidigte und auf Konter hoffte, eine pro-aktive Mannschaft, die ein forsches Pressing praktizierte und frechen Angriffsfussball spielte. Des Buckingham, damals mein Assistent, der heute Oxford United FC in der englischen Championship trainiert, berichtete, dass ein Physiotherapeut bei einem Spiel ungläubig zu ihm gesagt habe: Mensch, wir spielen ja richtig Fussball.
Was folgern Sie aus diesen Abenteuern?
Man muss sich anpassen, und akzeptieren, dass man auch immer der Ausländer bleibt. Auch als «Farang» in Malaysia (2014-2018, Red.), wie Ausländer mit weisser Hautfarbe dort genannt werden. Der Alltag in Kuala Lumpur war eine fantastische Bereicherung – auch für meine Familie. Aber als Technischer Direktor biss ich auf Granit. Ich dachte oft, keiner interessiere sich für das, was ich sage. Nach meiner ersten Sitzung mit dem technischen Komitee war ich dermassen entnervt, dass ich am liebsten in den nächsten Flieger gestiegen wäre und zuhause in der Schweiz bei jedem x-beliebigen Viertliga-Verein angeheuert hätte.
Was raten Sie Trainern, die’s in die Ferne zieht?
Du musst bereit sein, Menschen und Kultur in deinem neuen Umfeld anzunehmen und zu akzeptieren. Man ist und bleibt der fremde Fötzel, der «Farang». Oder der «Obruni», der «Weisse» – so wurde ich in Ghana gerufen, als Trainer bei den Kotoku Royals, da war ich der einzige mit heller Haut, in einer Stadt mit immerhin rund 80'000 Einwohnern. Auch da herrschten eigene Gesetze. Vor und nach jedem Training wurde gebetet, vor jedem Spiel wurde gebetet, nach jedem Spiel, auch vor und nach jeder Busfahrt, Reverend Dompreh ganz vorne im Bus, da, wo normalerweise der Cheftrainer Platz nimmt. In der Kabine wird gesungen, Matchball und Fussballschuhe werden mit Zauberwässerchen beträufelt, um böse Geister zu vertreiben. Und da willst du als Trainer noch taktische Anweisungen geben? Vergiss es! Das Verrückte ist, du gewinnst auch so: letztlich stiegen wir in die Premier League auf und haben viele junge Spieler entwickelt. Solche Erfolge verschaffen dir dann schon eine tiefe innere Zufriedenheit.
Wenn sie zurückblicken, gibt es etwas, das sie bereuen?
Die Sache mit Claudio Saputelli – einem Stürmer beim Racing Club Zürich, meiner ersten Trainerstation. Den habe ich mal in einem Zweit-Liga-Spiel in Mönchaltorf zur Halbzeit eingewechselt und nach rund zwanzig Minuten wieder ausgewechselt. Völlig überzogen, eine reine Erziehungsmassnahme eines ehrgeizigen Jungtrainers, die auf den Spielverlauf zu keinem Zeitpunkt mehr einen Einfluss hatte – dafür habe ich mich nie bei ihm entschuldigt. Das nachzuholen, wäre mir heute einen grossen Kasten Bier wert.
Wo sehen wir Sie demnächst?
Ich bin für vieles offen. Zurzeit betreue ich einige spannende Mandate als Technischer Berater für die UEFA, für die ich auch in der Trainerausbildung tätig bin. Hie und da engagiere ich mich als Mentor in Vereinen und Verbänden, im Sommer stand ich als Volunteer für Match Organisation bei der EURO in Gelsenkirchen im Einsatz, und ganz sporadisch stehe ich seit einiger Zeit bei den C-Junioren des FC Celerina im Engadin als Hilfstrainer auf dem Feld. Nur eines schliesse ich ziemlich sicher aus.
Und das ist?
Dass ich noch mal im Schweizer Profifussball arbeite. Diese Zeiten sind wohl definitiv vorbei.