Kein Nachtreten gegen Grings Abgezockte Nati-Stars lassen sich nicht aus der Reserve locken

Von Patrick Lämmle

28.11.2023

Géraldine Reuteler (links) und Nati-Kapitänin Lia Wälti bei einem Fotoshooting vor der WM in Australien und Neuseeland.
Géraldine Reuteler (links) und Nati-Kapitänin Lia Wälti bei einem Fotoshooting vor der WM in Australien und Neuseeland.
Keystone

Ob Lia Wälti, Meriame Terchoun, Géraldine Reuteler oder Eseosa Aigbogun, keine lässt auch nur ein schlechtes Wort über Inka Grings fallen. Sie alle betonen, dass der Blick nach vorne gerichtet sei. Sie beweisen damit, dass sie durch und durch Medienprofis sind.

Von Patrick Lämmle

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Nach dem Aus von Inka Grings als Nati-Trainerin, steht bei den letzten beiden Länderspielen des Jahres Reto Gertschen an der Seitenline.
  • Gegen Schweden und Italien müssen voraussichtlich zwei Siege her, um den Klassenerhalt in der Nations League zu schaffen.
  • Die Spielerinnen fiebern der schwierigen Aufgabe entgegen. Treten sie auf dem Rasen genau so professionell auf, wie bei den Interviews im Vorfeld der Spiele, so scheint vieles möglich.
  • Denn auch wenn es ein offenes Geheimnis ist, dass nicht mehr alle Spielerinnen hinter Inka Grings standen, so tritt keine gegen die Ex-Trainerin nach.

«Bis jetzt habe ich alles recht positiv erlebt», sagt Géraldine Reuteler am frühen Dienstagnachmittag auf die Stimmung im Team und Interimscoach Reto Gertschen angesprochen. Auf dem Trainingsplatz standen die am Montag eingerückten Spielerinnen da noch nicht, die erste Session steht am Dienstagnachmittag auf dem Programm. Dafür hat Reto Gertschen schon rund 14 Einzelgespräche geführt, wie er im kleinen Kreis preisgibt.

Reuteler hatte ihr Gespräch am Montagabend: «Das war auch sehr positiv. Ich finde es auch mega cool, dass er sich die Zeit dafür nimmt.» Ging es da auch darum, was in letzter Zeit nicht so gut lief in der Nati? «Nein, es ging eigentlich nicht um die Vergangenheit. Es war mehr ein allgemeines Kennenlernen.»

«Reto kann jetzt mit uns auch nicht die Welt retten.»

Géraldine Reuteler

Nati-Spielerin

Wie gross war die Erleichterung, dass ein neues Gesicht vor der Mannschaft steht? Auch mit dieser Frage lässt sich Reuteler nicht ins Abseits manövrieren: «Das Thema Inka ist eher Vergangenheit, also für mich ist es abgeschlossen. Ich freue mich, dass wir wieder hier sind und wir haben zwei grosse Aufgaben.» Gemeint sind die Spiele gegen Schweden und Italien. Und darauf würden sie sich konzentrieren.

Noch besteht die Chance, dass die Schweiz den Abstieg in der Nations League abwendet. Reuteler stimmt positiv, dass in den Hinspielen gegen Schweden und Italien, beide gingen 0:1 verloren, mehr dringelegen wäre. «Ich bin zuversichtlich für die zwei Spiele, wir müssen einfach alles reinhauen und unsere Chancen so gut wie möglich nutzen.» Und natürlich seien sie als Spielerinnen in der Pflicht: «Reto kann jetzt mit uns auch nicht die Welt retten», aber er werde sicher sein Bestes geben, das Team optimal einzustellen.

Und wie sieht der Wunschtrainer, die Wunschtrainerin von Reuteler aus? «Wir brauchen einfach jemanden, der Ahnung vom Fussball hat, soziale Kompetenzen und sehr gut in der Kommunikation ist. Das sind die Punkte, die ich wichtig finden würde.»

Welche Art von Kommunikation ist damit gemeint? «Ein bisschen allgemein, dass man vielleicht auch Feedbacks gibt, was einem noch fehlt, was man besser machen kann. Oder auch was gut ist, es muss nicht immer negativ sein. Dass man sich auch Zeit nimmt, mit jeder Spielerin ein Gespräch zu führen, sich besser kennenzulernen, ein bisschen solche Dinge.» Kam das in letzter Zeit unter Grings zu kurz? Kurzes Schweigen, dann der vielsagende Satz: «Der Fokus liegt auf den nächsten beiden Spielen.»

Aigbogun sucht die Schuld nicht nur bei der Trainerin

Auch Eseosa Aigbogun, die mit der AS Roma von Sieg zu Sieg eilt, lässt sich bei der Trainerfrage nicht aufs Glatteis führen. Dass ein Wechsel auf dem Trainerposten einen positiven Einfluss haben kann, bestätigt sie aber indirekt: «Wir haben in den letzten Spielen nicht so gut gespielt, wie wir es eigentlich könnten. Manchmal geht mit einer Veränderung einher, dass man schon auch anders aufspielen kann.»

Aigbogun ist aber auch selbstkritisch und sagt: «Wir Spielerinnen haben unsere Aufgaben in dem Sinne auch nicht so erledigt, wie wir hätten müssen. Wir haben auch gesagt, es geht gar nicht so fest um die Trainer. Jede muss auf sich schauen, jede muss im Training noch mehr Gas geben, noch mehr pushen und noch mehr die Sachen ansprechen, die wir besser machen müssen. Und auf das konzentrieren wir uns jetzt.»

«Vielleicht haben wir uns auf Sachen konzentriert, die uns nicht so viel gebracht haben.»

Switzerland's Eseosa Aigbogun poses for a portrait during a training camp of the Swiss women's national football team on Thursday, June 29, 2023 at the Grand Hotel des Bains in Yverdon, Switzerland. The Swiss team will take part in the Women's World Cup in Australia and New Zealand from 20 July to 20 August. (KEYSTONE/Gabriel Monnet)

Eseosa Aigbogun

Nati-Spielerin

Dass im Team der Wurm drin war, davon zeugt folgende Aussage: «Ich denke mal, es gibt immer zwei Arten, um zu verlieren. Und wir haben leider in den letzten Spielen so verloren, dass wir gewusst haben, wir haben nicht alles gegeben. Und das gilt es einfach für die Zukunft zu ändern.»

Woran das gelegen hat, das möchte oder kann die 97-fache Nationalspielerin nicht so genau beantworten: «Vielleicht haben wir uns auf Sachen konzentriert, die uns nicht so viel gebracht haben.» Möglicherweise sei es auch eine Frage des fehlenden Selbstvertrauens: «Wir wissen ja, wir können es alle und es sind wirklich ganz einfache Sachen, die wir besser machen müssen.»

Eseosa Aigbogun nähert sich ihrem 100. Länderspieleinsatz.
Eseosa Aigbogun nähert sich ihrem 100. Länderspieleinsatz.
Bild: Imago

Und wie sieht die neue Trainerin, der neue Trainer in ihrer Idealvorstellung aus? «Ich glaube, eine gute Mischung aus Ernst sein und Spass reinbringen, direkte, offene Kommunikation, offen sein für Kritik.» Aber es sei natürlich auch «schwierig, das alles zu handeln», denn sie seien «so viele verschiedene Köpfe.»

Viele der aufgezählten Eigenschaften erinnern mehr an Nils Nielsen denn an Inka Grings. Würde sie das so unterschreiben? «Ich glaube, es gibt so viele verschiedene Menschen. Also ehrlich gesagt, freue ich mich jetzt einfach auf das, was passiert, auf das, was kommt, und möchte gar nicht mehr viel über die Vergangenheit reden.»

Wälti und Terchoun richten den Blick nach vorne

Ganz ähnlich wie am Dienstag tönt es bereits am Montag, als Lia Wälti und Meriame Terchoun beim SRF vor die Kamera treten. Auch sie warten nicht direkt mit einem Wunschtrainer, einer Wunschtrainerin auf, erwähnen aber ebenfalls, dass sie sich jemanden wünschen, der stark in der Kommunikation ist und Sozialkompetenz mitbringt.

Damit sagen sie zwar nicht, dass dies bei Inka Grings nicht der Fall war, doch zumindest was die Kommunikation angeht, war es ein offenes Geheimnis, dass es noch Luft nach oben gibt – diesbezüglich zeigte sich die Trainerin ja durchaus selbstkritisch und wollte auch daran arbeiten.

Klassenerhalt als Herkulesaufgabe

Doch halten wir es doch einfach wie die Spielerinnen und richten den Blick nach vorne. Denn in den nächsten Tagen steht sportlich viel auf dem Spiel. Zwei Spiele verbleiben, um die nötigen Punkte für den Klassenerhalt in der League A, der höchsten Liga der Nations League, einzufahren.

Voraussichtlich muss die Schweiz sowohl am 1. Dezember in Luzern gegen Schweden gewinnen, als auch vier Tage später in Parma gegen Italien. Eine grosse Aufgabe – hat die Schweiz in diesem Jahr doch nur eines von 14 Spielen gewonnen (2:0 gegen die Philippinen an der WM) und zuletzt in der Nations League viermal in Folge verloren. Damit steht die Schweiz mit 0 Punkten und ein Torverhältnis von 1:14 auf dem letzten Platz. Der Rückstand auf die drittplatzierten Italienerinnen, die es noch abzufangen gilt, beträgt vier Punkte.