Nach dem 2:2 im Kosovo nervt sich Granit Xhaka über den Auftritt des Teams und über die Trainingseinheiten in der Nati. Die Schweizer Medien verstehen das als Kritik an Trainer Murat Yakin. Entfacht nun ein Machtkampf? Eine Presseschau.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Granit Xhaka kritisiert nach dem 2:2 gegen den Kosovo die Trainingsleistungen in der Nati und sagt, dass er von der schwachen Leistung der Schweizer «nicht überrascht» sei.
- Murat Yakin will die kritischen Aussagen seines Captains in einem Vieraugengespräch diskutieren.
- Einige Schweizer Journalisten glauben, dass nun ein Machtkampf entstehen könne. Für andere ist Xhaka zu wichtig fürs Team, um infrage gestellt werden zu können.
«Es war allgemein eine etwas komische Woche, so sind wir dann auch aufgetreten. Auch im Training hatten wir wenig Tempo», sagt ein genervter Granit Xhaka am Samstagabend nach dem 2:2 der Nati im Kosovo ins SRF-Mikrofon. Es habe sich für ihn nicht wie ein EM-Quali-Spiel angefühlt, sondern mehr «wie ein Freundschaftsspiel oder eine Partie im Park».
Anderen Medien sagt er, er sei «nicht überrascht von unserer Leistung». Er sei nicht der Trainer, nicht der Verantwortliche des Fussballverbands. «So, wie wir gespielt haben, sah das die ganze Woche aus. Es ist ein Vorwurf an alle, fängt bei uns Spielern an und hört bei den anderen auf.»
Von Murat Yakin gibt es darauf in der Öffentlichkeit keine Antwort. «Wir haben so trainiert, wie wir das kennen», sagt er lediglich. Er werde seinen Captain unter vier Augen befragen, was genau er damit habe sagen wollen, so der Nati-Coach.
Wird in der Nati ein Machtkampf zwischen Trainer und Captain entfacht? Teammanager Pierluigi Tami sieht «kein Problem», in den Schweizer Medien werden Xhakas Aussagen aber zu einem grossen Thema:
Tages-Anzeiger: «Granit Xhaka provoziert, wo er kann»
«Granit Xhaka provoziert, wo er kann. Der Mittelfeldspieler greift Murat Yakin öffentlich an, obwohl er gegen Kosovo selber nicht liefert. Der rebellische Captain reizt wieder einmal die Grenzen seiner Macht aus. (...) Yakin war selbst ein spezieller Spieler, höchst talentiert, aber trainingsfaul. Auch darum polarisierte er, wie Xhaka das jetzt tut. Er ist ein Trainer, der viel von der Intuition lebt – und der sich besonders gerne mit den starken Spielern reibt. Das war in Basel mit Alex Frei so, das war im Nationalteam nicht anders, als er schnell den Eindruck erweckte, er müsse Xhaka aufzeigen, wer der Chef im Ring ist.
Wer so gut ist wie Xhaka, darf Sonderrechte geniessen. Wenn er nach Enttäuschungen wie gegen Portugal oder jetzt, natürlich im viel kleineren Rahmen, gegen Kosovo den Zweihänder auspackt, sollte er allerdings eine Frage immer beherzigen: Hat er selbst genug gemacht, um sich ein solches Vorgehen erlauben zu können? Nein, hat er nicht, nicht einmal im Ansatz.»
Blick: «Alles falsch» von Xhaka
«Man kann Xhakas Sätze drehen und wenden, wie man will. Der Inhalt ist immer derselbe: Der Captain kritisiert seinen Trainer. Ob die Trainings wirklich zu lasch sind, ist von aussen nicht zu beurteilen. Die Einheiten finden bis auf das öffentliche Training zu Beginn eines Zusammenzugs fast immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Medien statt. Laut ‹Blick›-Recherchen teilen einige Spieler Xhakas Meinung, andere nicht.
Fakt ist: Xhaka kritisiert Yakin. Nach dem Spiel im Kosovo, wo sich alles um ihn und Xherdan Shaqiri gedreht hat. Nach einem enttäuschenden Auftritt und öffentlich für alle hörbar in jedes Mikrofon. Er hat definitiv den falschen Ort, den falschen Zeitpunkt und den falschen Adressaten ausgewählt. Alles falsch. Ausser, er will damit etwas anstossen!»
Tagblatt: «Xhaka äusserte heftige Kritik, er tat dies bewusst»
«Granit Xhaka konnte und wollte den Ärger im Bauch des Fadil-Vokrri-Stadions nicht verbergen, äusserte heftige Kritik. Er tat dies bewusst, mehrmals, zuerst im Schweizer Fernsehen, dann vor den mitgereisten Journalisten. (...)
Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Anführer im Kreis der Schweizer Nati weit aus dem Fenster lehnt. Und schon oft gab es, sagen wir mal: Reibungen. Manchmal waren sie positionsbedingt («jeder Trainer, der mich genau kennt, weiss, wo ich spiele»), oder wegen einer Auswechslung im Test vor eineinhalb Jahren, ebenfalls gegen den Kosovo. Xhaka hat sie als Kränkung verstanden. Und vermutlich ist auch das 1:6 gegen Portugal noch immer im Hinterkopf von Captain und Team.»
CH Media: «Yakin könnte den Machtkampf provozieren»
«Yakin könnte den Machtkampf provozieren. Er könnte Xhaka abstrafen, ihm die Captain-Binde entziehen oder gar eine Denkpause verordnen. Genügend Argumente dafür hätte er wohl. Trotzdem wäre er ziemlich schlecht beraten, genau das zu tun. Warum? Granit Xhaka hat sich in dieser Nati einen Stellenwert erarbeitet, der höher kaum sein könnte. Er geht auf dem Platz voran. Und er setzt neben dem Platz den Ton. Xhaka ist der unbestrittene Leader einer Equipe, die sonst nicht gerade reich an Führungsspielern ist.
Darum bleibt nur die Erkenntnis: Wenn es um die Zukunft von Nationaltrainer Yakin geht – sein Vertrag läuft nach der EM 2024 aus – spielt Xhaka, der Meinungsmacher im Team, eine entscheidende Rolle. Wenn Yakin Nationaltrainer bleiben will, dann muss er die Führungsspieler hinter sich scharen. Das kann nur gelingen, wenn er den Xhaka-Zoff moderat regelt.»
Nau.ch: «Yakin ist clever genug, seinen Captain nicht abzusägen»
«Warum äussert Xhaka diese Kritik öffentlich? Der Nati-Captain hätte seinen Trainer schliesslich auch zum Vieraugengespräch bitten können. Dieses dürfte jetzt eher früher als später folgen. Konsequenzen dürften die unbedachten, scharfen Worte aber kaum haben. Zu fest sitzt Granit Xhaka im Sattel.
Konstruktive Kritik ist immer förderlich – vor der eigenen Türe zu kehren aber auch. Klar ist: Trainer Murat Yakin wird sich von diesem Störfeuer nicht aus der Ruhe bringen lassen. Er ist clever genug, seinen Captain nach dessen Aussagen nicht abzusägen. Zu wichtig ist Granit Xhaka für die Nati – und damit auch für den Coach.»