Unerwartete Statisten-Rolle Steffen: «Ich kämpfe für meine Chance bis zum Ende der EM»

Michael Wegmann aus Stuttgart

4.7.2024

Das hat er sich anders vorgestellt: An dieser EM spielte Renato Steffen bisher gerade mal eine Minute. 
Das hat er sich anders vorgestellt: An dieser EM spielte Renato Steffen bisher gerade mal eine Minute. 
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Die Nati trumpft in Deutschland grad gross auf. Doch nicht alle Spieler sind Gewinner. Lugano-Star Renato Steffen hat sich seine Rolle beim Einrücken total anders vorgestellt. blue Sport verrät er, wie er mit der unerwarteten Statisten-Rolle umgeht und was er dagegen tut. 

Michael Wegmann aus Stuttgart

Keine Zeit? blue Sport fasst für dich zusammen

  • Die Nati überzeugt bisher an der EM in Deutschland in allen Belangen: Italien spielte sie im Achtelfinal an die Wand. Spieler wie Rieder oder Aebischer sind die grossen Gewinner.
  • Wo es Gewinner gibt, gibts auch Verlierer. Einer davon ist Renato Steffen. Der Lugano-Star, in der Quali noch regelmässig auf dem Platz, hat bisher erst eine Minute gespielt.
  • Steffen erzählt blue Sport, wie er mit dieser unerwarteten Statistenrolle umgeht. Ehrlich und direkt, so wie er auch auch Fussball spielt. «Meine Rolle hat mich die letzen Tage schon beschäftigt», gesteht er. 

In neun von zehn Partien der EM-Qualifikation ist Renato Steffen zum Einsatz gekommen, oft zwar von der Bank, aber nicht immer. Lange galt er als einer, der niemals aufgibt und immer alles reinwirft, als Murat Yakins Wunderwaffe. Brauchte es Energie, liess Yakin Steffen los. Egal, ob auf links, rechts, defensiver oder offensiver. 

Klar macht er sich Hoffnungen auf EM-Minuten – zumal er auch mit überzeugenden Leistungen den FC Lugano zum Vizemeister und in den Cupfinal geführt hat. 

Doch in Deutschland kommts anders: Steffen sitzt in allen drei Gruppenspielen nur auf der Bank. Beim 2:0 über Italien im Achtelfinal steht er eine Minute auf dem Platz. Es sind andere wie Fabian Rieder oder Michel Aebischer, die den Vorzug erhalten. Und diese liefern ab.

Wo es Gewinner gibt, gibts auch Verlierer. Mit blue redet Steffen über seine unerwartete Rolle in Deutschland. Und er spricht, wie er spielt: geradeaus, mit offenem Visier.

«Ich kämpfe für meine Chance bis zum Ende»

Renato Steffen, Sie haben sich sicher eine andere Rolle an der EM gewünscht. Wie schwer ist es für Sie?

Renato Steffen: Ganz ehrlich: Es ist schon etwas, das mich die letzten paar Wochen beschäftigt hat. 

Wie haben Sie reagiert?

Ich habe das Gespräch mit Murat Yakin gesucht und ihn nach den Gründen gefragt. Er hat diese mir ganz klar dargelegt. Danach hatte ich die Wahl. Entweder sage ich: 'Okay, dann ist es halt so und hänge ab.' Oder ich sage: 'Ich gebe weiterhin Gas'. 

Und?

Wer mich kennt, weiss, wofür ich mich entschieden habe. Ich gebe weiterhin Vollgas und versuche der Mannschaft zu helfen. 

Wie macht man das?

Positiv sein. Und auch eklig im Training. Die Spieler, die zum Einsatz kommen herauszufordern und anzutreiben. 

Das dürfte einem ehrgeizigen Spieler wie Ihnen aber kaum reichen.

Natürlich hoffe ich jedesmal, dass ich Einsatzzeit bekomme. Das ist doch klar. 

Haben Sie eigentlich schon beim Einrücken gewusst, dass die Bank auf Sie wartet?

Nein, im Gegenteil. Ich bin mit einem guten Gefühl eingerückt und habe dann festgestellt, dass es nicht so ist, wie ich es mir vorgestellt habe, dass für mich eine andere Rolle vorgesehen ist. Ich bin wegen des Cupfinals ja ein bisschen später eingerückt. Das kann je nachdem ein Vorteil oder ein Nachteil sein. Bei mir war es ein Nachteil. Doch ich bin nicht der Typ, der aufgibt. Ich werde immer wieder für meine Chance kämpfen. Bis zum Ende dieses Turniers.

Steffen hat eine unglückliche EM- und WM-Bilanz

Besonders bitter für Steffen: Mit den grossen Turnieren scheint es nicht so zu klappen. Denn obwohl der Flügel bereits im Oktober 2015 sein Nati-Debüt absolvieren konnte, wäre dies sein erstes grosses Turnier. Die EM 2016 verpasst er wegen eines Muskelfaserrisses. Bei der WM 2018 schaffte er es nicht ins Kader und bei der EM 2020 Jahr hat ihn eine Sprunggelenk-Verletzung ausser Gefecht gesetzt. An der WM in Katar gibts 31 Minuten gegen Brasilien – mehr nicht. Dabei hat er für die WM extra zum FC Lugano gewechselt, um Spielpraxis zu haben. 

An der fünften Endrunde seit seinem Nati-Debüt läufts für ihn persönlich bisher wieder nicht nach Wunsch. Über die Nati-Erfolge freut sich Steffen natürlich dennoch. Nach der Machtdemonstration gegen Italien sagt er: «Erst habe ich mich gefragt, ob wir diesen Rhythmus über 90 Minuten aufrecht halten können. Man hat gesehen, dass wir viel hungriger waren als die Italiener. Sie waren so lethargisch, als wären sie mit dem Kopf woanders. Ich glaube, wir waren schon lange nicht mehr so gut.»