Xherdan Shaqiri war lange einer der Stars unserer Nati. Beim 3:1-Auftaktsieg gegen Ungarn sitzt er aber 90 Minuten auf der Bank. Ex-Nati-Verteidiger Stéphane Henchoz ist sich sicher: «Shaqiri ist sehr frustriert.»
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Die Schweiz schlägt Ungarn zum EM-Auftakt souverän mit 3:1 und darf bereits vom Achtelfinale träumen.
- Während es rund um Kwadwo Duah, Michel Aebischer und Breel Embolo viele Gewinner gab, gab es auch einige Verlierer. Einer von ihnen ist Xherdan Shaqiri.
- Der 32-jährige MLS-Spieler sass während 90 Minuten auf der Bank und mied anschliessend die Medien.
Die Schweiz schlägt Ungarn zum Auftakt der Europameisterschaft mit 3:1. Damit hat sich die Nati bereits in eine hervorragende Position für die Achtelfinal-Qualifikation gebracht. Doch trotz der Euphorie sind nach dem Sieg nicht alle Akteure glücklich. Das trifft allen voran auf Xherdan Shaqiri zu. 123 Länderspiele hat der 32-Jährige für die Schweiz bisher absolviert. Gegen Ungarn kam Nummer 124 überraschenderweise nicht dazu. Stattdessen schmorte der Offensiv-Mann während den gesamten 90 Minuten auf der Bank.
Auf den Gang zu den Medien nach dem Spiel verzichtete Shaqiri – als einziger Schweizer – ebenfalls. In der Sendung «Heimspiel bei der Nati» bei blue Sport sagt Ex-Nati-Spieler Stéphane Henchoz: «Er war sehr frustriert. Und wenn du frustriert bist, willst du natürlich nicht in der Öffentlichkeit sprechen. Du willst direkt in den Mannschaftsbus und zurück ins Hotel.»
Auf die These von Moderator Manuel Rothmund, dass eigentlich niemand Shaqiri vermisst hat, sagt Chefredaktor blue Sport Andreas Böni: «Man ist natürlich nach dem 1:2 unter Druck geraten, da war klar, dass du Spieler bringen musst, die sehr viel defensiv arbeiten. Es war der falsche Zeitpunkt, um ihn einzuwechseln, das sehe ich wie Murat Yakin.» Dem pflichtet Henchoz bei: «So wie das Spiel gelaufen ist, war da kein Platz für Shaqiri. Das heisst aber nicht, dass wir ihn in drei Tagen gegen Schottland nicht brauchen.»
Der ehemalige Nati-Verteidiger erklärt auch gleich, in welchen Szenarien ein Shaqiri-Einsatz durchaus Sinn ergibt: «Wenn du 0:1 in Rückstand liegst und es keinen Platz gibt, es schwierig ist, etwas zu kreieren, dann brauchst du wieder einen Shaqiri. Natürlich wird er heute sehr unzufrieden sein, aber es kommen wieder Zeiten für ihn.»
Der Entscheid für das Geld und gegen die Nati
Dass Shaqiri seine Chance noch erhalten wird, glaubt auch Böni. Unverständnis zeigt er jedoch für Shaqiris Selbsteinschätzung: «Was ich bei ihm grundsätzlich nicht verstehe: Er ist vor zweieinhalb Jahren in die MLS gewechselt, verdient dort acht bis neun Millionen. Da ist klar, dass du diesen Schritt wahrscheinlich wegen des Geldes machst. Aber in dem Moment weisst du doch, dass die Wahrscheinlichkeit, dass du in der Nationalmannschaft – und Shaqiri hat sich jetzt 2,5 Jahre gehalten – rausfliegst, relativ gross ist. Und das muss er bedacht haben.»
An einer Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Ungarn zeigte Shaqiri Unverständnis für eine allfällige Nebenrolle. Böni dazu: «Wenn ich dann seine Pressekonferenz sehe, dann bin ich erstaunt, dass er erstaunt ist, dass seine Rolle ist, wie sie ist. Das verstehe ich dann nicht ganz.»
Henchoz kann nachvollziehen, wie es Shaqiri geht: «Er war ja immer Stammspieler. Er ist immer noch Shaqiri. Aber es gilt für alle Spieler, wenn sie älter werden. Dein Name, dein CV sind immer noch gross, aber was du auf dem Spielfeld beitragen kannst, ist nicht mehr, wie es früher war. Und dann musst du das akzeptieren. Die meisten Spieler können das aber nicht.»
Böni erinnert sich: «Du bist doch auch aus der Nati geflogen!» Henchoz, der 2005 unter Köbi Kuhn sein letztes Länderspiel absolvierte, gibt ihm recht: «Genau, und ich konnte das ebenfalls nicht so einfach akzeptieren. Du hast natürlich einen Ehrgeiz und denkst, du hast doch einen grossen Namen.»
Wann kommt Shaqiris Chance?
Xherdan Shaqiri ist in der Hierarchie der Schweizer Nati nicht nur hinter Steven Zuber (der gegen Ungarn verletzt ausfiel) gefallen, sondern auch hinter Michel Aebischer, der anstelle von ihm spielte. Dass es gegen Schottland von Beginn an anders aussieht, kann sich Böni nicht vorstellen: «Man muss jetzt das grosse Ganze sehen. Und das heisst, man muss nach Form aufstellen. Never Change a Winning Team. Das heisst, gegen Schottland musst du eigentlich genau gleich beginnen.» Experte Henchoz kann da nur beipflichten: «Genau, das würde ich auch so machen – ausser es gibt verletzte Spieler.»
Von Verletzungen blieb die Schweiz bisher verschont – im Gegenteil, das Kader scheint sogar noch breiter zu werden. Beim Sonntags-Training der Reservisten in Stuttgart konnte Denis Zakaria die volle Einheit, die mit teils hoher Intensität absolviert wurde, mitmachen. Für das Spiel am Mittwoch gegen Schottland ist er damit eine weitere Option für Murat Yakin. Noch immer nicht fit ist hingegen Steven Zuber, der nur ein Lauftraining absolvierte.
Es könnte die Chance sein für Xherdan Shaqiri – zumindest auf einen Einsatz von der Bank und damit auf sein 124. Länderspiel.