Aus der Petrischale auf den TellerFrisch aus dem Labor: Die Zukunft gehört dem Fleisch ohne Schlachten
Von Terence Chea, AP
1.8.2019
In den USA stellen Startups Würstchen, Schnitzel und Co. aus Stammzellen her. Branchenkenner sagen dem In-vitro-Fleisch eine steile Karriere voraus. Doch die Anbieter müssen noch einige Hürden überwinden.
Uma Valeti steht in der Küche seiner Firma Memphis Meats und schneidet ein gebratenes Hähnchenschnitzel an. Er schnuppert an dem zarten Bissen auf seiner Gabel, bevor er zubeisst. Langsam kaut er, saugt den Geschmack in sich auf. «Unser Hähnchen ist Hähnchen», schwärmt Valeti. «Man muss es probieren, um es zu glauben.»
Denn der Happen auf Valetis Gabel ist kein gewöhnliches Stück Hühnchen: Dafür wurde kein Tier gezüchtet oder geschlachtet. Das Fleisch wurde mithilfe der Zellen eines Huhns und einer Nährlösung im Labor hergestellt.
Das im kalifornischen Emeryville ansässige Start-up Memphis Meats gehört zu einer wachsenden Zahl von Unternehmen weltweit, die sogenanntes In-vitro- oder kultiviertes Fleisch produzieren. Sie wollen eine Alternative zur traditionellen Fleischerzeugung bieten, die ihrer Ansicht nach der Umwelt schadet und Tieren unnötiges Leid zufügt. Die Start-ups sind aber weit davon entfernt, sich auf dem Massenmarkt zu etablieren. Zudem stossen sie bei der Viehindustrie auf Widerstand.
Das Fleisch bleibt auf dem Teller
«Viele Generationen werden weiterhin Fleisch essen können, ohne der Erde übermässig zu schaden», erklärt Valeti. Der frühere Kardiologe hatte 2015 Memphis Meats mitbegründet, nachdem er das Potenzial der Stammzellforschung für die Behandlung von Krankheiten erkannt hatte.
Das Unternehmen, das auch Rind- und Entenfleisch im Labor produziert hat, hat Investitionen von US-Lebensmittelgiganten wie Cargill und Tyson Foods sowie von den Milliardären Richard Branson und Bill Gates angezogen. Laut einer Prognose der Beratungsfirma A.T. Kearny wird Laborfleisch bis zum Jahr 2040 insgesamt 35 Prozent des weltweiten Fleischkonsums ausmachen. Pflanzliche Alternativen kommen dem im Juni veröffentlichten Bericht zufolge auf 25 Prozent.
«Die Massentierhaltung wird von vielen als unnötiges Übel angesehen», heisst es in dem Report. «Angesichts der Vorteile neuer veganer Fleischersatz-Produkte und kultivierten Fleischs im Vergleich zu konventionell produziertem Fleisch ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Fleischersatz einen substanziellen Marktanteil erreicht.»
Auch Fisch steht auf dem Labor-Speiseplan
Doch bis dahin muss die Branche noch hohe Hürden überwinden. Dazu gehört es, die bislang exorbitanten Produktionskosten zu reduzieren, die Regulierungsbehörden von der Sicherheit zu überzeugen und die Verbraucher zu locken. Mit Blick auf die weltweit steigende Nachfrage nach Fleisch weisen Unterstützer darauf hin, dass zellbasiertes Protein nachhaltiger ist als traditionelles Fleisch. Denn es erfordert, anders als die Viehzucht – eine der grössten Quellen von Treibhausgas-Emissionen -, kaum Land, Wasser und Getreide.
Zu den Jungunternehmern in der Branche gehört auch Brian Spears. Er gründete in San Francisco ein Start-up namens New Age Meats, das In-vitro-Fleischwurst herstellt. «Die Menschen wollen Fleisch. Das Schlachten wollen sie nicht», erklärt er. «Deshalb produzieren wir schlachtfreies Fleisch, und wir wissen, dass es einen grossen Markt gibt für Menschen, die leckeres Fleisch wollen, für das keine Tiere geschlachtet werden müssen.»
Ein weiteres Unternehmen aus Emeryville, Finless Foods, stellt im Labor Fisch und Meeresfrüchte her. «Der Ozean ist ein sehr fragiles Ökosystem, und wir Menschen bringen es an den Rand des Zusammenbruchs», sagt Geschäftsführer Michael Selden. Die Verlagerung der Produktion für den menschlichen Konsum vom Meer ans Land diene allen Beteiligten.
Viehindustrie leistet erbitterten Widerstand
Die Viehzucht-Industrie reagiert bislang allerdings sehr kritisch. In den USA rief ihre Lobby Staaten auf, das Label «Fleisch» nur für Lebensmittelprodukte zu vergeben, die von geschlachteten Tieren stammen. Sicherheit, Kosten und Umwelteffekte von kultivierten Fleisch seien zweifelhaft, hiess es.
«Bei diesen zellbasierten Produkten gibt es noch viele, viele Unbekannte», sagt Eric Mittenthal, Vizepräsident für Nachhaltigkeit beim Nordamerikanischen Fleisch-Institut. «Wir wissen nicht, ob das etwas ist, das Konsumenten geschmacklich akzeptieren werden. Wir wissen nicht, ob es rentabel sein wird.»
Uma Valeti zeigt sich unbeirrt. Er wolle Menschen über die Vorteile von In-vitro-Fleisch aufklären und seine Fabrik für die interessierte Öffentlichkeit öffnen. Sein Unternehmen konzentriert sich derzeit darauf, die Kosten zu reduzieren und grössere Mengen zu produzieren, wie Valeti erklärt.
Erstes Retortenfleisch schon in zwei Jahren
Memphis Meats will sein kultiviertes Fleisch innerhalb der kommenden zwei Jahre in den USA auf den Markt bringen und zunächst an Restaurants verkaufen. Dann sollen Supermärkte folgen – sofern das Landwirtschaftsministerium und die Behörde für Lebens- und Arzneimittel die Genehmigung erteilen.
«Wir machen es im Grund möglich, dass die Leute weiter die Wahl haben, Fleisch zu essen», wirbt Valeti. «Anstatt zu sagen, 'Gebt das Fleischessen auf oder esst pflanzliche Alternativen', sagen wir, 'esst weiterhin das Fleisch, das ihr liebt'.»
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