Fragen und Antworten Das hat es mit der Erkältungswelle auf sich

uri/mmi

8.12.2022

Weitere Atemwegserkrankungen sind auf dem Vormarsch. (Symbolbild)
Weitere Atemwegserkrankungen sind auf dem Vormarsch. (Symbolbild)
Keystone

Die Corona-Fallzahlen gehen zurück. Dafür bringen nun andere Erkältungskrankheiten Arztpraxen und Spitäler ans Limit. Hier bekommst du die Antworten auf die wichtigsten Fragen. 

uri/mmi

Die Nachrichten von der Corona-Front sind einigermassen positiv: Am Dienstag meldete das Bundesamt für Gesundheit BAG einen Rückgang der Fallzahlen innert Wochenfrist um weitere 2,5 Prozent. Allerdings nahmen die Spitaleinweisungen aufgrund von Covid zu.

Hinzu kommt, dass hierzulande aber auch in ganz Europa weitere Viren auf dem Vormarsch sind und die Spitäler und Arztpraxen an ihre Belastungsgrenze bringen.

Welche Erreger machen derzeit Sorgen?

Das BAG konnte zuletzt zwar weiter steigende Zahlen bei der Grippe melden, beruhigenderweise aber auch berichten, dass sich die Welle bislang nicht wesentlich anders als in den Vorjahren entwickelt.

Die Proben des Nationalen Referenzzentrums für Influenza (NZI) zeigten aber auch, dass neben dem Coronavirus Sars-CoV-2 derzeit vor allem Rhinoviren stark vertreten sind. Bei ihnen handelt es sich um die am häufigsten verbreiteten Viren beim Menschen – in normalen Zeiten sind sie für mindestens 50 Prozent der Fälle auch die häufigste Ursache von Erkältungen.

Zu diesen Viren gesellt sich das sogenannte Respiratorische Synzytial-Virus, auch bekannt als RS-Virus oder RSV. Es ist seit Wochen europaweit und auch in der Schweiz auf dem Vormarsch – und kann vor allem für Kleinkinder und Säuglinge bedrohlich werden, weshalb Kinderspitäler in der Schweiz seit Mitte November am Anschlag sind.

Wie schätzen Experten die Lage ein?

Angesichts der Welle von RSV- und Grippeinfektionen in Europa haben führende Gesundheitsexperten Risikogruppen bereits zur Impfung gegen Grippe und Covid-19 aufgerufen. Gemeinsam stellten die Erreger eine Gefahr für die Gesundheitssysteme und Bevölkerungen dar.

«Das unterstreicht, wie wichtig es für gefährdete Gruppen ist, sich gegen Influenza und Covid-19 impfen zu lassen, und wie wichtig es für alle ist, sich und andere vor Infektionen zu schützen», hiess es am 1. Dezember in einem gemeinsamen Statement von EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides, WHO-Regionaldirektor Hans Kluge und der Direktorin der EU-Gesundheitsbehörde ECDC, Andrea Ammon.

Vor dem Hintergrund dieses Mixes aus verschiedenen Atemwegserkrankungen sei es schwierig, vorauszusehen, wie sich die Lage in diesem Winter entwickeln könnte. Deshalb mahnten die Expert*innen an, Impfprogramme und Bereitschaftsmassnahmen in den europäischen Ländern zu verstärken: «Wir können es nicht oft genug sagen: Impfungen retten Leben.»

Auch jeder Einzelne könne mit Massnahmen wie Händewaschen, Maskentragen und Abstandhalten dazu beitragen, dass sich die Infektionen weniger stark verbreiteten.

Wie lassen sich die Symptome unterscheiden?

Um es vorweg zu sagen: Da die hier genannten Erkrankungen meist die Atemwege befallen, ähneln sich auch die Symptome sehr stark und sind für Laien nur schlecht zu unterscheiden. Sowohl Grippe-, RSV- als auch Corona-Infektionen haben laut der «Deutschen Apotheker Zeitung» diese gängigen Symptome gemeinsam: Husten, Fieber, Müdigkeit, Halsschmerzen, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Schnupfen.

Auseinanderhalten lassen sich Erkrankungen demnach aber immerhin anhand bestimmter Anzeichen:

Der Krankheitsverlauf entwickle sich bei der Grippe etwa häufig sehr schnell, weshalb man sich plötzlich «richtig krank» fühle, während sich der Gesundheitszustand bei einer Corona-Infektion oft langsamer und über mehrere Tage hinweg verschlechtere.

Im Fall von RSV beginne die Erkrankung zumeist mit Schnupfen und Fieber. Daraufhin könnten sich bei manchen Kindern dann noch Husten und eine Keuchatmung herauskristallisieren. 

Auch kommt der Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns zwar teilweise bei Covid-Erkrankten zum Tragen, im Falle einer Grippe und bei RSV trete dieses Phänomen nicht auf. Ebenfalls unterscheiden sich die Erkrankungen hinsichtlich ihrer Inkubationszeit.

Während man bei den derzeit vorherrschenden Omikron-Varianten des Coronavirus im Schnitt von drei Tagen ausgehe, sind es bei der Grippe ein bis zwei Tage und bei RSV durchschnittlich bei 5 Tagen.

Eindeutig klären, um welchen Infekt es sich aber handelt, ist nur mit spezifischen Tests möglich. 

Warum sind aktuell so viele Menschen krank?

Gemäss Experten liege es in erster Linie daran, dass es draussen kalt und feucht ist. Das sei ein Umfeld, in dem sich Erreger wohlfühlten, sagte jüngst  Reinhold Förster, Leiter des Instituts für Immunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover zum deutschen Magazin «Der Spiegel».

Warum es derzeit so viele Erkältungskrankheiten gibt, darüber spekulieren Wissenschaftler*innen noch, denn die Problematik ist komplex und epidemiologische Studien sind hierzu noch selten.

Wie der Kinderarzt und Infektiologe Christoph Berger vom Kinderspital Zürich zu «SRF» sagte, gehe man aber davon aus, dass aufgrund der ergriffenen Massnahmen in den zwei Pandemie-Jahren weniger Viren zirkulierten. «Wir hatten weniger Influenza-Infektionen, auch weniger RSV», so Berger.

Nun würden diese wieder frei zirkulieren. Im Falle von RSV bedeute das, dass nun auch grössere Kinder weniger Immunität gegen den Erreger hätten. «Wir haben deshalb auch nicht nur Säuglinge, sondern mehr ältere Kinder, die daran erkranken.»

Auch gemäss Allgemeinmedizinerin Rakel Kaiser-Diogo vom Gesundheitszentrum Humanum in Uster seien die Menschen anfälliger für Viren-Erkrankungen: «Unser Immunsystem wurde durch die Corona-Pandemie und den Massnahmen wie Masketragen dekonditioniert.»

Zudem beobachtet die Ärztin, dass die Leute vorsichtiger geworden seien. Dass dieses Jahr mehr Erkältungskrankheiten grassieren, sei statistisch aber nicht erwiesen, so Kaiser-Diogo.

Wie kann man sich schützen?

Die schlechte Nachricht zuerst: Grippe und andere Viren können jeden und jede treffen. Die gute Nachricht ist aber: Mit Geduld und Bettruhe klingt, zumindest die Grippe, in den meisten Fällen von alleine wieder ab. 

Deshalb raten Ärzt*innen dazu, vorbeugend sein Immunsystem zu stärken. Das heisst, regelmässig nach draussen an die frische Luft gehen, Stress vermeiden, genügend schlafen sowie ausreichend Vitamine und Nährstoffe zu sich nehmen.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sowie die kantonalen Gesundheitsdienste empfehlen die jährliche Grippeimpfung für Risikopersonen. Das sind unter anderem Personen ab 65 Jahren sowie Schwangere, Erwachsene und Kinder mit chronischen Erkrankungen.

Beim RS-Virus ist es etwas anders: Dennoch gibt es keine Impfung. Auch wenn das Virus besonders bei Säuglingen und Kleinkindern verbreitet ist, hinterlässt eine RSV-Infektion gemäss dem BAG keine bleibende Immunität. Das heisst, jede Person jeglichen Alters kann sich jederzeit erneut anstecken. 

Als einziger Schutz wirkt deshalb, die Kleinen vor hustenden und fiebernden Personen fernzuhalten.

Zudem empfiehlt Hausärztin Kaiser-Diogo einige Verhaltensweisen aus der Pandemie, wie regelmässiges Händewaschen und in die Armbeuge zu husten, beizubehalten. Denn auch die Erkältungsviren würden am häufigsten über Tröpfchen verbreitet.