Post-Covid Milde Infektion, dramatische Spätfolgen

tgab

28.11.2022

Eine Covid-19-Infektion kann auch nach Monaten noch eine Auswirkung auf Lunge, Herz, Nieren, Augen, Darm, Leber und Gehirn (von oben im Gegenuhrzeigersinn) haben. 
Eine Covid-19-Infektion kann auch nach Monaten noch eine Auswirkung auf Lunge, Herz, Nieren, Augen, Darm, Leber und Gehirn (von oben im Gegenuhrzeigersinn) haben. 
wildpixel/Getty Images Plus

Noch immer wird Covid-19 als reine Atemwegserkrankung verharmlost. Doch Studien deuten darauf hin, dass eine Infektion das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz erhöht – selbst Monate nach der Genesung.

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Die Corona-Infektion ist längst vergessen, der Körper hatte das Virus erfolgreich bekämpft, aber dann kommt es plötzlich zu Herzrhythmusstörungen oder epileptischen Anfällen – Wochen später. Fallbeschreibungen und Medienberichte häufen sich, wonach es Monate nach milden Covid-19-Infektionsverläufen zu teils dramatischen Spätfolgen gekommen ist. Was ist da los?

Vergleichsstudien deuten darauf hin, dass nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 das Risiko für kardiovaskuläre Leiden wie Herzschwäche oder Herzrhythmusstörungen noch mindestens ein Jahr lang erhöht sein kann. Und im Oktober erschien im renommierten Fachmagazin «The Lancet» eine Studie, wonach bis zu zwei Jahre nach einer Infektion mit Covid-19 ein erhöhtes Risiko für Demenz, Epilepsie und Psychosen besteht.

Chronische Entzündungen im ganzen Körper

Inzwischen weiss man auch, dass Coronaviren sich nicht nur auf die Atemwege beschränken, sondern im ganzen Körper lang anhaltende Entzündungen auslösen können und auch Veränderungen an den Blutgefässen, was zu Multiorganerkrankungen führen kann. Auch Autoimmunität, und Störungen der Darmbakterien werden als mögliche Mechanismen diskutiert.

Mit den Blutgefässen befalle Sars-CoV-2 «eine ganz zentrale Struktur des Körpers», erklärt Carsten Tschöpe, Kardiologe und Leiter der Kardiomyopathie-Einheit an der Berliner Charité, im «Spiegel». Es gebe kein Organ, das nicht von Blutgefässen abhängig sei. «Die Organe verlieren Teile ihrer Funktion, wenn sie nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt werden. Dadurch entsteht im gesamten Körper ein Globalschaden.»

Das Problem: Im Einzelfall lässt sich kaum zuordnen, ob etwa ein Herzinfarkt oder eine Demenz auf Corona zurückzuführen ist oder eine andere Ursache dahintersteckt.

Langzeitfolgen könnten deshalb unterschätzt werden, warnt Virologin Isabella Eckerle in dem Spiegel-Artikel. «In der Öffentlichkeit hat man ja oft das Gefühl, dass Sars-CoV-2 jetzt kein Problem mehr ist und man nun eine Bilanz der vergangenen drei Jahre ziehen kann», so Eckerle, die das Zentrum für neuartige Viruserkrankungen an den Universitätskliniken Genf leitet. «Ich glaube, diese Bilanz wird man vielleicht in einigen Jahren noch mal im Hinblick auf Spätkomplikationen überprüfen müssen.»

Der Infektionsverlauf ist egal

Inwieweit die Impfung schützt, ist noch unklar. Eine Studie zu Herzproblemen nach einer Covid-19 Erkrankung belegt jedoch, dass es keine Rolle spielt, ob die Infektion schwer oder leicht verlaufen ist.

Dass Virusinfektionen wie etwa eine Grippeerkrankung zu Herzproblemen führen können, ist schon länger bekannt. Neu im Zusammenhang mit Corona ist jedoch, dass das Risiko ein Jahr oder sogar noch länger anhalten kann. Und auch betreffend neurologische Spätfolgen besteht ein deutlich erhöhtes Risiko im Vergleich zur Grippe.

So wurden in der «Lancet»-Studie vom Oktober Patienten, die an Covid-19 erkrankt waren, mit Personen verglichen, die sich mit Erkältungs- oder Grippeviren angesteckt hatten. Ein halbes Jahr nach der Infektion war das Risiko für eine Demenz bei Covid-Genesenen demnach im Schnitt um 33 Prozent erhöht, das Risiko für eine Psychose, bei der die Betroffenen beispielsweise Stimmen hören oder Wahnvorstellungen haben, um 27 Prozent.

Wissenschaftler vermuten, dass entzündliche Botenstoffe, die während der Covid-Erkrankung gebildet werden, ins Gehirn gelangen und dort Immunprozesse auslösen, die die Funktion der Hirnzellen beeinträchtigen.

Aus einer gross angelegten Studie aus den Niederlanden mit 76'400 Teilnehmern geht hervor, dass etwa jeder Achte Corona-Infizierte an Langzeit-Beschwerden leidet. Was die Spätfolgen für die Zukunft bedeuten, ist heute noch gar nicht abzusehen.