60 Prozent günstiger als in ZürichWenn du für diesen Mantel nach Berlin fliegst, sparst du Geld
Lea Oetiker
31.10.2024
Der gleiche Mantel vom Kleiderladen & Other Stories kostet in der Schweiz 169 Franken mehr als in Deutschland. Fair oder Abzocke? Ein Experte ordnet ein.
Lea Oetiker
31.10.2024, 04:30
31.10.2024, 06:21
Lea Oetiker
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Im Kleiderladen & Other Stories wird ein Mantel für 449.– Franken verkauft. Ein happiger Preis. In Deutschland kostet derselbe Mantel 299.– Euro, umgerechnet etwa 280.– Franken.
Das ergibt einen Preisunterschied von 169.– Franken.
Mit diesem Geld könntest du von Zürich nach Berlin fliegen, dir dort den Mantel kaufen – und hättest am Ende immer noch Geld dabei gespart.
Warum ist Kleidung in der Schweiz so viel teurer? Ein Branchen-Experte kennt die Gründe.
Hierzulande sind die Löhne höher als in den meisten EU-Staaten. Dafür müssen Schweizerinnen und Schweizer aber für Waren und Dienstleistungen auch mehr bezahlen. Wie viel mehr, ist vor allem bei der Kleidung auffällig.
Beispielsweise bei H&M: Ein «Mantel mit Bindegürtel» kostet in Deutschland laut Website 54.99 Euro. Umgerechnet sind das rund 50 Franken. Derselbe Mantel kostet hierzulande jedoch 69.95 Franken. Macht also einen Unterschied von rund 15 Franken.
Nun gut, 20 Franken kann man sich mit höheren Fixkosten wie Ladenmiete und höheren Löhnen erklären. Aber: Bei & Other Stories, einem Tochterunternehmen von H&M, kostet ein «Einreihiger langer Mantel aus Wolle» 299 Euro, umgerechnet also rund 280 Franken. In der Schweiz hingegen kostet derselbe Mantel satte 449 Franken. Schweizerinnen und Schweizer bezahlen also 169 Franken oder 60 Prozent mehr.
Flug nach Berlin und zurück deutlich günstiger als Mantel
Wenn du dir den Mantel nun kaufen wollen würdest, könntest du dieses teure Erlebnis zu etwas ganz besonderen machen: Mit einer Shoppingreise nach Berlin.
Der günstigste Easyjet-Flug (inklusive kleinem Handgepäck) kostet beispielsweise am 13. November insgesamt 77.93 Franken. Inklusive Rückreise am selben Tag.
Rechnest du den Mantel noch dazu, kommst du auf 357.93 Franken. Man spart also 91.07 Franken.
Der Kleiderladen & Other Stories gehört zu H&M, genau wie COS, Weekday und Arket. Die Preise variieren in jedem Geschäft stark. Abgesehen davon, dass sie alle demselben Unternehmen angehören, haben sie noch eine weitere Gemeinsamkeit: Die Schweizer Preise sind überall deutlich höher als im Ausland.
Aber warum bezahlen wir in der Schweiz so viel mehr für Kleidung und ist das überhaupt erlaubt?
«Der Preisunterschied zeigt, wie schamlos gewisse Unternehmen vorgehen»
«Dass ich nach Berlin fliegen könnte und damit günstiger an die Jacke kommen würde, ist allein an sich einen Skandal», sagt Jean-Claude Frick, Digital-Experte bei Comparis. Er erklärt die Gründe für den markanten Preisunterschied zwischen der Schweiz und Deutschland.
Frick räumt ein, dass Unternehmen mit höheren Fixkosten wie Personal und Miete in der Schweiz einen gewissen Preisaufschlag rechtfertigen können. Allerdings betont er: «Der Preisunterschied zeigt, wie schamlos gewisse Unternehmen vorgehen. Es gibt absolut keinen Grund dafür, den Preis so massiv zu erhöhen.»
Neben den höheren Fixkosten spiele auch die Kaufkraft hierzulande eine Rolle: «Es geht schlicht auch darum, dass man die höhere Kaufkraft der Schweiz abschöpft.» Das heisst, dass Unternehmen die stärkere Wirtschaftskraft und das höhere Einkommensniveau in der Schweiz ausnutzen, um ihre Preise über das notwendige Mass hinaus zu erhöhen und dadurch höhere Gewinne zu erzielen.
Schweizer*innen sind bereit, den höheren Preis zu bezahlen
Frick weist aber darauf hin, dass die Preisfestsetzung zwar dem Verkäufer obliegt, die Konsumenten aber die Wahl haben, ob sie darauf eingehen möchten. Er merkt an: «Die Läden sind ja nicht pleite, sondern voll. Seit Jahren gehen die Leute trotzdem dort einkaufen.» Dies zeige, dass viele Schweizer Kunden bereit sind, die höheren Preise zu akzeptieren.
Der Experte sieht die Lösung nicht in staatlicher Regulierung, sondern in der Macht der Verbraucher*innen: «Der Druck müsste von den Konsumentinnen und Konsumenten kommen. Würde dort weniger eingekauft werden, könnte das durchaus einen Einfluss haben», erklärt er.
Auf Anfrage von blue News wollte & Other Stories keine Auskunft zu ihrer Preispolitik in der Schweiz geben.
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