So setzt sich der Preis von Benzin und Diesel zusammen
Mit dem Ukraine-Krieg schnellen die Sprit-Preise in die Höhe. Hier erklären wir, wie die Treibstoffpreise zustandekommen.
17.03.2022
Die Preise für Benzin und Diesel sind in den vergangenen Monaten stärker gestiegen als die Rohölpreise. Davon profitieren vor allem Erdölraffinerien und Mineralölkonzerne – sie streichen Rekordmargen ein.
Der Stopp an der Tankstelle war in den vergangenen Wochen und Monaten für Autofahrer*innen kein Vergnügen, nicht nur in der Schweiz, in ganz Europa stiegen die Benzin- und Dieselpreise stark an. Als Grund wird die russische Invasion in der Ukraine genannt, doch das allein wäre zu einfach.
Seit Jahresbeginn steigen die Kraftstoffpreise deutlich stärker an als die Rohölpreise. Wie «SRF» berichtet, handele es sich um eine durchschnittliche Marge von rund 20 auf über 50 Dollar pro Barrel Rohöl – das entspricht mehr als 150 Prozent.
Besonders die Erdölraffinerien profitierten dabei, denn sie verarbeiten Rohöl zu Treibstoffen und können so die grössten Margen einstreichen. Diese seien seit Beginn des Krieges in der Ukraine auf Rekordniveau gestiegen, wie eine Studie der Umweltorganisation Greenpeace herausfand.
Entkopplung von Rohöl- und Benzinpreis
Mit Blick auf die EU-weiten Ölpreise im Januar und März kam man zu dem Ergebnis, dass die Preise für raffinierte Produkte mehr gestiegen seien als der Rohölpreis. Das spiegelte sich auch in der Schweiz wider: Zwischen Februar und April stieg der Preis für Rohöl um 8 Prozent, für Bleifrei 95 um 9,7 Prozent, für Diesel sogar um knapp 16 Prozent.
Fabian Bilger vom Verband für Treibstoffimporteure sieht den Grund für die Entkopplung des Rohölpreises vom eigentlichen Produktpreis unter anderem in der Corona-Pandemie, wie er beim «SRF» erklärte.
In den vergangenen zwei Jahren habe man «Raffineriekapazität in Europa und den USA verloren», da es eine geringere Nachfrage nach fossilen Brennstoffen gegeben habe. Diese fehle jetzt und treffe auf einen Markt, der «extrem viel Treibstoffe und Brennstoffe nachfragt». Die Raffineriekapazität stelle derzeit eine «Art Nadelöhr» für das Öl dar. Genug Rohöl sei vorhanden, doch es gebe nur begrenzte Kapazität zur Verarbeitung.
Obendrein dürfe laut Bilger nicht vergessen werden, dass auch innerhalb der Raffinerie Kosten entstünden, etwa für Energie, Unterhalt und Personal. «All diese Dinge werden von der Rohmarge abgezogen und ergeben dann die Nettomargen, die nochmals deutlich geringer sind wegen der hohen Energiepreise.»
Margen steigen stark
Das bestätigt auch die Firma Varo Energy, Betreiber der einzigen Erdölraffinerie in der Schweiz. Man habe seit Beginn des Krieges kein Rohöl mehr aus Russland bezogen, was zur Folge hatte, dass Rohöl und Ölprodukte für sie wesentlich teurer geworden seien. Produktions- und Energiekosten seien ebenfalls gestiegen. Man müsse alle Faktoren berücksichtigen, auch, dass die Steuern noch immer einen grossen Teil der Preise an den Zapfsäulen ausmachen.
Bedeutet das also, dass die Raffinerien eigentlich kaum mehr verdienen, auch wenn die hohen Margen das auf den ersten Blick vermuten lassen? Eher nicht, erklärt Johannes Schwanitz, Professor am Institut für Technische Betriebswirtschaftslehre der Fachhochschule Münster, beim Magazin «Spiegel».
Über Jahre habe er einen konstanten Zusammenhang zwischen Rohölpreis und Spritpreis beobachtet. Verbilligte oder verteuerte sich das Rohöl, fielen oder stiegen auch kurz darauf die Grosshandels- und Endverbraucherpreise in ähnlichem Ausmass.
Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine habe sich das aber geändert. «Die Tankstellenpreise haben sich im März von den Rohölpreisen abgekoppelt – und zwar nach oben.» Sämtliche an der Wertschöpfungskette beteiligten Parteien – Raffinerien, Grosshändler, Tankstellenketten – verdienten deutlich mehr als zuvor.
Insgesamt werde die Branche im Jahr 2022 wohl Rekordeinnahmen verbuchen, erklärt der Chef der Internationalen Energieagentur, Fatih Birol. In den vergangenen Jahren habe die internationale Gas- und Ölindustrie 1,5 Billionen Dollar Umsatz pro Jahr gemacht. «Aber für dieses Jahr erwarten wir Erlöse von rund 4 Billionen Dollar.»
Wann sinken die Preise an den Zapfsäulen wieder?
Für Autofahrer*innen gibt es aber offenbar Hoffnung: Die aktuell hohen Margen seien nicht von Dauer, sondern eher ein temporäres Phänomen, erklärt der Ökonom Klaus Wellershoff beim SRF. Die derzeitige Lage führe dazu, dass «alle wieder mehr anbieten wollen». Die Zeit und der Wettbewerb würden dafür sorgen, dass die Margen wieder sinken werden.
Allerdings seien die Preise für Benzin und Diesel nicht allein von den Margen abhängig. Auch die allgemeine wirtschaftliche Lage, der starke US-Dollar sowie der gestiegene Fasspreis als Reaktion auf den Krieg haben darauf Einfluss. Über den genauen Zeitpunkt, wann die Preise an den Zapfsäulen wieder deutlich sinken werden, könne man aktuell keine Prognose treffen, so Wellershoff.