Wegen Klimaschutz-Auflagen Benzinpreis war über Jahre zu hoch 

tafu

22.10.2021

Autofahrer*innen in der Schweiz mussten pro Liter mehr bezahlen, als eigentlich notwendig gewesen wäre.
Autofahrer*innen in der Schweiz mussten pro Liter mehr bezahlen, als eigentlich notwendig gewesen wäre.
Bild: Keystone/Sven Hoppe/dpa

Über Jahre waren die Tankfüllungen in der Schweiz teurer, als sie hätten sein müssen. Grund dafür war eine erhöhte Kompensation von CO2-Emissionen durch die Treibstoffimporteure.

tafu

22.10.2021

Der Preis für Benzin ist ständigen Schwankungen unterlegen und damit stets Gegenstand von Diskussionen. Seit Anfang des Jahres gilt eine erhöhte Mineralölsteuer, wodurch 3,7 Rappen mehr pro Liter fällig wurden.

Schuld an einem erhöhten Preis an den Zapfsäulen sind aber auch die Klimaschutzauflagen und der damit verbundene Anteil zur Kompensation von CO₂-Emissionen. Den geben die Treibstoffimporteure an die Kund*innen weiter. So wurden zusätzlich rund zwei Rappen pro Liter fällig, um Klimaschutzmassnahmen zu finanzieren. Dieser Aufschlag soll allerdings in den vergangenen Jahren zu hoch ausgefallen sein, berichtet nun der «Tages-Anzeiger». 

Die Vorgabe vom Bund war, dass die Treibstoffimporteure zwischen 2013 und 2020 insgesamt 6,2 Millionen Tonnen CO₂ einsparen mussten. Pro eingesparter Tonne CO₂ erhalten die Treibstoffimporteure eine Bescheinigung. Tatsächlich waren es aber fast doppelt so viel, nämlich 11,2 Millionen. Das bestätigt auch der Geschäftsführer der Stiftung Klimaschutz und CO₂-Kompensation (Klik), Marco Berg. Im Auftrag der Branche investiert die Stiftung in Schweizer Klimaschutzprojekte.

Aufschlag war zu hoch

«Wir haben fünf Millionen Tonnen CO₂ mehr reduziert, als wir mussten», so Berg. Hinzu kämen noch etwa eine Million Tonnen zusätzlich, für die noch Bescheinigungen ausstehen. Dieser Überschuss habe in etwa einen Gegenwert von 650 Millionen Franken – und das schlug sich auf die Benzinpreise nieder. Jahrelang hätten Autofahrer*innen so etwa 1,2 Rappen pro Liter zu viel gezahlt – zur Erfüllung der Kompensationsverpflichtungen hätten auch etwa 0,8 Rappen genügt.

Eine ungerechte Behandlung der Autofahrer*innen sieht Marco Berg hier allerdings nicht vorliegen. Denn: Um auf der sicheren Seite zu sein, sei es durchaus sinnvoll, mehr Projekte zu fördern. Im Voraus wisse man nie, wie viel CO₂-Reduktionen sich aus den geförderten Projekten ergeben.



Auch sei dieses Vorgehen gängige Praxis, um keine Bussen wegen nicht erreichter Klimaziele bezahlen zu müssen, die dann in die allgemeine Bundeskasse fliessen würden. Das wären immerhin pro fehlender CO₂-Tonne 160 Franken – in ein Klimaschutzprojekt zu investieren und damit eine Tonne CO₂ zu reduzieren, käme auf nur etwa die Hälfte.

Umweltverbände warnen

Noch ist unklar, was mit den überschüssigen Bescheinigungen geschehen soll. Sollten sich die Importeure diese wie geplant für die kommenden Jahre anrechnen lassen, würde das bedeuten, dass eine Investition in Klimaschutzprojekte erst wieder ab 2024 stattfinden würde. Diese Anrechnung sollte durch einen Passus im CO2-Übergangsgesetz geregelt werden. Bisher war sie zwar kein Streitpunkt, doch das wird sich nun wohl ändern, wenn das Übergangsgesetz in der Wintersession vom Ständerat behandelt wird.

Denn die Umweltverbände wollen eine Anrechnung vermeiden. Sie fordern, dass die Treibstoffimporteure sich nur die Reduktionen anrechnen lassen dürfen, die nach 2020 erfolgt sind. Bestehende und neue Klimaschutzprojekte würden sonst um sechs Millionen Tonnen CO₂ weniger gefördert, gibt Patrick Hofstetter, Klimaexperte des WWF, zu bedenken. Davon betroffen seien dann Biogasprojekte, Fernwärmenetze und Holzschnitzelfeuerungen.

Das sieht Marco Berg anders: Man gehe von einer Fortführung der Kompensationspflicht bis 2030 aus, dafür würden insgesamt 20 Millionen Bescheinigungen benötigt. Folglich wären die sechs Millionen sozusagen eine Vorleistung der Autofahrer*innen. Ausserdem brauche es in jedem Fall neue Investitionen in Klimaschutzprojekte.



Entschieden, wie lange die Kompensationspflicht tatsächlich bleibt, ist noch nicht. Auch die Höhe des Satzes ist noch unklar. Der liegt aktuell bei zwölf Prozent, könnte aber auf Basis des Übergangsgesetzes bis 40 Prozent angehoben werden. Mit dem neuen CO₂-Gesetz, das im Juni abgelehnt wurde, wäre eine Steigerung von bis zu 90 Prozent möglich gewesen.

Für Patrick Hofstetter vom WWF ein eindeutiges Zeichen, dass sich die Treibstoffimporteure zu Unrecht über zu hohe Klimaauflagen beschwerten. «Der Bund hätte ihnen viel strengere Klimaziele auferlegen müssen», so Hofstetter. Umso schlimmer sei, dass sie nun auch nach dafür belohnt werden würden.