Meyer Burger in der Krise So behaupten sich Schweizer Solarfirmen gegen China

Stefan Michel

22.9.2024

Das historische Collège des Parc in Neuenburg ist mit Solarziegeln neu eingedeckt worden – produzier vom Schweizer Unternehmen Freesuns.
Das historische Collège des Parc in Neuenburg ist mit Solarziegeln neu eingedeckt worden – produzier vom Schweizer Unternehmen Freesuns.
Bild: KEYSTONE

Der Schweizer Solarzellen-Hersteller Meyer Burger steckt in einer tiefen Krise. Ein böses Vorzeichen für die Schweizer Solarbranche? Fachleute und Firmen-Vertreter*innen beschreiben diese als fit und konkurrenzfähig.

Stefan Michel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Das Schweizer Solarunternehmen Meyer Burger steckt in einer tiefen Krise.
  • Andere Schweizer Unternehmen produzieren mit Erfolg Photovoltaik-Panels. Mit individuellen, an einzelne Gebäude angepassten Lösungen, stechen sie die Konkurrenz aus China aus.
  • Doch auch der Markt für individuelle Solaranlagen hat sich abgekühlt. Weitere Herausforderungen sind der Fachkräftemangel und die unsichere Förderung der öffentlichen Hand.

Bund und Kantone fördern den Ausbau der Solarenergie nach Kräften, Installationsfirmen haben volle Auftragsbücher, der Zubau an Solaranlagen bricht Rekorde. Trotzdem steckt der Schweizer Solar-Panel-Hersteller Meyer Burger so tief in der Krise, dass ihre Aktien von Goldman Sachs nicht mehr bewertet und von der Zürcher Kantonalbank als «uninvestierbar» bezeichnet werden.

Ist Meyer Burger als Primus der Schweizer Solarbranche auch Vorreiter für deren Niedergang? Tatsächlich ist es schwer vorstellbar, wie sich produzierende Schweizer Unternehmen gegen die Billig-Module aus China behaupten können.

David Stickelberger, stellvertretender Geschäftsführer des Branchen-Verbands Swissolar nennt zwei «massgebliche Modulproduzenten», die in der Schweiz fabrizieren: die Firmen 3S und Megasol. «Beiden geht es gut. 3S hat sogar seine Produktionskapazitäten Anfang Jahr massiv gesteigert», hält er fest.

Schweizer Firma behauptet sich

Für Megasol beantwortet deren Geschäftsleitungsmitglied Daniel Sägesser die Fragen von blue News: «Durch eine enorm hohe Innovationsrate sorgen wir dafür, dass wir unseren Mitbewerbern immer zwei bis drei Schritte voraus sind.»

Megasol hat eine eigene Produktionslinie in China. Diese liefere hauptsächlich Standardmodule, erklärt Sägesser. PV-Panels mit einer kumulierten Leistung von 700 Megawatt können dort pro Jahr hergestellt werden.

In der Schweiz produziert Megasol im solothurnischen Deitingen Module – 400 Megawatt pro Jahr. Diese sind aber Speziallösungen, zum Teil in individueller Form- und Farbgebung, die sich in Dächer und andere Gebäude-Bereiche integrieren lassen und deshalb jedem einzelnen Bau mit seinen speziellen Anforderungen angepasst werden.

Nischenprodukt individuelle PV-Module

In dieser Nische operieren die meisten der produzierenden Schweizer Solarfirmen, bestätigt Léonore Hälg von der Schweizerischen Energiestiftung: «Sie stellen vor allem Solarziegel, Solarfaltdächer, innovative Aufhängungen für Fassadenanlagen und massgeschneiderte Module mit anpassbarer Form und Farbe her.»

In diesem Segment operiert auch das Westschweizer Unternehmen Freesuns, das sich auf individuelle Solarziegel spezialisiert hat. Dessen Verkaufsleiter Patrick Imholz führt aus: «Unsere Nische sind Dächer mit komplizierten Geometrien, auf denen man nicht einfach grosse Anlagen installieren kann.»

Quasi als Nische in der Nische hat sich Freesuns auf denkmalgeschützte Gebäude spezialisiert, wo ein Solardach möglichst wenig an der Optik verändern darf. Sie könnten Module liefern, die wie die klassischen Biberschwanz-Ziegel aussähen, so Imholz, oder ein Schieferdach nachbauen, das Solarstrom generiert. Dabei erzeugen die Solarmodule nicht nur Strom, sondern halten auch das Dach dicht.

Da auch Freesuns seine Module in China herstellen lässt, jedoch spezifisch für das jeweilige Bauprojekt, profitiert das Unternehmen sogar von den tiefen Preisen. Das Endprodukt ist dann freilich teurer, als eine auf das Dach geschraubte Standardanlage. Die Kunden des Unternehmens seien um der Ästhetik willen bereit, diesen Aufpreis zu bezahlen, sagt Imholz. Freesuns sei dabei, von der Westschweiz in den Rest der Schweiz zu expandieren, gibt er einen Hinweis auf den Geschäftsgang.

Wann entert China die Nische?

Dass China auch in die Nische individueller Solarmodule vorstösst, glaubt keine der befragten Personen. Hälg argumentiert: «Es handelt sich nicht um Massenware, die man in uniformer Grösse und Form in grosser Stückzahl produzieren und nach Europa transportieren kann.» 

Stickelberger ergänzt: «Die Nähe zum Kunden ist sehr wichtig, wegen Bemusterung der Farben und Weiterem. Zudem sind unsere Hersteller nahe an den relevanten Forschungsinstituten in der Schweiz wie der ETH-Lausanne und verschiedenen Fachhochschulen.»

Doch auch der Markt für individuelle Solarlösungen hat sich abgekühlt. Imholz bestätigt: «Die letzten zwei Jahren waren sehr gut. Die Blackout-Prognosen nach der Ukraine-Invasion, die Strompreise haben uns geholfen. Jetzt hat die Nachfrage auf ein vernünftiges Mass nachgelassen.» 

Stickelberger sieht den Fachkräftemangel als Wachstums-Hindernis der Schweizer Solarbranche. Es brauche eine Verdoppelung der aktuell rund 10'000 Vollzeitstellen in der Solarbranche, um die Energiewende in der gesteckten Zeit zu schaffen. 

Schweizer Politik hat mehr Einfluss als China

Entscheidend sei, wie die öffentliche Hand den solaren Ausbau in Zukunft fördere, betont Imholz von Freesuns. «Das Interesse an Solaranlagen ist weiterhin vorhanden. Wie viele tatsächlich eine installieren lassen, ist eine Frage des Preises, und der verfügbaren Subventionen oder Fördergelder, die für die Rentabilität der Hausbesitzer entscheidend sind.»

Daniel Sägesser von Megasol ist überzeugt, dass es weiterhin möglich sei, in der Schweiz für den europäischen Markt und damit in Konkurrenz zu den chinesischen Herstellern PV-Module zu produzieren – «solange es uns gelingt, uns durch Innovation vom globalen Markt abzuheben.»

Die Kunden seien bereit, für Innovation mit Mehrwert einen fairen Preis zu bezahlen. Dafür müsse die Schweiz aber Sorge zu ihrem Forschungsstandort tragen. Und nicht zuletzt brauche die Schweizer Solarbranche einen starken Heimmarkt.