Ärger mit Schweizer Firma Gucci mag nicht länger «klimaneutral» sein

tgab

26.5.2023

Beim Kauf von Luxuskleidung gleich noch etwas für die Umwelt tun? Gucci 2024 Cruise Collection Fashion Show in Seoul am 16. Mai 2023. 
Beim Kauf von Luxuskleidung gleich noch etwas für die Umwelt tun? Gucci 2024 Cruise Collection Fashion Show in Seoul am 16. Mai 2023. 
Jeon Heon-Kyun/KEYSTONE

Gucci hat sich mit Zertifikaten von South Pole von CO2-Emissionen freigekauft. Nun steht der Klimakompensierer mit Sitz in Zürich in der Kritik. Der Luxuskonzern zieht die Reissleine, andere Unternehmen folgen.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Gucci hat sich mit Zertifikaten des Klimakompensierers South Pole mit Sitz in Zürich von CO2-Emissionen freigekauft.
  • Die Zertifikate des South Pole-Prestigeprojekts «Kariba» haben sich als unseriös, zumindest aber in ihrer Wirkung umstritten herausgestellt.
  • Gucci nutzte fast ausschliesslich diese Zertifikate.
  • Nun hat das Luxus-Modeunternehmen sein Versprechen, «vollständig klimaneutral» zu sein, von seiner Website gelöscht.

Mit dem Kauf von Ohrsteckern, Jogginghosen oder Gürtelschnallen mit dem markanten Luxus-Logo taten Gucci-Kund*innen nicht nur etwas Gutes für ihr Gemüt, sondern vermeintlich auch für die Umwelt. Schliesslich behauptete der italienische Luxusmode-Hersteller seit 2019 von sich selbst, «vollständig klimaneutral» zu sein. Dieses Versprechen hat Gucci nun von seiner Website gelöscht.

Der Deal funktionierte bis jetzt folgendermassen: CO2-Emissionen, die durch die Herstellung der Kleidung, das Heizen der Produktionshallen oder beim Transport ausgestossen werden, glich das Gucci aus, indem es bei South Pole Umwelt-Zertifikate kaufte. Die in Zürich ansässige Firma gilt als einflussreichster Klimakompensierer der Welt. Mehr als 700 Klimaschutzprojekte hat das Unternehmen entwickelt und verkauft sie an Branchengrössen wie SAP, Nestlé oder Holcim. Das Geld steckt South Pole in diverse Projekte zum Schutz der Umwelt.

Waldschutzprojekte wären eigentlich schon eine gute Idee. Tote Bäume am Kariba-See in Zimbabwe.
Waldschutzprojekte wären eigentlich schon eine gute Idee. Tote Bäume am Kariba-See in Zimbabwe.
imago images/janinearnold

Das Prinzip Geld gegen Umweltbelastung ist in letzter Zeit jedoch auf breiter Front in die Kritik geraten. Zweifel an der Wirksamkeit und Bilanzierung von Klimaprojekten sind aufgekommen. Auch das Aushängeschild von South Pole, ein Waldschutzprojekt namens «Kariba» in Zimbabwe, geriet in die Schlagzeilen.

Künftige CO2-Reduktion heute zu verkaufen, ist unseriös

Rund 40 Millionen Tonnen CO₂ soll «Kariba» schon eingespart haben. Viele der angeblich eingesparten Tonnen Kohlendioxid, die South Pole mittels Zertifikaten verkauft habe, seien aber gar nicht eingespart worden, schreibt der «Tagesanzeiger».

Das Projekt basiert auf einer gewagten Prognose von South Pole: Dass die Wälder in dem Gebiet, das grösser ist als der Kanton Graubünden, innerhalb von dreissig Jahren vollständig zerstört würden, wenn der lokalen Bevölkerung nicht Praktiken wie nachhaltige Landwirtschaft oder Brandbekämpfung beigebracht würden. Die vermeintlich verhinderten CO₂-Emissionen wurden als Zertifikate verkauft.

South Pole räumt mittlerweile ein, dass das Projekt überbewertet sein könnte. Gegenüber der «Zeit» gab das Unternehmen zu, man vermute, dass die Prognose um 50 Prozent überschätzt war. Die Neuberechnung sei aber noch nicht abgeschlossen.

In einem Interview mit der «Wochenzeitung» beschwichtigte South-Pole-CEO Renat Heuberger: «Selbst wenn wir ein paar Tonnen zu viel verkauft haben, gleicht sich das in den nächsten Jahren wieder aus». Dazu müsse man künftig einfach entsprechend weniger Zertifikate verkaufen.

Ein Argument, das in Fachkreisen auf Skepsis stösst. Es gehe schliesslich um Klimaschutz heute und nicht in zwanzig Jahren, sagt Axel Michaelowa, Experte für internationale Klimapolitik an der Universität Zürich und Mitgründer des Klimaschutzberatungsunternehmens Perspectives. «South Pole erzielt Erlöse aus dem Verkauf von Emissionsgutschriften und hofft, eine entsprechende Emissionsreduktion irgendwann in der Zukunft beibringen zu können. Ein solcher ‹CO₂-Kredit› ist nicht wirklich seriös.»

Gucci beendet Zusammenarbeit mit South Pole

Der Luxuskonzern Gucci hat nun Konsequenzen gezogen und letzte Woche gegenüber der britischen Zeitung «The Guardian» verkündet, die Zusammenarbeit mit South Pole beendet zu haben. «Bei Gucci überprüfen wir regelmässig unsere Umweltaussagen, um die besten wissenschaftlich fundierten Standards einzuhalten und uns an den globalen Regulierungsrahmen anzupassen», sagte demnach ein Konzernsprecher. Ob die Kündigung jedoch direkt mit der Kritik an dem Waldschutzprojekt zu tun hat, blieb offen.

Neben Gucci distanzieren sich weitere Unternehmen vom umstrittenen Waldschutzprojekt «Kariba». Wie der «SRF» berichtete, sind auch auf den Webseiten von Nespresso, Lavazza oder Booking.com Hinweise auf das Projekt verschwunden.

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