Vorgaben verschärftVersicherung streicht Behandlungen – auch für Schwerkranke
Samuel Walder
15.10.2024
Die Groupe Mutuel verschärft ihre Vorgaben für die Rückerstattung von alternativmedizinischen Behandlungen. Betroffene kritisieren die Änderung scharf und leiden darunter.
Samuel Walder
15.10.2024, 11:49
Samuel Walder
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Eine 26-jährige Frau mit chronischen Schmerzen erhält von ihrer Zusatzversicherung bei Groupe Mutuel nur noch maximal neun statt 18 medizinische Massagen pro Jahr.
Groupe Mutuel verlangt nun bei häufiger Nutzung von alternativen Therapien einen ärztlichen Nachweis.
Versicherungen müssen die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit solcher Leistungen sicherstellen.
Versicherungen in der Schweiz sollen Kund*innen das Leben vereinfachen. Die Groupe Mutuel setzt jetzt neue Massstäbe für Menschen, die auf eine Versicherung angewiesen sind.
Eine 26-jährige Frau aus dem Kanton Freiburg hat bereits zehn Rückenoperationen hinter sich und leidet unter starken chronischen Schmerzen. Um ihre Beschwerden zu lindern, benötigt sie regelmässig medizinische Massagen. Bislang wurden diese von der Zusatzversicherung der Groupe Mutuel abgedeckt – insgesamt 18 Sitzungen pro Jahr, was einer Massage alle drei Wochen entspricht, wie das SRF schreibt.
Doch Ende Juni kam der Schock. Wie alle Kund*innen mit einer Zusatzversicherung bei der Groupe Mutuel erhält auch die 26-Jährige einen Brief der Firma. Darin zu entnehmen ist: Wenn man alternativmedizinische Behandlungen wie Massagen, Akupunktur oder Osteopathie «übermässig» in Anspruch nehme, gebe es Einschränkungen bei der Rückerstattung. Oder Groupe Mutuel verlange einen zusätzlichen Nachweis, wie zum Beispiel einen Arztbericht. Dieser müsse belegen, dass man die Behandlungen auch wirklich zu therapeutischen Zwecken braucht.
Falsche Informationen am Telefon
Eine Mitarbeiterin der Groupe Mutuel erklärte der jungen Frau am Telefon, sie bekomme nur noch maximal neun Behandlungen pro Jahr. Egal, ob ein Bericht des Arztes oder der Therapeutin vorliegt.
Der Unterschied zu vorher ist gross. Statt alle drei Wochen kann sie jetzt nur noch alle sechs Wochen zur Behandlung gehen. Ihre Lebensqualität sei dadurch stark vermindert, erzählt sie dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Auch könne sie nur 50 Prozent arbeiten und sich die Behandlungen zusätzlich zur Prämie nicht leisten.
«Esspresso» fragt bei Groupe Mutuel daraufhin nach, warum man der 26-Jährigen die «dringend benötigten» Massagen verwehrt. Groupe Mutuel schreibt: «Im Falle von schweren Krankheiten […] werden wir einen Bericht eines Arztes verlangen, um dies genauer zu beurteilen und allenfalls weitere Sitzungen zu übernehmen.» Die Frau sei am Telefon falsch informiert worden, dafür entschuldige man sich.
Das Verfahren ist von Versicherung zu Versicherung anders
Das SRF schreibt in ihrem Bericht: Leistungen, die von der Zusatzversicherung übernommen werden, müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Diese Bedingungen gab es schon immer, wie auch die Ombudsstelle Krankenversicherung bestätigt. Wie die Kassen diese Kriterien überprüfen, ist unterschiedlich.
Für eine Ablehnung weiterer Behandlungen brauche es jedoch zwingend einen Bericht einer Ärztin oder eines Therapeuten, so die Ombudsstelle. Nur so können die Kriterien nach Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft werden.
Die Groupe Mutuel zieht die Schraube also an. Denn immer mehr Versicherer immer mehr Leistungen der Alternativmedizin beziehen. Dies wurde der Versicherung zu teuer. Ohne medizinischen Nachweis übernimmt Groupe Mutuel nur noch fünf bis acht alternativmedizinische Behandlungen pro Jahr.
Wenn es bei einer Versicherung heisst, sie übernehme Kosten bis zu 5000 Franken, heisst das nicht, dass man als versicherter Leistungen beliebig bis zu diesem Betrag ausschöpfen könne. Die Kriterien von Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit müssen auch in diesem Fall erfüllt sein. Dies gilt auch beim Modell «90% unbegrenzt» der Groupe Mutuel.
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