Experte erklärt den Börsencrash «Da haben einige wohl die Nerven verloren»

alu

5.8.2024

Die Börsen weltweit schreiben in diesen Tagen nur tiefrote Zahlen. (Archivbild)
Die Börsen weltweit schreiben in diesen Tagen nur tiefrote Zahlen. (Archivbild)
KEYSTONE

Börsen weltweit befinden sich seit Tagen im Sturzflug – was sind die Gründe für die tiefroten Zahlen? Ein Experte ordnet die Lage ein.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Christoph Schenk, Chief Investment Officer bei der Zürcher Kantonalbank, erklärt gegenüber blue News den Wirtschafts-Crash.
  • Die Märkte seien nach der Veröffentlichung der US-Wirtschaftsdaten in Panik geraten, weil die Angst einer Rezession umgeht – eine solche erwartet Schenk nicht.
  • Solche Schwankungen seien normal, da müssen Anleger*innen jetzt einfach durchhalten.
  • Wer in Staatsanleihen investiert hat, gehöre jetzt zu den wenigen Gewinnern.

Die Veröffentlichung der US-Wirtschaftsdaten hat an den Börsen hohe Wellen geschlagen. Vor allem der schwache US-Arbeitsmarkt soll zeigen, dass die Wirtschaft in den USA schwächer einzuschätzen ist als gedacht.

Die neuen Daten lösten in den vergangenen Tagen Panik aus. Die Angst vor einem Konjunkturabschwung in den USA und einer möglichen Rezession hat sich nun weltweit verbreitet. Das widerspiegelt sich auch in den Börsen-Indizes.

«Wir sehen keine Rezession»

«Die Wirtschaft verlangsamt sich, sie geht aber nicht in eine Rezession», sagt Christoph Schenk, Chief Investment Officer bei der Zürcher Kantonalbank, zu blue News. Gewisse Investoren seien nun ab den neusten Daten in Panik geraten, weil die US-Zentralbank, das Federal Reserve, die Zinsen noch nicht gesenkt hat.

Laut Schenk ist die Verlangsamung der Volkswirtschaft aber genau die Idee der Inflationsbekämpfung: «Die Zinsen gehen hoch, damit sich die Wirtschaft verlangsamt. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Die Inflation geht runter und die Zentralbanken können die Zinsen wieder senken.» Europa erhole sich langsam davon und in China habe sich die Lage bereits wieder stabilisiert.

Der Markt sei sich die Inflationsbekämpfung nicht mehr gewohnt, das dauere etwas länger. «Da haben einige wohl die Nerven verloren», fährt Schenk fort. Eine Rezession der US-Wirtschaft erwartet er nicht. Nicht jede Inflationsbekämpfung würde in eine Rezession münden, «das ist der normale Zyklusverlauf».

Die anstehenden US-Wahlen im November, die Wahlen in Frankreich oder die Situation im Nahen Osten würden den Markt auch beeinflussen. «Realwirtschaftlich hat das überhaupt keinen Einfluss, aber der Markt mag zusätzliche Unsicherheitsquellen nicht».

«Der japanische Markt hat nicht performt»

Am härtesten hat es diese Tage Japan getroffen. Da wurde ein Minus von fast 13% verzeichnet. «Da gibt es Spieler, die auf weitere Anstiege spekulieren, wie zum Beispiel Hedgefonds. Es gab auch private Investor*innen, die Produkte mit Hebelwirkung hatten», sagt Schenk.

Es würde darauf spekuliert, dass der Markt um 1% steigt und die Hebelprodukte dann viermal so hoch zulegen. «Sie gehen aber auch genauso wieder runter», was dann zu kurzfristigen Panik-Eingriffen führe und Überreaktionen der Märkte.

Diese spekulativen Investor*innen würde es immer am härtesten treffen, weil sie denken, der Trend würde so weitergehen.

Seit 1987 hat der japanische Mart keinen solchen Kurssturz erlebt, doch auch hier relativiert Schenk: «Der Aktienmarkt in Japan hat in den letzten 30 Jahren nicht performt. Er ist nie angewachsen, weshalb er nie abgestürzt ist».

Anleger*innen sollen durchhalten

In der gleichen Zeit habe sich an den Aktienmärkten in den USA oder in der Schweiz einiges getan. Diese Bewegungen würden auch immer schnelle Gegenbewegungen mit sich bringen.

Das ist auch der Grund, weshalb Schenk den Anleger*innen dazu rät, bei der aktuellen Lage nichts zu machen. «Man muss nur die Fundamentaldaten anschauen und die sind nicht so schlecht. Wer ein gutes, diversifiziertes Portfolio hat, der muss nur ein bisschen durchhalten.»

Staatsanleihen sind sichere Investitionen

Auffällig war auch der Einbruch des Bitcoin-Kurses. «Obwohl Bitcoin, wie es der Name schon sagt, eine Münze sein sollte, ist es keine Währung wie ein Schweizer Franken oder ein US-Dollar», sagt Christoph Schenk dazu. Diese Währungen hätten ein stabiles politisches System dahinter und repräsentieren die Volkswirtschaft.

Das sei bei Bitcoin nicht der Fall, weil es eine Technologie aus der Computerbranche ist und gleich anfällig sei wie andere Techstocks. «Es sind spekulative Positionen von Leuten, die glauben, dass es hochgeht, sie haben aber keine volkswirtschaftliche Abstützung.»

«Jetzt, wo die Unsicherheit über die Zukunft grösser geworden ist, leidet alles, was spekulativer ist, als zum Beispiel Staatsanleihen der Schweiz», schliesst Schenk ab. Wer in Staatsanleihen investiert hat, gehöre jetzt zu den wenigen Gewinnern.

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