Türkei will Streuner tötenSo gehen die Schweiz und andere Länder mit Strassenhunden um
tafi/dpa
30.7.2024
Einsammeln und in bestimmten Fällen töten: Die türkische Regierung will Millionen streunender Hunde loswerden. Wie gehen die Schweiz und andere Länder mit Strassenhunden um?
tafi/dpa
30.07.2024, 22:03
Andreas Fischer
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Das türkische Parlament hat ein strenges Gesetz gegen Millionen streunende Hunde auf den Strassen beschlossen. Die Tiere könnten eingeschläfert werden.
Auch in der Schweiz ist es grundsätzlich möglich, Strassenhunde auf behördliche Anweisung zu töten.
Wie andere Länder mit Strassenhunden umgehen, erfährst du in der Übersicht.
In der Türkei gibt es Schätzungen zufolge rund vier Millionen Strassenhunde. Sie sollen nun eingefangen und in bestimmten Fällen – wie Krankheit oder Aggression – eingeschläfert werden.
Doch Aktivisten laufen Sturm gegen das neue Gesetz, auch weil den Millionen Strassenhunden bislang nur rund 100’000 Tierheimplätze gegenüberstehen. Schon jetzt leben Heimtiere oft unter erbärmlichen Bedingungen.
Tierschützer fürchten in der Praxis deshalb eine Massentötung. Sie wollen an der alten Regelung festhalten: einfangen, kastrieren, impfen und wieder in das Herkunftsgebiet aussetzen - das gilt bei konsequenter Umsetzung als bewährte Methode, um die Strassentierpopulation zu senken.
Wie gehen andere Länder in Europa mit herrenlosen Tieren um?
Schweiz
In der Schweiz gilt ein strenges Tierschutzgesetz. Es ist verboten, Hunde und andere Tiere auszusetzen: Als Strafe drohen bis zu drei Jahre Gefängnis. Wer hierzulande einen Hund halten will, muss das Haustier bei der kantonalen Behörde registrieren.
Die Haltung ist streng reglementiert, je nach nach Wohnkanton gelten unterschiedliche gesetzliche Regelungen. In einigen Kantonen ist es Pflicht, vor der Anschaffung einen Kurs (Sachkundeausweis/SKN) zu absolvieren.
Strassenhunde sind aus diesen Gründen in der Schweiz selten. Das primäre Ziel ist es, Streuner an neue Halter zu vermitteln. In einigen Kantonen ist es aber auch möglich, dass entlaufene Hunde, deren Halter nicht ermittelt werden können, getötet werden. Hunde, die wiederholt Wildtiere verfolgen, können ebenfalls durch befugte Personen abgeschossen werden.
Eine Übersicht über kantonale Regelungen findest du hier.
Deutschland
Deutschland hat nach Einschätzung des Deutschen Tierschutzbundes grundsätzlich eine gute Infrastruktur an Heimen, die sich um Tiere in Not kümmern und deshalb kein Problem mit Strassenhunden. Doch die Einrichtungen sind überlastet, viele haben einen Aufnahmestopp erlassen. Vor allem nach der Corona-Pandemie hat sich die Lage zugespitzt.
Im Gegensatz zu anderen Ländern lehnt Deutschland Euthanasie von Tieren strikt ab, sie dürfen laut Tierschutzbund nur im Einzelfall eingeschläfert werden. Etwa dann, wenn sie unheilbar krank sind, um weiteres Leiden zu vermeiden. Die Entscheidung darüber müsse eine Ethikkommission treffen.
Griechenland
In Griechenland ist seit 2021 ein strenges Tierschutzgesetz in Kraft - so sind Halter unter anderem verpflichtet, ihre Tiere registrieren und kastrieren zu lassen. Die Zahl der herrenlosen Tiere bleibt jedoch trotz Gesetzen und des verzweifelten Einsatzes von Tierschutzorganisationen hoch: Weit über drei Millionen streunende Katzen und Hunde soll es in Griechenland geben, genaue Zahlen liegen nicht vor.
Bei den Hunden gibt es vor allem in bergigen, unbewohnten Regionen des Landes ein Problem: Dort streunen Erhebungen zufolge rund 70'000 herrenlose Schafhütehunde umher, die von Schäfern ausgesetzt oder verlassen wurden. Die grossen Tiere werden in Rudeln auch zur Gefahr für Mensch und Nutztiere.
Getötet werden dürfen gesunde Hunde und Katzen in Griechenland nicht, weder vom Staat noch von Ärzten oder gar Privatleuten. Stattdessen hat der Staat im vergangenen Jahr ein Programm in Höhe von 15 Millionen Euro aufgelegt, das Gemeinden dabei unterstützen soll, streunende Tiere kastrieren zu lassen.
Grossbritannien
Euthanasie von streunenden Hunden ist nach einer Verwahrfrist von sieben Tagen grundsätzlich erlaubt, in der Praxis wird dies aber oft nur angewandt, wenn das Tier unheilbar krank oder aggressiv ist. Die lokale Behörde fängt das Tier ein und versucht, den Halter zu ermitteln. Findet sich niemand, wird es meist in ein Heim abgegeben, dort ist das Ziel die Wiedervermittlung. Ob das Tier bei Nicht-Vermittlung eingeschläfert wird, liegt in der Initiative der Einrichtung. Viele Heime haben eine «no kill»-Regelung.
Frankreich
Auch in Frankreich liegt die letztliche Entscheidung über das Schicksal des Tieres in der Verantwortung der Heime. Streunende Katzen und Hunde werden im Auftrag der Kommunen von Tierheimen eingefangen und gehen binnen acht Tagen in deren Eigentum über, wenn sich kein Besitzer findet. Ein Veterinär kann auch das Einschläfern wegen Krankheit, Gefährlichkeit oder anderen Gründen anordnen. Tierschutzorganisationen zufolge passiert das in der Praxis bei schwer vermittelbaren und problematischen Tieren.
Spanien
Das Urlaubsland liegt bei der Zahl der jährlich ausgesetzten Hunde im internationalen Vergleich weit vorn. 2022 wurden rund 170'000 Hunde verstossen oder gingen verloren. Als häufigsten Grund nennt die Stiftung Affinity ungewollten Nachwuchs. Dennoch sind herrenlose Hunde selten anzutreffen und gelten deshalb auch nicht als Problem. Sie werden von entsprechenden Diensten meist schnell in Tierheime gebracht, wo man hofft, sie neuen Haltern vermitteln zu können. Das klappt aber nur bedingt, sodass die landesweit rund 1.500 Tierheime oft überfüllt sind, was für die Tiere sehr viel Stress bedeutet.
Die Tötung von Hunden ist nach einem neuen Tierschutzgesetz vom vergangenen September auf Fälle beschränkt, in denen das Tier wegen einer unheilbaren Krankheit übergrosses Leid ertragen muss. Allerdings fallen nur solche Hunde unter den Schutz des Gesetzes, die als Haustiere Begleiter des Menschen sind. Jagdhunde wie der Galgo, der spanische Windhund, sind ausgeschlossen.
Italien
Seit 1991 ist das Töten von Strassenhunden in Italien per Gesetz verboten. Allerdings hat sich in Italien ein System von Tierlagern etabliert, in denen die Zustände laut Tierschützer katastrophal sind. In den sogenannten Hundezwingern (canile) werden die Tiere demnach auf engstem Raum zusammengepfercht, oft unter freiem Himmel, und nur notdürftig versorgt. Nach Angaben von Tierschutzorganisationen sind die Betreiber dabei lediglich auf Profit aus, denn für jedes Tier kassieren sie staatliche Unterstützung.
Nach einer Statistik der Carabinieri wurden im vergangenen Jahr schätzungsweise 50'000 Hunde ausgesetzt – vor allem im Süden und in der Landesmitte in den Urlaubsmonaten Juli und August.
Rumänien
Das Verfassungsgericht hat in Rumänien 2013 ein Gesetz genehmigt, nach dem die Kommunen eingefangene Hunde lediglich 14 Tage lang in Tierheimen versorgen müssen und sie anschliessend einschläfern dürfen. Immer wieder wird - ähnlich wie in der Türkei - berichtet, dass Rudel von Streunerhunden Menschen angreifen.
Rumänien gilt auch als Negativbeispiel für den Umgang mit den Tieren. Zwar dürfen nur Veterinäre die Euthanasie durchführen. Tierschützer berichten aber davon, dass Hunde verhungern, erhängt oder erschlagen werden. In der Praxis ist die Umsetzung des Gesetzes schwer zu kontrollieren und nicht einheitlich im ganzen Land. Zahlen darüber, wie viele Hunde eingeschläfert wurden, gibt es nicht. Gelöst ist das Problem der Strassenhunde in Rumänien nicht.
Tierschutzorganisationen haben beim Bund am Montag eine Petition gegen Tierversuche eingereicht. Es seien über 40'000 Unterschriften für das Anliegen zusammengekommen, teilten die Organisationen mit. Sie fordern einen schrittweisen Ausstieg aus Tierversuchen in der Schweiz. Dazu braucht es aus Sicht der Tierschutzorganisationen einen Ausstiegsplan mit konkreten Meilensteinen, bis wann welche Tierversuche durch tierfreie Methoden ersetzt werden.