Homeoffice befeuert TrendFirmen überwachen ihre Angestellten stärker
Von Alex Rudolf
16.1.2022
Wer seinen Blick vom Bildschirm abwendet, stempelt automatisch aus: Diese in den USA angewendete Technologie ist in der Schweiz noch in weiter Ferne. Doch auch hier gibt es mehr und mehr Überwachung.
Von Alex Rudolf
16.01.2022, 16:12
16.01.2022, 16:16
Alex Rudolf
Arbeitgeber ziehen die Zügel an. Aus einer jüngst erschienenen Umfrage von «Vanson Bourne» bei Unternehmen mit total 7600 Angestellten aus 20 Ländern geht hervor:
Rund 70 Prozent haben bereits Technologie angeschafft, um die Produktivität ihrer Mitarbeiter*innen zu überwachen oder planen, dies zu tun. Gleichzeitig ist vielen Angestellten nicht klar, dass die Kontrolle zunimmt.
«Es kommt immer wieder vor, dass sich Arbeitnehmende nicht bewusst sind, dass ihr Verhalten am Arbeitsplatz durch den Einsatz moderner IT-Mittel recht weitgehend überwacht werden kann,» sagt Roger Rudolph zu blue News. Der Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich verweist darauf, dass einige Urteile aus jüngerer Vergangenheit dies zeigen.
Schweizer Unternehmen nahmen an besagter Studie nicht teil, weshalb zum hiesigen Arbeitsmarkt keine Zahlen existieren. Doch ungenannte Quellen sagen zur «Tribune de Genève», dass die Pandemie dazu genutzt werde auch hier, unproduktive Angestellte ausfindig zu machen – dies auch mithilfe moderner Technologien.
Der Zeitung sagt etwa der Lausanner Anwalt David Raedler, dass solche Software auch immer öfter in der Schweiz zur Anwendung kommt. «Und da es immer mehr Software auf dem Markt gibt, die es erleichtert Mitarbeiter zu überwachen, wird es auch immer mehr Verfahren zu diesem Thema geben.»
Wie wirkt sich dies auf die Schweizer Arbeitnehmenden aus? Immerhin beschäftigen auch hierzulande zahlreiche internationale Grossunternehmen Zehntausende Angestellte.
Rudolph sagt, dass die Rechtslage in solchen Fällen in der Tat nicht eindeutig ist. «Für mich ist aber klar, dass eine Überwachungsmassnahme, die sich faktisch in der Schweiz auswirkt, indem Arbeitnehmende mit Arbeitsort Schweiz überwacht werden, dem schweizerischen Arbeits- und Datenschutzrecht genügen müssen.»
«Es kommt immer wieder vor, dass sich Arbeitnehmende nicht bewusst sind, dass ihr Verhalten am Arbeitsplatz durch den Einsatz moderner IT-Mittel recht weitgehend überwacht werden kann.»
Roger Rudolf
Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich
So ist in der Schweiz die systematische Verhaltensüberwachung von Arbeitnehmenden illegal. «Allerdings können Überwachungs- und Kontrollmassnahmen dann zulässig sein, wenn sie aus anderen Gründen erforderlich sind», sagt Rudolph. Wenn es also nicht primär um die Verhaltensüberwachung gehe, sondern beispielsweise um die Sicherheit. So ist die Videoüberwachung bei Juweliergeschäften zu begründen. «Die Mitarbeiter werden darüber aber informiert.»
Spyware ist in der Schweiz unzulässig
Auch weit verbreitete Technologien bieten neue Tools zur Überwachung. Beim Online-Kommunikations-Tool «Zoom», das zahlreiche Schweizer Unternehmen verwenden, können neu Säumige oder Abwesende registriert werden.
Dies ist laut Rudolph noch vertretbar. «Hingegen wäre es unzulässig, unbemerkt die PC-Kamera zu aktivieren, um Arbeitnehmende bei ihrem Tun zu beobachten. Auch der Einsatz einer Spyware, die ohne Wissen der Arbeitnehmenden während Wochen die besuchten Webseiten aufzeichnet, wurde vom Bundesgericht als unzulässig erachtet.»
Verglichen mit den Massnahmen, die in den USA teilweise ergriffen werden, erlaubt das Schweizer Recht also nur wenig Überwachung. So berichtete etwa die «Washington Post» über eine Software, die via Laptop darauf achtet, dass der Arbeitnehmende den Blickkontakt zum Bildschirm nicht verliert.
Eine Juristin berichtet der Zeitung über den Mechanismus. Schaue sie zu lange vom Bildschirm weg oder verrücke ihren Stuhl, mache sie der Computer darauf aufmerksam. Sie wird aus dem System ausgeschlossen. Anschliessend müsse sie ihr Gesicht aus drei verschiedenen Winkeln scannen, um die Arbeitszeit erneut zu erfassen.
Was machen die Arbeitnehmer?
Die Studie zeigt auch, dass sich die Angestellten nicht alles gefallen lassen. Denn mit immer mehr Kontrolle steigt auch das Bedürfnis, das System und seine Kontrollen zu umgehen.
Auf TikTok beispielsweise zirkulieren verschiedene Videos, die millionenfach angeschaut wurden, in denen Software oder Gadgets angepriesen werden, die Maus-Bewegungen simulieren. Wer sich keine Software leisten will, der kann auch seinen Hund darauf abrichten, die Computermaus hin und wieder zu bewegen.