blue News trifft Thierry Burkart «FDP bleibt nichts anderes übrig, als mit SVP zusammenzuspannen»

Von Alex Rudolf und Nicole Agostini (Video)

25.6.2023

5 Fragen an FDP-Chef Thierry Burkart: Welche Superkraft hätten Sie gerne?

5 Fragen an FDP-Chef Thierry Burkart: Welche Superkraft hätten Sie gerne?

Songidee statt Wahlkampf-Strategie: FDP-Präsident Thierry Burkart stellt sich eher ungewöhnlichen Fragen von blue News.

22.06.2023

Dass es im kommenden Winter zur Abwahl einer seiner Bundesräte kommt, glaubt FDP-Präsident Thierry Burkart nicht. Im Gespräch mit blue News spricht er über die Wahlen im Herbst, aber auch über den Finanzplatz Schweiz und die Energieversorgung der Zukunft.

Von Alex Rudolf und Nicole Agostini (Video)

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • FDP-Präsident Thierry Burkart stellt sich den Fragen von blue News.
  • Die Themenbereiche umfassen die Energieversorgung, die parlamentarische Untersuchungskommission zur CS und natürlich die Wahlen von kommendem Herbst.

Herr Burkart, SVP und FDP waren wohl noch nie weiter voneinander entfernt: Wäre ein Schulterschluss mit dem Umfrage-Sieger nicht verlockend?

Wir sind unterschiedliche Parteien und vertreten unterschiedliche Positionen. Wo es Überschneidungen gibt, arbeiten wir zusammen.

Was halten Sie von Listenverbindungen?

Ich finde das Instrument der Listenverbindungen grundsätzlich falsch und bin der Auffassung, dass man es abschaffen sollte. Aber solange sie existieren, müssen die Parteien nach diesen Regeln spielen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Die Mitte wird da und dort mit den Grünliberalen und diese oftmals mit den linken Parteien eine Listenverbindung eingehen. Uns bleibt daher nichts anderes übrig, als mit der SVP zusammenzuspannen. Die Zusammenarbeit ist aber von Kanton zu Kanton und historisch bedingt unterschiedlich. Bei uns entscheiden die Kantonalparteien. Ich mache keine Vorgaben.

Rein rechnerisch haben die Grünen schon heute mehr Anrecht auf ihren ersten als die FDP auf ihren zweiten Sitz in der Regierung.

blue News trifft

Im Wahljahr 2023 trifft blue News die Präsident*innen der grossen Parteien. Bereis erschienen sind die Gespräche mit SVP-Präsident Marco Chiesa, SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer, Mitte-Präsident Gerhard Pfister, Grünen-Präsident Balthasar Glättli und GLP-Präsident Jürg Grossen. Falls du Fragen an einen der Präsident*innen hast, dann schreibe sie hier in die Kommentarfunktion. Deine Meinung interessiert uns.

Die Zauberformel bedeutet nicht, dass jede Partei ein wenig im Bundesrat vertreten sein darf, sondern dass die stärksten drei Parteien zwei und die viertstärkste einen Sitz in der Regierung hat. Eine grüne Vertretung wäre ein klarer Linksrutsch und ich zweifle, dass die Schweizer Bevölkerung dies will.

Kommt es im nächsten Herbst zu einer Abwahl?

Traditionellerweise wählt das Parlament ohne Not keine Bundesräte ab. Ich gehe davon aus, dass dies auch im kommenden Herbst der Fall sein wird. Zudem erwarte ich, dass die Grünen verlieren und wir die Wahlen gewinnen, womit sich die Sache ohnehin erledigt hat.

Was erhoffen Sie sich von der CS-PUK

Sie soll ergründen, was sich genau zugetragen hat und wo die Fehler passiert sind. Einerseits stehen hier die Manager in der Verantwortung, aber auch die verschiedenen Aufsichtsgremien sollen genau unter die Lupe genommen werden. Ich will wissen, was wir in Zukunft besser machen können. Für politische Forderungen, die schon von praktisch jeder Partei ausser der FDP gestellt wurden, ist es noch viel zu früh.

Kann so der Name des Schweizer Finanzplatzes wieder reingewaschen werden?

Wir brauchen eine neue Finanzplatzstrategie, die unsere internationale Positionierung, aber auch unseren Umgang mit der sehr grossen UBS festlegt. Weiter soll geklärt werden, wie wir mit der Boni-Thematik umgehen. Eine solche Strategie hat die FDP vom Bundesrat gefordert.

Etwas, das die Schweizer*innen umtreibt, ist die Wohnungsknappheit. Die FDP präsentierte einen Plan, der unter anderem mehr Wohnungsbau fordert. Haben Sie in linken Städten damit eine Chance?

Wir stellen seit Jahren eine Wohnungsknappheit in links regierten Städten fest. Das ist darauf zurückzuführen, dass das Bauen, Umbauen und Umnutzen schwieriger und schwieriger geworden ist aufgrund der Regulationen der Behörden. Mittlerweile dauert es in Zürich ein Jahr, bis einem simplen Baugesuch stattgegeben wird. Danach beginnt der Rechtsweg erst. Wer Wohnraum erstellen will, trifft auf ein unglaublich bau-feindliches Klima. Nur wenn die linken Städte von ihrem Programm abkommen und die Regeln lockern, wird sich dies bessern.

Dann bringt also auch der Plan der FDP nichts?

Wir haben auf Bundesebene zwar gewisse Möglichkeiten, die sind allerdings in der Tat begrenzt. Das grösste Verbesserungspotenzial hat die städtische Politik. Den linksregierten Städten ist die Ideologie aber offensichtlich wichtiger als das Wohlergehen der Menschen.

In der Sommersession gelang Ihrer Partei fast der Coup mit einem Gegenvorschlag zur Renten-Initiative. Sind Sie noch enttäuscht, dass es doch nicht geklappt hat?

Ja, das bin ich. Eine der grössten Aufgaben der Schweizer Politik ist die langfristige Sicherung der Renten. Wir haben keine Antwort auf das Problem, dass wir bis 2050 ein Defizit von über 100 Milliarden Franken in der AHV haben werden, wenn wir nun nicht handeln. Unser Rezept: Eine moderate Erhöhung des AHV-Eintrittsalters gepaart mit einer Koppelung an die Lebenserwartung. Erst sah der Nationalrat dies auch so. Doch er entschied sich um, weil er vor den Wahlen nicht ehrlich sein will zu den Leuten. Damit zeigt sich das Parlament vor den Wahlen reformunfähig – ich hoffe für die Schweiz – dass sich das nach den Wahlen wieder ändert.

Die Erhöhung des Frauen-Rentenalters wurde nur haarscharf angenommen. Ihre Idee bliebe wohl chancenlos.

Ich bin überzeugt, dass sie eine Chance hat. Das Stimmvolk hat stets uneigennützig und für das Wohl aller entschieden. Darf ich Sie an die Ablehnung der Initiative für sechs Ferienwochen erinnern. In den Gemeinden werden immer wieder Steuerfuss-Senkungen abgelehnt. Das Stimmvolk ist mündiger als viele denken.

Kritiker*innen sagen, dass nur die Ärmeren länger arbeiten müssen, weil die Gutbetuchten schon heute in Frührente gehen.

Wir können gerne darüber diskutieren, ob das Lebens-Arbeitszeit-Modell das richtige ist. Wer früher ins Erwerbsleben eintritt, soll auch früher pensioniert werden – da sind wir von der FDP durchaus offen. Es ist nun einmal etwas Anderes, ob ich 30 Jahre auf dem Bau gearbeitet habe oder im Büro. Es gibt viele Menschen, die gerne freiwillig länger arbeiten. Auch hier gilt es, Hürden abzubauen, denn der Arbeitskräftemangel spitzt sich mehr und mehr zu.

Würde eine Erhöhung des Rentenalters tatsächlich ausreichen?

Eine Studie hat ergeben, dass bei der Annahme unserer Initiative das hiesige Potenzial an Arbeitskräften besser ausgeschöpft werden könnte. Dadurch wäre zudem ein Rückgang der Zuwanderung um 23 Prozent verbunden. Das müsste schliesslich auch den Wählerinnen und Wählern der SVP gefallen.

Sie kritisieren immer wieder Teilzeit-Arbeitsmodelle. Ist Ihnen die Gleichstellung nicht sehr wichtig?

Ganz im Gegenteil. Jede und jeder soll sein Leben so gestalten, wie er oder sie will. Ich weise aber darauf hin, dass es problematisch ist, wenn der Staat teuer ausbildet, anschliessend aber die Arbeitskräfte fehlen. Wir müssen Anreize schaffen, dass beispielsweise Frauen wieder vermehrt in den Arbeitsprozess einsteigen wollen. Unsere Initiative für die Individualbesteuerung ist hierfür das richtige Mittel. Denn Arbeit muss sich lohnen.

Weiter zum Thema Energie: Sie setzen sich dafür ein, dass die Kernkraft wieder eine Option ist. Die Gegnerschaft davon ist vehement und geht weit bis in die Mitte.

Wir haben derzeit zwei Ziele und Herausforderungen. Wir wollen eine sichere und bezahlbare Energieversorgung und wir wollen klimaneutral werden. Bei den erneuerbaren Energien müssen wir enorm viel ausbauen – in Wasser-, Wind- oder Sonnenenergie. Das ist sehr anspruchsvoll – vorwiegend aufgrund von Einsprachen linker Verbände. In der Energiestrategie 2050 ist vorgesehen, dass, um eine Versorgungslücke zu verhindern, Gas-Kraftwerke gebaut werden sollen. Damit würde die Schweiz ihre Klimaziele verfehlen. Gas ist aber auch nicht sinnvoll, weil wir dann wieder von autokratischen Staaten abhängig sind. Daher finde ich, dass neben einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien die modernste Kernkraft wieder ins Auge gefasst werden muss.

Laut Expert*innen würde es Jahrzehnte gehen, bis ein neues AKW ans Netz gehen könnte.

Natürlich würde ein KKW nicht die drohende Strommangellage der nächsten Jahre verhindern können. Aber wir brauchen künftig viel mehr Strom. Die Dauer bis zur Erstellung ist auch aufgrund des gesetzlichen Prozesses derart lange, da könnte das Parlament etwas daran ändern. Aber auch mit Blick auf die Grimsel-Staumauer, die seit 20 Jahren erhöht werden soll, stelle ich fest, dass wir ein Problem haben. Die Bewilligungsverfahren und Rechtsmittel-Möglichkeiten sind zu umfangreich und langwierig. Ohne Kürzung dieser Verfahren schaffen wir es nicht, auch künftig im Winter genügend und CO2-freien Strom zu haben.

Dieses Jahr sollen so viele Flüchtlinge wie zuletzt 2015 in die Schweiz kommen. Der Ständerat versenkte zusätzliche Container-Dörfer. Was nun?

Die gesetzlichen Vorgaben sind nicht erfüllt. Zudem verfügt der Bund über 10'000 Plätze für Asylsuchende, von denen erst rund 50 Prozent belegt sind. Daher waren wir im Ständerat gegen die Anschaffung solcher Container für rund 130 Millionen Franken.

Wie soll die Schweiz generell auf die steigenden Asylzahlen reagieren?

Die Schweizerische Asylpolitik soll hart, aber fair sein. Diejenigen, die einen Asylgrund haben, müssen aufgenommen, die anderen so schnell wie möglich zurückgeführt werden. Wir haben rund 5000 Asylsuchende, die derzeit auf eine Rückführung in ihr Heimatland warten. Diese Arbeit muss erst gemacht werden, bevor neue Container angeschafft werden.