Klimaerwärmung Toter Pizol – auch diese Schweizer Gletscher liegen im Sterben

Von Silvana Guanziroli

21.8.2019

Der Lischanagletscher im Unterengadin. Mittlerweile ist er in viele Teile zerbrochen. Eine grössere zusammenhängende Fläche existiert vom einstigen Plateaugletscher nicht mehr.
Der Lischanagletscher im Unterengadin. Mittlerweile ist er in viele Teile zerbrochen. Eine grössere zusammenhängende Fläche existiert vom einstigen Plateaugletscher nicht mehr.
GLAMOS, Schweizerisches Gletschermessnetz

Mit dem Klimawandel schmelzen auch die Alpengletscher dramatisch. Für den Pizol findet im September schon eine Gedenkfeier statt. Messungen zeigen: Weitere Schweizer Gletscher liegen im Sterben. 

Sie existieren nur noch in Miniatur-Ausführung: Sechs Gletscher in der Schweiz sind akut vom Wegschmelzen bedroht. Übrig geblieben sind noch kleine Eisflächen ohne die klassischen Merkmale eines Gletschers. Das United States Geological Survey definiert diese wie folgt: Ein Gletscher muss eine Dicke von 30,48 Meter und eine Oberfläche von 0,1 Quadratkilometern aufweisen. Diese Masse brauche es für die charakteristische Eigenbewegung.

Gemäss den Messungen des Schweizerischen Gletschermessnetzes (GLAMOS) liegen die sechs Gletscher deutlich unter diesen Werten – es handelt sich um Zahlenmaterial von 2018. Die Messdaten aus diesem Sommer, der temperaturmässig erneut über dem Jahresmittel lag, liegen noch nicht vor.

Hier schmilzt das ewige Eis besonders schnell weg. 

Bluewin

In 150 Jahren fast verschwunden

Beim Gletscher mit der mittlerweile kleinsten Fläche handelt es sich um den Lischanagletscher im Unterengadin. Mitte des 19. Jahrhunderts bedeckte dieser eine Fläche von rund vier Quadratkilometern. Heute sind es gerade noch deren 0,014. 

Der Lischanagletscher heute und eine Zeichnung von 1922. Damals bedeckte der Gletscher noch die ganze Bergkante.
Der Lischanagletscher heute und eine Zeichnung von 1922. Damals bedeckte der Gletscher noch die ganze Bergkante.

Ebenfalls in den letzten Zügen liegt der Blauschnee-Gletscher am Säntis. Dieser ist bis auf eine schmale, noch rund 20 Meter dicke Eismasse am Fuss der Felswand zurückgeschmolzen. Der Gletscher hat bis heute überlebt, weil er mehrheitlich im Schatten liegt und  stark schuttbedeckt ist. Er hat noch eine Gesamtfläche von 0,041 Quadratkilometern.

Der Blauschnee-Gletscher am Säntis.
Der Blauschnee-Gletscher am Säntis.
GLAMSOS

Fast nicht mehr existent ist der Ghiacciaio di Val Torta im Kanton Tessin. Der Gletscher hat heute noch eine Gesamtfläche von 0,06 Quadratkilometern.

Der Ghiacciaio di Val Torta im Norden des Kantons Tessin.
Der Ghiacciaio di Val Torta im Norden des Kantons Tessin.
GLAMOS

Die gleiche Grösse weisst auch der Schwarzwasserfirn bei Hosepental im Kanton Uri auf. 

Der Schwarzwasserfirn oberhalb von Hospental.
Der Schwarzwasserfirn oberhalb von Hospental.
GLAMOS

Damit ist er genau gleich gross, wie der Pizolgletscher oberhalb von Sargans im Kanton St. Gallen. Für diesen findet im September, wie vor zwei Tagen in Island für den Okjökull-Gletscher, eine Totenmesse und Gedenkfeier statt. Neben Klimaaktivisten wird an der Feier auch ein Pfarrer teilnehmen und eine Messe abhalten.

Dass die sechs gefährdeten Gletscher heute noch nicht alle für tot erklärt werden, hat laut Experten auch mit der jeweiligen Lage zu tun. Liegt der Gletscher vermehrt im Schatten, ist die Chance gross, dass das Eis in der heutigen Form noch einige Jahre überleben wird.

Grundsätzlich gilt jedoch: «Auf einer Höhenlage von rund 3'000 Metern ist die Lage dramatisch. Gletscher wachsen oder erhalten ihre Grösse durch den Schnee, der im Winter fällt», wie der Glaziologe Andreas Bauder erklärt – er forscht an der ETH Zürich und ist Teil von GLAMOS. «Schmilzt dieser Schnee im Sommer aber komplett weg, dann ist das Ergebnis klar.»

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