«Zehn Millionen als Grenze» SVP plant neue Zuwanderungs-Initiative

Von Stefan Michel

17.12.2022

Reisende zwischen der grossen Halle und der Perronunterführung im Bahnhof Bern. 
Reisende zwischen der grossen Halle und der Perronunterführung im Bahnhof Bern. 
Keystone

Gut zwei Jahre nach Ablehnung der Begrenzungs-Initiative plant die SVP eine neue Zuwanderungs-Initiative. Dass die Partei an einen Erfolg an der Wahlurne glaubt, bezweifelt ein Experte aber. 

Von Stefan Michel

Die SVP plant eine «Nachhaltigkeits-Initiative». Was unerwartet klingt, ist ein klassisches Anliegen der Partei in neuem Gewand: Die Zuwanderung soll begrenzt werden, weil sie nicht nachhaltig sei.

Noch gibt es keine ausformulierte Vorlage. Was über die Initiative bekannt ist, stammt aus verschiedenen Schweizer Medien. Der Zürcher Nationalrat Thomas Matter bestätigt, dass die Vorlage in Ausarbeitung sei. Der von der «Berner Zeitung» kolportierte Mechanismus sei aber nicht korrekt. Diese hatte ein gestaffeltes Vorgehen beschrieben, sobald die Schweizer Wohnbevölkerung die Neun-Millionen-Grenze überschritten habe.

Matter bestätigt, dass zehn Millionen die Grenze sei, die die Schweizer Bevölkerung nach Ansicht der SVP nicht überschreiten dürfe. Darum müsse die Regierung verpflichtet werden, die Bevölkerung nicht über diesen Wert hinaus wachsen zu lassen, «nur um den Wert eines allfälligen Geburtenüberschusses», fügt er an. Einige Details der Vorlage scheinen bereits definiert zu sein.

Thomas Matter: «Die rote Linie ist überschritten»

Weitere konkrete Aussagen zur Nachhaltigkeits-Initiative will Matter nicht machen. Hingegen erklärt er, warum die SVP die Begrenzung der Zuwanderung als dringlicher denn je ansieht.

«Die rote Linie ist spätestens in diesem Jahr überschritten worden. In den letzten 20 Jahren ist die Bevölkerung um 21 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Deutschland ist im gleichen Zeitraum um 1,6 Prozent gewachsen. Der gesamte Spielraum, den wir in der Infrastruktur hatten, ist aufgebraucht.» Matter nennt das Beispiel der Spitäler: «Da wird Triage gemacht – und das ohne Corona!»

Die Gegenfrage, ob das nicht am Fachkräftemangel liege, kontert er mit der Aussage, der Fachkräftemangel sei eine Folge der Zuwanderung. «Je mehr Leute hierherkommen, desto mehr Dienstleistungen und Ausbau von Infrastrukturen braucht es. Um dies zu bewältigen, braucht es immer noch mehr Fachkräfte. Es ist eine Wendeltreppe, die nur nach oben führt.»

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Die SVP werde den Lead bei der Initiative übernehmen, es werde aber noch abgeklärt, wer sich in welcher Form dafür engagiere. Weitere Organisationen hätten aufgrund der Medienberichte ihr Interesse signalisiert, die Vorlage zu unterstützen. Um welche Gruppen es sich handelt, gibt er nicht bekannt.

Wie stehen die Chancen der Initiative?

2020 hatte die Schweizer Stimmbevölkerung die Begrenzungs-Initiative der SVP mit 61 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Nun will die SVP die Stimmberechtigten erneut für die Begrenzung der Zuwanderung gewinnen. Wie gross sind die Erfolgschancen einer solchen Vorlage?

Polit-Analyst Mark Balsiger schätzt ein: «2023 ist ein eidgenössisches Wahljahr. Es liegt auf der Hand, dass die SVP deshalb eine Volksinitiative mit ihrem Kernthema Ausländer lancieren will. Das bringt Aufmerksamkeit – und die eigene Basis auf die Strasse.»

Nicht überzeugt ist der Polit-Beobachter davon, dass der Titel Nachhaltigkeitsinitiative dem Anliegen hilft. «Eine Erhebung zeigt, dass ein griffig formulierter Titel eine Volksinitiative begünstigt, vorab beim Sammeln von Unterschriften.» Die Volksabstimmung bilde dann freilich eine wesentlich höhere Hürde als die nötigen 100'000 Unterschriften, die es zunächst brauche.

Balsiger ist sich sicher, dass auch die SVP eine realistische Einschätzung macht. «Wenn sie 40 Prozent erreicht, ist das weit über ihrem Wähleranteil und deshalb bereits ein Erfolg.» Viel wichtiger sei es aus der Logik der SVP, dass ihr Anliegen breit thematisiert werde. «Das geschieht im vorliegenden Fall ja bereits, bevor die Initiative überhaupt lanciert ist.» Das Phänomen sei alt, die SVP diktiere einen Teil der Medienagenda.

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