Reaktionen auf Prämien-Schock «Stopp der Pflästerli-Politik, es braucht langfristige Reformen» 

Von Philipp Dahm

26.9.2023

Krankenkassenprämien steigen 2024 im Schnitt um 8,7 Prozent

Krankenkassenprämien steigen 2024 im Schnitt um 8,7 Prozent

Die Krankenkassenprämien steigen 2024 um 8,7 Prozent. Die mittlere Monatsprämie wird sich auf 359.50 Franken belaufen. Grund sind markant gestiegene Gesundheitskosten und weitere Faktoren.

26.09.2023

Die Reaktionen auf die Prämienerhöhungen fallen giftig aus, aber es gibt auch Verbesserungsvorschläge: Die einen wollen höhere Prämien für Reiche, die anderen Zugewanderte und Asylsuchende zur Kasse bitten.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Unmut über die deftige Prämienerhöhung 2024 ist gross: Bürger*innen jedweder Couleur regen sich darüber auf.
  • Bürgerliche und linke Politiker*innen schieben sich in ihren Reaktionen gegenseitig die Verantwortung in die Schuhe.
  • Andere kritisieren die Politik an sich, die sich von Lobbys beeinflussen lasse oder deren Vertreter*innen in Aufsichtsräten von Firmen auf dem Gesundheitswesen sitzen würden.
  • Ein Vorschlag ist, die Prämien künftig an Einkommen und Vermögen zu koppeln. Grüne, SP und Gewerkschaften unterstützen das.
  • Die SVP dagegen will Zugewanderte zur Kasse bitten und Gesundheitsausgaben im Asylwesen kürzen.

Der erneute, kräftige Anstieg der Krankenkassenprämien für 2024 stösst auf der Plattform X alias Twitter auf wenig Gegenliebe.

Während ein «Streik» in Sachen Prämienzahlungen nicht ratsam ist, weil das den Versicherungsschutz entfallen lassen kann, fordert eine Userin aus der Romandie zum «zivilen Ungehorsam» auf, indem die Beiträge erst Mitte oder Ende des Monats entrichtet werden.

Es wird ein «jahrelanger Reformstau» und «Pflästerli-Politik» ausgemacht.

Zu den steigenden Prämien kommen noch die erhöhten Kosten für Medikamente hinzu, ärgert sich dieser User.

Was das rechte politische Lager sagt

Im bürgerlichen Lager schielt so manch ein Politiker nach links, und erkennt dort die Wurzel des Problems:

Als Heilmittel wird da auf «Digitalisierung, flexible Versicherungsmodelle und [das Verhindern] unnötiger Behandlungen» gesetzt.

Was das linke Lager sagt

Im links-grünen Lager werden andere Rezepte ausgestellt: Mehr Ergänzungsleistungen, Ausweitung der Prämienverbilligung und eine «solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens» werden gefordert.

Kritik an der Politik

Polit-Analyst Mark Balsiger mag sich keinem der Lager zuordnen. Im Gegenteil: Für ihn ist ganz allgemein die Politik schuld an der Misere.

Mitunter kommt diese Kritik auch von Politiker*innen selbst: Der Berner SP-Grossrat David Stampfli rät, sich anzuschauen, welche seiner Kolleginnen und Kollegen in einem Aufsichtsrat eines Unternehmens der Gesundheitsbranche sitzen.

Prämien nach Einkommen und Vermögen ausrichten

Ein möglicher Weg, die Prämien zu senken, wäre eine Umkrempelung des Systems: Wenn die Beiträge sich am Einkommen orientieren würden, wäre das gerechter, finden manche.

Auf Kritik, dass nicht das Einkommen, sondern das Vermögen ausschlaggebend sein sollte, geht Grünen-Präsident Balthasar Glättli ein: Er verweist auf einen Vorstoss der Parteikollegin und Nationalrätin Manuela Weichelt, die den Bundesrat auffordert, eben dies zu prüfen.

Klar ist für einige: Sollten sich die Beiträge ohnehin nach Vermögen und Einkommen richten, wären Prämienverbilligungen hinfällig.

Gewerkschaften vs. SVP

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) kritisiert nicht nur die Erhöhung an sich, sondern auch die «Prämiendifferenz zwischen den Kantonen», die nicht mehr tragbar sei.

Der SGB verweist ausserdem auf die Prämienentlastungsinitiative der Gewerkschaft und der SP, die die Beiträge am Einkommen ausrichten will.

Die weiteren Forderungen: «Runter mit den Medikamentenpreisen, weg mit der Überversorgung über Zusatzversicherungen, koordinierte Planung über die Kantonsgrenzen hinweg, Beschleunigung der Ambulantisierung.»

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums positioniert sich die SVP. Sie will, dass Zugewanderte und Asylsuchende zahlen, um die Prämien zu senken. Zugewanderte hätten «noch nichts in unser Gesundheitssystem einbezahlt» und sollten deshalb einen «solidarischen Beitrag» leisten.

Keine Solidarität hat die SVP dagegen mit Asylsuchenden, die die Prämien nicht selbst zahlen können. Dafür habe der Bund 2022 ganze 288 Millionen Franken gezahlt. Insgesamt haben Gesundheitskosten im letzten Jahr allerdings 86 Milliarden Franken verschlungen. Weiter solle «Teilzeit-Optimierern der Riegel» vorgeschoben werden, die weniger arbeiten würden, um weniger Prämien zu bezahlen.