Mächtigstes UNO-Gremium Schweiz übernimmt Vorsitz des Sicherheitsrats

dpa/dor

1.5.2023 - 06:23

Die Schweiz hat am Montag für einen Monat den Vorsitz des UNO-Sicherheitsrats übernommen. Das Image des Landes hat jedoch seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gelitten.

Die Schweiz hat für einen Monat den Vorsitz des UNO-Sicherheitsrats übernommen. Ihre Amtszeit an der Spitze des wichtigsten UNO-Organs begann am Montag um Mitternacht New Yorker Zeit (6.00 Uhr Schweizer Zeit).

Die Rolle ist vor allem protokollarischer Natur: So wird die Schweiz die Sitzungen des UNO-Sicherheitsrats planen und leiten und den Rat gegen aussen vertreten, zum Beispiel gegenüber der UNO-Generalversammlung, wie das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) auf seiner Seite schreibt. Je nach Aktualität kann sie auf Antrag anderer Mitglieder auch Sitzungen einberufen.

Gleichzeitig biete der Vorsitz der Schweiz die Gelegenheit, ihre «Prioritäten in den Fokus zu stellen» und dem Rat «Impulse für sein Handeln» zu geben. Zu diesen Schweizer Prioritäten gehören gemäss EDA die Förderung des nachhaltigen Friedens, der Schutz der Zivilbevölkerung, die Stärkung des humanitären Völkerrechts sowie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Sicherheits- und Friedenspolitik.

Schweiz plant Vorzeigeveranstaltungen

Um diesen Schwerpunkten mehr Gewicht zu verleihen, kann das Präsidium auch eigene Sitzungen organisieren. Deshalb plane die Schweiz zwei solcher «Vorzeigeveranstaltungen»: Eine erste findet bereits am Mittwoch statt: Dann nämlich leitet Aussenminister Ignazio Cassis eine offene Debatte zum Thema «nachhaltigen Frieden fördern».

Ende Mai reist dann Bundespräsident Alain Berset nach New York, um eine offene Debatte zum Thema «Zivilbevölkerung schützen» zu führen. Teilnehmen sollen gemäss EDA auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres und IKRK-Präsidentin Mirjana Spoljaric. Ebenfalls Ende Mai soll Verteidigungsministerin Viola in New York eine Ratssitzung zum 75. Jahrestag der UNO-Friedensmissionen führen.

Die Schweiz, die seit Januar dieses Jahres für zwei Jahre nichtständiges Mitglied des Rates ist, hat sich lange auf diesen Vorsitz vorbereitet. In den letzten Monaten wurden die Teams in Bern, New York und Genf verstärkt. Ein zweiter Vorsitz ist für den Oktober 2024 vorgesehen.

Bemerkenswerte «Schweizer Selbstzufriedenheit»

Das Land will in dieser Rolle seinem Ruf als Vermittlerin und Brückenbauerin gerecht werden, wie UNO-Botschafterin Pascale Baeriswyl in Medien sagte – aber das Ansehen der traditionell neutralen Schweiz hat seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gelitten.

UNO-Botschafterin Pascale Baeriswyl (l.) am 3. Januar 2023, als im UNO-Hauptquartier in New York die Flaggen der Schweiz und der fünf anderen neuen nicht ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats gesetzt wurden.
UNO-Botschafterin Pascale Baeriswyl (l.) am 3. Januar 2023, als im UNO-Hauptquartier in New York die Flaggen der Schweiz und der fünf anderen neuen nicht ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats gesetzt wurden.
Bild: Keystone/EPA/Justin Lane

Der Politikwissenschaftler Christoph Frei von der Universität St. Gallen sagte der Deutschen Presse-Agentur: «In politisch-diplomatischen Kreisen gibt die helvetische Aussenpolitik der vergangenen 18 Monate Anlass zum Kopfschütteln.» Gründe seien etwa das anfängliche Zögern bei der Übernahme der Sanktionen gegen Russland und die anhaltende Weigerung, Verbündeten die Weitergabe von Schweizer Munition an die Ukraine zu erlauben – unter Verweis auf die Neutralität der Schweiz.

Eine Einladung der G7-Staaten, sich an einer Arbeitsgruppe zu beteiligen, die mehr Gelder von Unterstützern des russischen Präsidenten Wladimir Putin aufspüren will, hat sie ausgeschlagen. «Wir sind auf dem Weg, Freunde zu verlieren», sagte Frei.

Die kritische Berichterstattung über die Schweiz habe zwar zugenommen, teilt das Aussenministerium auf Anfrage mit. Aber es gebe bislang keine Hinweise «auf eine deutliche Verschlechterung unserer Gesamtwahrnehmung, die nachhaltige negative Folgen hätte.»

«Die Schweizer Selbstzufriedenheit ist schon bemerkenswert», sagt Frei. «Wir picken gerne Rosinen, andere sagen: Wir sind Opportunisten oder Trittbrettfahrer.» Wegen der Kritik an seinem Heimatland wird Frei angefeindet, wie er sagt. «In diesen Wochen kommen aggressive Reaktionen herein», sagte er. Er erhalte Briefe mit Inhalten wie «Sie sind ein Landesverräter, ein Kriegstreiber, ein Arschloch.»

Die Rolle ist vor allem protokollarischer Natur: So wird die Schweiz die Sitzungen des UNO-Sicherheitsrats planen und leiten und den Rat gegen aussen vertreten, zum Beispiel gegenüber der UNO-Generalversammlung, wie das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) auf seiner Website schreibt. Je nach Aktualität kann sie auf Antrag anderer Mitglieder auch Sitzungen einberufen.

dpa/dor