Tag eins am WEF Ring frei in Davos: Trump und Greta kreuzen die Klingen

DPA/sda/tafi

21.1.2020

«Eure Untätigkeit heizt die Flammen an»: Greta Thunberg verschärft am WEF in Davos den Ton, Donald Trump lässt das Klima dagegen kalt. Er lobt sich lieber selbst – und will ein Freihandelsabkommen mit der Schweiz.

US-Präsident Donald Trump und Klimaaktivistin Greta Thunberg haben sich in Davos ein Fernduell um den Klimaschutz geliefert. «Wir müssen die ewigen Propheten des Untergangs und die Vorhersagen einer Apokalypse ablehnen», sagte Trump am Dienstag bei der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums (WEF).

Ganz anders klang die Message von Thunberg: «Unser Haus brennt noch immer. Eure Untätigkeit heizt die Flammen stündlich an», rief sie den Teilnehmern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu.



«Wir sagen euch immer noch, dass ihr in Panik geraten und so handeln sollt, als ob ihr eure Kinder über alles liebt.» Die 17-jährige Schwedin kritisierte, «leere Worte und Versprechen» sollten den Eindruck erwecken, dass etwas für das Klima getan werde, sie brächten aber nichts im Kampf gegen die Klimakrise.

Für den US-Präsidenten ist das alles aber gar nicht so schlimm. «Dies ist keine Zeit für Pessimismus, dies ist eine Zeit für Optimismus», sagte Trump. Man dürfe sich nicht von den Schwarzsehern beeinflussen lassen.

Greta Thunberg beklagte in Davos «leere Worte und Versprechen», US-Präsident Donald Trump forderte mehr Optimismus.
Greta Thunberg beklagte in Davos «leere Worte und Versprechen», US-Präsident Donald Trump forderte mehr Optimismus.
Keystone

Trump und Thunberg sprachen kurz nacheinander in unterschiedlichen Räumen. Die Klimaaktivistin hatte sich vor ihrer Rede den Auftritt des US-Präsidenten im Publikum angehört. Ein Treffen der beiden galt aber als ausgeschlossen.

«Amerika wächst und gedeiht»

Trump nahm weder das Wort Klimawandel noch den Namen Thunberg in den Mund. Die USA hätten Wachstum, Kreativität und die Bereitschaft, jeder Herausforderung zu begegnen, betonte er. Trump hatte früher den Klimawandel als einen «Witz» bezeichnet. Davon ist er mittlerweile abgerückt. Aber er bezweifelt immer noch, dass die Klimaveränderungen menschengemacht sind. Auch Prognosen zu drastischen Auswirkungen des Klimawandels stellt er in Frage.



In weiten Teilen klang Trumps Rede wie eine seiner Wahlkampfreden. Er lobte ausführlich die gute Wirtschaftsentwicklung und niedrige Arbeitslosigkeit in den USA, die er auf seine Politik zurückführte. «Amerika wächst und gedeiht, und ja: Amerika gewinnt wieder wie niemals zuvor», sagte Trump. Im Vergleich zu der Vorgängerregierung mit geringem Wachstum und stagnierenden oder fallenden Löhnen sei die Entwicklung nun «spektakulär».

Faktencheck: Was ist dran an Trumps Eigenlob?

Ein Faktencheck der Nachrichtenagentur DPA ergab, dass er es dabei mit der Wahrheit nicht ganz genau nahm oder zumindest positive Aspekte ausklammerte, die der Obama-Administration zuzuschreiben sind. «Die Arbeitslosenquote liegt nun bei weniger als 3,5 Prozent (...), die niedrigste in mehr als 50 Jahren», lobte sich Trump etwa. Das stimmt zwar, der Jobaufschwung dauert aber schon länger an. Im Dezember 2019 sank die Arbeitslosenquote tatsächlich auf den tiefsten Stand seit einem halben Jahrhundert: 3,5 Prozent.

Der Rückgang begann allerdings nicht erst mit Trumps Amtsantritt, sondern bereits vor mehr als zehn Jahren unter Vorgänger Barack Obama. Unter Trump wurden im Schnitt seit dessen Amtsantritt laut offizieller Arbeitsmarktstatistik monatlich gut 190'000 Jobs geschaffen. Bei Obama waren es in der Vergleichsperiode seiner zweiten Amtszeit rund 224'000 pro Monat.


Galerie: Das 50. WEF in Davos ist eröffnet

Eine von Trumps Behauptungen ist aber nicht haltbar: «Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist der Reichtum nicht mehr in den Händen von wenigen konzentriert. Wir (...) schaffen die inklusivste Wirtschaft, die es jemals gab.»

Die Einkommensungleichheit ist in den USA im Jahr 2018 gegenüber 2017 grösser geworden, wie die jüngsten Zahlen der US-Statistikbehörde aus dem «American Community Survey» zeigen. Der Report sei beunruhigend, kommentierte ein Arbeitsmarkt-Experte der State University of New Jersey, William M. Rodgers. Denn er «verdeutlicht die Unfähigkeit der aktuellen wirtschaftlichen Expansion – der längsten in der Geschichte –, Ungleichheit zu vermindern.»

Trump über China: «Wir lieben uns»

Für die Zukunft prognostizierte Trump jedenfalls «gewaltige» Chancen für die US-Wirtschaft und rief andere Länder dazu auf, sich ein Beispiel an den USA zu nehmen. Das «amerikanische Modell» werde die grössten Gewinne im 21. Jahrhundert erzeugen.



Er lobte auch die Beziehungen zu China nach Abschluss eines ersten Handelsdeals. «Unsere Beziehungen zu China sind besser als je zuvor», sagte Trump. Mit Blick auf Chinas Präsident Xi Jinping, den er als guten Freund bezeichnete, sagte er: «Er ist für China, ich bin für die Vereinigten Staaten. Aber ansonsten lieben wir uns.» Vergangene Woche hatten die USA ein lange verhandeltes erstes Abkommen mit Peking für neue Bedingungen im bilateralen Handel geschlossen.

Sommaruga trifft Trump

Auch in einem bilateralen Gespräch mit Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga ging es Trump zufolge um eine mögliche Vertiefung der gegenseitigen Handelsbeziehungen. «Ich hätte gerne ein Freihandelsabkommen mit der Schweiz», sagte der US-Präsident vor Schweizer und US-Medien am WEF. «Sehen wir, was möglich ist», ergänzte er vor dem Beginn eines Gesprächs mit Vertretern des Bundesrats.

Sommaruga ergänzte vor der Presse, dass sie mit dem US-Präsidenten ebenfalls über dieses Thema sprechen wolle. Allerdings würden auch der Klimawandel sowie die Kultur der Schweiz zur Sprache kommen.

Willkommene Impeachment-Ablenkung

Der US-Präsident steht wegen des Amtsenthebungsverfahrens, dessen inhaltlicher Teil am Dienstag beginnt, innenpolitisch unter grossem Druck. Doch anstatt sich im Weissen Haus zu verstecken, sucht er knapp zehn Monate vor der US-Präsidentenwahl das globale Rampenlicht. Und das ist ihm bei dem viertägigen Treffen in den Bündner Alpen mit rund 3000 Teilnehmern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sicher.



Im Mittelpunkt des WEF stehen der Kampf gegen den Klimawandel sowie geopolitische Krisen etwa im Nahen Osten und in Libyen. Oliver Bäte, Vorstandschef des Versicherungskonzerns Allianz, kritisierte die Politik in ihren Bemühungen um den Klimaschutz: «Es ist das erste Mal, dass die Wirtschaft den Ton angibt und die Regierungen hinterherhinken.»

Papst Franziskus rief die Teilnehmer zur Zusammenarbeit auf. «Der übergeordnete Gedanke, der nie vergessen werden darf, ist, dass wir alle Mitglieder der einen menschlichen Familie sind», hiess es in einem Grusswort des Kirchenoberhaupts. «Daraus ergibt sich die moralische Verpflichtung, füreinander zu sorgen, sowie der feststehende Grundsatz, den Menschen und nicht das blosse Streben nach Macht oder Profit in den Mittelpunkt der öffentlichen Ordnung zu stellen.»

Auch WEF-Gründer Klaus Schwab mahnte gemeinsame Anstrengungen an. «Wir können nicht nur eine bessere Welt schaffen, wir müssen», hatte Schwab zum Auftakt gefordert.

Galerie: Das WEF von A bis Z

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