Bericht wirft Fragen auf Panzerdeal der Ruag strotzt vor Ungereimtheiten

Von Sven Ziegler

20.2.2024

Ein Leopard-1-Kampfpanzer: 100 solcher Panzer beschaffte die Ruag – die Umstände werfen Fragen auf. (Archivbild)
Ein Leopard-1-Kampfpanzer: 100 solcher Panzer beschaffte die Ruag – die Umstände werfen Fragen auf. (Archivbild)
Bild: Keystone

Kauf ohne Abnehmer, fragwürdige Mieterhöhungen und Hunderttausende Franken unnötige Ausgaben: Ein Bericht der Finanzkontrolle zum Kauf von Leopard-Panzern durch die Ruag wirft viele Fragen auf.

Von Sven Ziegler

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Eidgenössische Finanzkontrolle hat den Kauf der Leopard-Panzer durch die Ruag untersucht. Nun liegt der Bericht vor. 
  • Darin werden diverse Fragen zu den Geschäftstätigkeiten der Ruag aufgeworfen.
  • So wurden immer wieder Abläufe nicht eingehalten. 
  • Was VBS und Ruag dazu sagen, liest du hier.

4,5 Millionen Franken gab der Rüstungskonzern Ruag im Jahr 2016 aus, um 100 gebrauchte Leopard-Panzer und zahlreiche Ersatzteile zu kaufen. Schon damals mit der Idee, all dies irgendwann weiterzuverkaufen.

Doch bei dem Geschäft kam es zu massiven Unstimmigkeiten. Im vergangenen Sommer gerieten die Panzer in den Fokus der Öffentlichkeit, als der Bundesrat einen Deal der Ruag mit dem deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall versenkte. 96 Panzer hätten von der Ruag via Rheinmetall an die Ukraine weitergegeben werden sollen. 

Der Deal zog weite Kreise, immer mehr Ungereimtheiten kamen ans Licht. Bis selbst die Ruag keine Wahl mehr hatte und eine externe Untersuchung in Auftrag geben musste.

Parallel dazu leitete auch die Eidgenössische Finanzkommission (EFK) eine Untersuchung ein. Nun liegt der Prüfbericht vor – und der sorgt mehrmals für Verwirrung.

Der Bericht beleuchtet erstmals, wie genau es zum Kaufprozess kam und was hinter den Kulissen alles schieflief. blue News hat den Bericht der EFK analysiert und listet die wichtigsten Abläufe, Fragen und Prozesse auf.

Kauf von Panzern ohne Abnehmer

Bereits 2015 wusste die Ruag, dass 100 Leopard-Panzer ungenutzt in Italien herumstehen. Ihr Zustand wurde als schlecht bezeichnet, doch die Panzer sollten primär als Ersatzteillager genutzt werden. Deswegen beauftragte ein Manager der Ruag Anfang Februar 2016 die Rechtsabteilung, einen Vertrag zum Kauf aufzusetzen. Bedingung: Der Kauf würde nur vollzogen, wenn die Ruag einen festen Abnehmer dafür findet. 

Ruag-Chef tritt zurück

  • Im Zuge der Ermittlungen hat Ruag-Verwaltungsratspräsident Nicolas Perrin seinen Rücktritt eingereicht, wie in der Nacht auf Mittwoch bekannt wurde. Alles dazu liest du hier.

Rund sechs Wochen später die Kehrtwende: Ende März 2016 entschied die Ruag, die Panzer zu kaufen, auch ohne Abnehmer. Ende April unterzeichnete der Konzern mit der zuständigen Abteilung des italienischen Verteidigungsministeriums den Vertrag. «Gegenstand des Vertrages waren 100 gebrauchte Leopard-1-Panzer und dazugehörige, überschüssige Ersatzteile und Spezialwerkzeuge der italienischen Armee. Als geplanter Kaufpreis waren 4,5 Millionen Euro vereinbart», heisst es im Bericht der Finanzkontrolle.

Doch der Vorgang wirft Fragen auf: So wird der Vertrag in keinen internen Protokollen der Ruag erwähnt, nur die Rechtsabteilung war involviert. Eine Bewilligung der Konzernleitung fehlt ebenso. Wieso, ist unklar. Zur Kehrtwende beim Kaufentscheid sagt die Ruag gegenüber blue News: «Das Management der damaligen Ruag Division Defence war überzeugt, sowohl die Fahrzeuge als auch die Ersatzteile gewinnbringend zu verwerten.»

Fragwürdige Mieterhöhung

2017 unterzeichnete die Ruag einen Vertrag mit der italienischen Dienstleistungsfirma Goriziane. Diese ist auf die Überholung und Wartung von Militärfahrzeugen spezialisiert. Der Vertrag sah vor, dass Goriziane für die Ruag die Abholung, Wartung und den Export der 100 Panzer zu den Endkunden übernehmen sollte.

Für die Abholung und Lagerung am Goriziane-Hauptsitz wurden gemäss Vertrag 1,5 Millionen Euro veranschlagt. Die Miete für das externe Ersatzteillager wurde mit 5000 Euro pro Monat veranschlagt, die Panzerlagerung sollte während der ersten fünf Jahre kostenlos sein. 

Blick auf den Ruag-Hauptsitz in Emmen LU: Erstmals wird bekannt, was beim Kauf der Leopard-Panzer hinter den Kulissen ablief.
Blick auf den Ruag-Hauptsitz in Emmen LU: Erstmals wird bekannt, was beim Kauf der Leopard-Panzer hinter den Kulissen ablief.
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Dann aber geschah Unerklärliches: Ruag Deutschland, ein Ableger der Ruag Schweiz, unterzeichnete 2021 einen Vertragszusatz. Darin erhöhte die Ruag die Miete für das Ersatzteillager von 5000 Euro auf 18’000 Euro – unkündbar für acht Jahre.

«Es ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar, dass der Mietpreis rückwirkend mehr als verdreifacht und eine fixe Mietdauer von acht Jahren vereinbart wurde», schreibt die EFK in ihrem Bericht. Ebenso bleibt unklar, weshalb Ruag Deutschland und nicht Ruag Schweiz den Vertragszusatz unterzeichnete. 

Hunderttausende Franken unnötig ausgegeben

Eine weitere Entdeckung der Finanzkommission betrifft das Geschäft mit dem deutschen Unternehmen Global Logistics Support (GLS), mit dem die Ruag seit 2014 eine Distributionsvereinbarung in Deutschland hatte. Nachdem 2019 die Ruag Deutschland entstand, löste die Ruag diese Vereinbarung mit GLS auf. Der Vertrag, so schreibt es die Finanzkontrolle, hätte innert sechs Monaten gekündigt werden können. 

Doch dazu kam es nicht. Denn die Verantwortlichen beider Firmen unterzeichneten am 26. November 2019 eine Aufhebungsvereinbarung «mit erheblichen finanziellen Nachteilen» für die Ruag, wie die EFK feststellt. So verpflichtete sich die Ruag, von August 2020 bis Ende 2023 «jeweils zwei Prozent ihres Umsatzes in Deutschland, mindestens aber 500’000 Euro» zu bezahlen.

Die GLS-Umsätze der Vorjahre lagen laut EFK bei jeweils 1 Million Euro. Weshalb die Ruag den Vertrag nicht ordentlich kündigte, sondern für den Ausstieg noch Geld zahlte, ist ebenfalls ungeklärt.

«Diese Mindestkompensation steht in einem grossen Missverhältnis und scheint künftige entgangene Geschäfte zu berücksichtigen», schreibt die EFK. Eine Genehmigung vom zuständigen Divisionsleiter, wie eigentlich vorgeschrieben, fehlte für diesen Deal.

Korruptionsverfahren in Deutschland eröffnet

Die Erhöhung der Mietpreise und die kostspielige Vertragsauflösung werfen ebenso Fragen auf. Es ist derzeit laut EFK unklar, weshalb die Ruag diese für sie nachteiligen Deals abgeschlossen hat. Die Ruag sagt gegenüber blue News, die Fragen seien «Gegenstand der noch nicht abgeschlossenen Untersuchung, die Ruag bei der Anwaltskanzlei Niederer Kraft Frey in Auftrag gegeben hat». Nähere Auskünfte erteilt der Rüstungskonzern nicht.

Klar ist, dass die Staatsanwaltschaft im deutschen Verden ein Korruptionsverfahren gegen fünf Deutsche im Zusammenhang mit dem Panzergeschäft der Ruag führt. Infolgedessen kam es auch zu einer Hausdurchsuchung bei der Ruag Deutschland. Ob das Verfahren mit diesen beiden Deals zusammenhängt, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft Verden teilt auf Anfrage von blue News lediglich mit, die Ermittlungen dauerten an. «Ergänzende Angaben können gegenwärtig nicht gemacht werden.»

Undurchsichtiges Hin und Her

Am 27. November – nur einen Tag, nachdem die Ruag den Distributionsvertrag mit der GLS aufgekündigt hatte — unterzeichnete die GLS mit der Ruag einen Bestellvertrag über 25 Leopard-1-Panzer, für gerade mal 500 Franken pro Stück. Doch danach konnten sich die beiden Parteien nicht einigen, überwiesen sich gegenseitig den Kaufbetrag hin und zurück.

Die Ruag gibt an, mit der GLS eine Rücknahmevereinbarung getroffen zu haben – wohl aufgrund des mittlerweile aufgetauchten Interesses von Rheinmetall an den Panzern. Die GLS wiederum wollte Ersatzteile aus den Panzern entnehmen. Deshalb läuft derzeit ein Justizstreit. 

Ungeachtet dieses Rechtsstreits ging die Ruag einen provisorischen Deal mit Rheinmetall ein, um 96 Panzer zu verkaufen. Die Panzer sollten anschliessend über ein Drittland an die Ukraine weitergegeben werden. Der Bundesrat lehnte diesen Deal aber ab. 

Ende Januar verliessen dennoch 25 Panzer die Schweiz Richtung Rheinmetall. Sie sollen bestehende Lücken in den Beständen der Nato oder von EU-Ländern schliessen. Eine Weitergabe an die Ukraine ist ausgeschlossen. 

25 Leopard-Panzer verlassen die Ostschweiz in Richtung Deutschland

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