Perfide Internetfalle So ausgeklügelt köderte Israel die Hisbollah zum Pager-Kauf

tbz

17.10.2024

Mehrere Tote: Neue Welle von Explosionen im Libanon, nun Handfunkgeräte betroffen

Mehrere Tote: Neue Welle von Explosionen im Libanon, nun Handfunkgeräte betroffen

Am Dienstag hatten ähnliche Explosionen Tausender Pager mindestens zwölf Menschen getötet und viele Hisbollah-Angehörige verletzt. Die Hisbollah-Miliz wird vom Iran unterstützt.

18.09.2024

Gemäss einem Bericht von «Reuters» steckt ein ausgeklügelter Plan hinter den tödlichen Pager-Explosionen im Libanon. Um die Hisbollah zu täuschen, wurden Firmen, Websites und sogar Youtube-Videos erfunden. Auch Röntgengeräte erkannten den platzierten Sprengstoff nicht.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet über neue Details im Zusammenhang mit den tödlichen Pager-Explosionen im Libanon im September.
  • Demnach schleusten israelische Agenten manipulierte Pager mit verstecktem Sprengstoff in die Hisbollah ein.
  • Um die Hisbollah zu täuschen, wurden die Pager mit gefälschten Online-Shops und -Websites als leistungsstarke Geräte beworben.
  • Die Hisbollah kaufte die Pager und liess diese auf mögliche Gefahren untersuchen. Der in den Batterien versteckte Sprengstoff wurde selbst auf Sicherheitsscannern nicht angezeigt.

Die Pager, die im September im Libanon explodierten und dabei zahlreiche Mitglieder der Schiitenmiliz Hisbollah getötet oder verletzt haben, sind laut der internationalen Nachrichtenagentur Reuters Teil eines ausgeklügelten Plans des israelischen Geheimdiensts.

Der Schlüssel zum perfiden Plan versteckte sich demnach in den Batterien der Pager und in einer gross angelegten Internetfalle.

Die Batterien der Pager enthielten nicht nur die üblichen Lithium-Ionen-Zellen, sondern auch eine kleine Menge hochexplosiven Plastiksprengstoffs und einen Streifen aus leicht entzündlichem Material, der als Zünder diente.

Die tödlichen Komponenten versteckten sich zwischen zwei Batteriezellen im Innern des Metallgehäuses der Batterie und liessen sie von aussen wie ein gewöhnliches Lithium-Ionen-Batteriepack aussehen, wie es auch in zahlreichen anderen Elektrogeräten enthalten ist.

So wurde der Sprengstoff gemäss «Reuters» in die Batterien eingebaut.
So wurde der Sprengstoff gemäss «Reuters» in die Batterien eingebaut.
Bild: Reuters

Erfundene Online-Shops und Youtube-Videos

Das einzige Problem: Die Batterien waren durch den zusätzlichen Sprengstoff ungewöhnlich gross. Das schürte bei den israelischen Agenten offenbar die Sorge, dass die Batterie bei den «strengen Beschaffungsprozeduren» der Hisbollah auffallen könnte.

Deshalb erstellten sie gefälschte Online-Shops und -Websites und bewarben die Batterie als besonders leistungsstarkes Modell mit langer Akkulaufzeit. Sogar ein 90-sekündiges Werbevideo auf Youtube wurde produziert. Die Pager selbst wurden als Modell AR-924 der bekannten taiwanesischen Marke «Gold Apollo» verkauft, obwohl es dieses Modell in Wirklichkeit gar nicht gab.

So wurden die Pager auf der erfundenen Website beworben.
So wurden die Pager auf der erfundenen Website beworben.

Die Batterie wurde als LI-BT783 bezeichnet und mit gefälschten Leistungsdaten versehen. Auf der täuschend echt wirkenden und mittlerweile verschwundenen Website «apollosystemshk.com», die ebenfalls Teil der Täuschungsoperation war, wurde die Batterie mit einer Laufzeit von 85 Tagen und der Möglichkeit zum Aufladen über USB angepriesen. Sogar in Online-Foren diskutierten vermeintliche Nutzer über die angeblich hervorragende Leistung der Batterie.

Dieses Fake-Video warb für die tödlichen Pager

Dieses Fake-Video warb für die tödlichen Pager

Ein Video zur Werbung für den Pager AR-924, das am 13. Dezember 2022 auf dem YouTube-Konto von Apollo Systems HK veröffentlicht wurde.

17.10.2024

Israelische Agenten boten die Pager zudem zu einem extrem niedrigen Preis an, um sicherzustellen, dass die Schiitenmiliz sie kaufte. Der Plan ging auf. Die Hisbollah schluckte den Köder und liess sich die Pager auf Anfang 2024 in den Libanon liefern. 

Nach dem Eintreffen der Geräte sollen diese sogar extra auf Sprengstoff untersucht worden sein. Dafür hätte die Hisbollah sie durch Flughafensicherheitsscanner geschickt, die allerdings keine Gefahren erkannten. Wie «Reuters» berichtet, soll die Hisbollah danach zwar bemerkt haben, dass sich die Batterie schneller als erwartet entlud, dies habe aber keinen grösseren Verdacht erweckt.

Pager – altmodisch, aber mit gewissen Vorzügen

  • So funktionieren Pager: Die kleinen Geräte sind so etwas wie ein Vorläufer des Handys. Die Grundidee: Wenn man mit jemandem sprechen will, pingt man den Pager der Person an. Diese sieht die Telefonnummer – oder eine kurze Nachricht – und kann zurückrufen oder entsprechend der Nachricht handeln.  Pager nutzen mittlerweile veraltete Funkstandards und sind nur Empfänger, der nicht in ein Netz eingeloggt ist.
  • Darum nutzt die Hisbollah Pager: Dass eine Miliz wie die Hisbollah in grossem Stil Pager verwendet, hat einen einfachen Grund. Anders als bei Handys oder Smartphones kann ihr Aufenthaltsort nicht ermittelt werden. Alle Pager in einem Gebiet gleichzeitig zu aktivieren, ist unterdessen kein Problem.
  • Diese Hersteller sind involviert: Die explodierten Pager trugen das Logo der taiwanesischen Firma Gold Apollo. Das Unternehmen hat die Herstellung der betroffenen Geräte des Modells AR-924 bestritten. Dafür sei die Firma BAC Consulting KFT mit Sitz in Budapest verantwortlich, mit der es eine Vereinbarung zur Nutzung der Markenrechte gebe. Auch die ungarische Firma bestritt die Produktion.

39 Tote, über 3400 Verletzte

Mehrere Monate später, am 17. September, zündete Israel dann die Pager-Bomben. Ausgelöst wurden die Explosionen durch eine spezielle Nachricht, die den versteckten Zünder aktivierte. Die Explosionen ereigneten sich meist, nachdem die Pager einen Signalton für eine eingehende Nachricht abgegeben hatten – das israelische Ziel war es, die Opfer dazu zu bringen, die Geräte in die Hand zu nehmen und sie so näher an ihren Körper zu bringen.

Viele Opfer erlitten Augenverletzungen, verloren Finger oder erlitten schwere Bauchverletzungen. Insgesamt wurden bei den Pager-Anschlägen und einem weiteren Angriff am darauffolgenden Tag mit manipulierten Walkie-Talkies 39 Menschen getötet und über 3400 verletzt.

Westliche Sicherheitskreise gehen davon aus, dass der israelische Geheimdienst Mossad hinter den Anschlägen steckt. Die Hisbollah leitete interne Untersuchungen ein, um die Sicherheitslücke aufzudecken und mögliche Maulwürfe zu identifizieren.

Durch die Anschläge kann die Hisbollah nun weder Handys, Pager noch Funkgeräte benutzen, was die Kommunikation und Koordination der Organisation erheblich erschwert.

Die Angriffe führten zu einer Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah, die sich seit dem 8. Oktober 2023 in einem offenen Krieg befinden.