5-Minuten-BeratungMitte-Chef klemmt SVP-Debatte zu Afghaninnen gleich wieder ab
SDA, gbi
19.12.2023
Die SVP setzte durch, dass der Nationalrat sich am Dienstag mit dem Asylrecht für Afghaninnen befassen sollte. Doch dann tritt Mitte-Parteichef Gerhard Pfister auf die Bremse – und erzürnt damit die Volkspartei.
SDA, gbi
19.12.2023, 16:32
SDA, gbi
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Der Nationalrat hat am Dienstag nicht über eine Motion des Zürcher SVP-Nationalrats Gregor Rutz zum Umgang der Schweiz mit asylsuchenden Afghaninnen beraten.
Eine Mehrheit folgte einem Ordnungsantrag des Zuger Mitte-Nationalrats Gerhard Pfister und schickte die Motion zurück zur Vorprüfung in die vorberatende Kommission.
Pfister argumentiert: Das Justizdepartement erhalte nächstes Jahr einen neuen Chef, ausserdem habe erst gerade das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil zum Thema gefällt.
Die SVP ist erbost: Die Mitte habe sich «mit der Linken ins Lotterbett» gelegt.
Die Grünen wurden geschwächt, die SVP legte zu: Welche Folgen haben die Wahlen vom Oktober auf die Entscheide im Bundeshaus? Das lässt sich derzeit besonders gut beobachten: National- und Ständerat tagen erstmals in neuer Zusammensetzung.
Am Dienstag stand im Nationalrat das Thema Asyl auf dem Programm. Die Linien sind hier klar gezogen: SVP und FDP rechts, SP und Grüne links – und dazwischen die Mitte-Partei, die als grosse Siegerin der Wahlen gilt. Wie würde sie sich positionieren?
Die von der SVP erzwungene ausserordentliche Session zum Thema «Asylpraxis in Bezug auf Afghaninnen» hatte sich nach nur fünf Minuten schon erledigt: wegen Mitte-Parteichef Gerhard Pfister.
Pfister forderte, dass sich erst noch einmal die vorberatende Kommission mit dem Thema befassen solle. Mit 98 zu 86 Stimmen bei fünf Enthaltungen folgte eine Mehrheit diesem Ordnungsantrag.
Die von SVP-Nationalrat Gregor Rutz eingereichte Motion zu Afghaninnen geht damit zurück an die Kommission.
Wie argumentiert der Mitte-Chef?
Gerhard Pfister führte im Nationalrat zwei Gründe ins Feld, weshalb es eine Extraschlaufe brauche. Zum einen sei erst seit wenigen Tagen klar, dass das zuständige Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement ab 2024 einen neuen Chef haben werde, nämlich den neugewählten SP-Bundesrat Beat Jans. Bis dahin führt noch Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (ebenfalls SP) das Departement.
Zum anderen, so Pfister, habe erst kürzlich das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil zu Afghaninnen gefällt. Das Gericht hiess eine Beschwerde zweier Afghaninnen gegen ihre Ausweisung gut. Die Schweiz muss ihnen Asyl gewähren. Das Gericht stützte damit genau jene neue Asylpraxis des Staatssekretariats für Migration (SEM) zu Afghaninnen, die SVP-Mann Rutz mit seiner Motion wieder kippen wollte.
Aufgrund dieser veränderten Ausgangslage verlangte Mitte-Chef Pfister, die nach den Wahlen neu zusammengesetzte vorberatende Kommission solle sich nochmals über Rutz' Motion beugen, ehe diese im Nationalrat beraten werde.
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Wie argumentiert die SVP?
Gregor Rutz verlangt mit seiner Motion, dass der Bundesrat die im Sommer vom SEM angepasste Asylpraxis im Umgang mit Afghaninnen wieder rückgängig macht. Der Zürcher Nationalrat sagte am Dienstag im Rat, es sei gesetzeswidrig, dass eine Verwaltungsstelle einen solchen Entscheid treffe.
Auch auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ging er ein. Dieses habe keinen Grundsatzentscheid getroffen, sondern in einem Einzelfall entschieden, argumentierte Rutz.
In einem Communiqué, das im Anschluss an die Beratung verschickt wurde, schiesst die SVP scharf gegen die Mitte-Partei: Die Forderung der SVP sei im Nationalrat gescheitert, «weil sich die Mitte einmal mehr mit der Linken ins Lotterbett gelegt hat».
Was gilt in Bezug auf Afghaninnen?
Das SEM hatte aufgrund einer Empfehlung der Europäischen Asylagentur (EUAA) entschieden, dass die Schweiz Frauen aus Afghanistan in der Regel Asyl gewähren müsse. Die Lage für Frauen und Mädchen habe sich in Afghanistan seit der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban kontinuierlich verschlechtert. Die Grundrechte der Frauen seien stark eingeschränkt.
Wie geht es jetzt weiter?
Am Mittwoch steht auch im Ständerat eine ausserordentliche Session zum Thema asylsuchende Afghaninnen auf dem Programm. Hier hatte der ehemalige FDP-Ständerat Philippe Bauer eine Motion eingereicht, die fast denselben Wortlaut hat wie jene von SVP-Nationalrat Gregor Rutz.
Doch auch in der kleinen Kammer könnte sich das Prozedere wiederholen: Auch im Ständerat gibt es einen Ordnungsantrag, die Motion nochmals an die vorberatende Kommission zurückzuschicken.
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