Haben ÖV-Kader Millionen abgezwackt? «Alle haben es gewusst» – Ex-Direktor weist Vorwürfe zurück

Dominik Müller aus Luzern

21.1.2025

Die ehemaligen Kaderleute der VBL bestreiten die Vorwürfe
Die ehemaligen Kaderleute der VBL bestreiten die Vorwürfe
sda

Fünf ehemalige Kadermitarbeiter der Verkehrsbetriebe Luzern (VBL) stehen vor Gericht. Die Anklage wirft ihnen vor, durch fingierte Rechnungen und unerlaubte Zinsen mehrere Millionen Franken erschwindelt zu haben.

Dominik Müller aus Luzern

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ehemalige VBL-Kadermitarbeiter sollen durch fingierte Rechnungen und unzulässige Zinsen mehrere Millionen Franken unrechtmässig erlangt haben.
  • 2024 einigten sich die VBL und die Behörden auf eine Rückzahlung von 21,5 Millionen Franken und reformierten ihre Strukturen.
  • Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe, dennoch fordert die Staatsanwaltschaft bedingte Freiheitsstrafen von jeweils 18 Monaten.
  • blue News tickert den Auftakt des Prozesses ab 8.15 Uhr live.
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  • 11.37 Uhr

    Kritische Fragen an den Verkehrsverbund

    Der Beschuldigte verweist vorab darauf, man habe sowohl beim VVL als auch beim BAV Betriebsmittelbewilligungen eingeholt, in denen die kalkulatorischen Zinsen inkludiert gewesen seien. «VVL und BAV haben von den Verrechnungsmodalitäten gewusst», sagt er. 

    Dazu stellt er zwei Fragen in den Raum: «Warum hat der VVL in die Zielvereinbarung nicht klar geschrieben, dass diese auch für die VBL-Muttergesellschaft gilt? Und wieso hat der VVL nicht darauf bestanden, dass kalkulatorische Zinsen ausgerechnet werden?»

    Die operative Leitung sei in ihrem Handeln entsprechend immer davon ausgegangen, dass die Zielvereinbarung nur für die Tochtergesellschaft vbl AG gilt.

  • 11.25 Uhr

    Es geht weiter

    Nun steht die Befragung des damaligen Leiters Rechnungswesen an.

  • 11 Uhr

    Schmassmann berät sich mit Anwalt

    Ein Anwalt stellt mehrere Rückfragen an Norbert Schmassmann. Hierzu zitiert er aus einem Bericht aus dem Jahr 2016, in dem die Verrechnungsmodalitäten der VBL thematisiert werden. Schmassmann zieht sich für Beratungen mit seinem Anwalt in ein Nebenzimmer zurück. Sein Kommentar nach seiner Rückkehr in den Saal: «Ich möchte dazu keine Stellung nehmen.»

    Nun wird der Prozess für eine 15-minütige Pause unterbrochen.

  • 10.22 Uhr

    Schmassmann betont: «Wir haben nicht alleine gehandelt»

    Zum Schluss seiner Befragung hat Schmassmann das Wort: «Wenn ich auf meine 26-jährige VBL-Karriere zurückblicke, hat sich einiges verändert.» Es habe in der ganzen Branche über all die Jahre Veränderungen gegeben. Auf der operativen Ebene habe man sich immer überlegen müssen, was kann man beibehalten und was muss verändert werden.

    Schmassmann betont aber: «Die strategische Verantwortung lag immer beim Verwaltungsrat.» Alle strategischen Entscheidungen seien stets in Absprache mit dem Verwaltungsrat getroffen worden. «Der Verwaltungsrat wurde von mir über alle wichtigen Geschäftsvorfälle schriftlich informiert. Wir haben nicht alleine gehandelt.»

  • 10.04 Uhr

    «Alles ist Sinne der Vorgaben durch den Verwaltungsrat erfolgt»

    Auf Grundlage der Zielvereinbarung hat Schmassmann nach deren Abschluss mehrere Offerten unterschrieben. Der Gerichtsreferent will von ihm wissen, ob er bewusst eine Lüge in Kauf nahm, weil er wusste, dass die beschriebene Vertragsklausel (siehe letzten Eintrag) nicht eingehalten wird. Schmassmann verneint: «Alles ist Sinne der Vorgaben durch den Verwaltungsrat erfolgt.»

    Die Rechnungen der VBL seien stets genehmigt worden. Auch das Bundesamt für Verkehr habe bis zur Affäre um die Postautosubventionen eine «tolerante Praxis» angewandt. «Dann wurde die Schraube angezogen». Das BAV hab mit Strafanzeigen von eigenen Versäumnissen ablenken wollen.

  • 9.59 Uhr

    Eine Vertragsklausel im Fokus

    Zwischen 2017 und 2021 fanden zwischen der VBL-Gruppe und dem VVL sowie dem BAV Verhandlungen betreffend der Zielvereinbarung statt. In diesem Rahmen wurden Transparenzziele vereinbart, darunter der Punkt, dass die Tochtergesellschaft vbl AG bestätigt, im abgeltungsberechtigten Regional- und Ortsverkehr keine Gewinnzuschläge respektive Eigenkapitalzinsen zu berücksichtigen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, diese Formulierung unterschrieben zu haben, obwohl man wusste, dass weiterhin Eigenkapitalzinsen verrechnet werden.

    Norbert Schmassmann betont, man sei bei den Verhandlungen unter Zugzwang gewesen, weil das Jahr 2017 noch im vertragslosen Zustand begann. «Das sorgte für zusätzlichen Zeitdruck», sagt Schmassmann. An die «Finessen» bei den Verhandlungen, wie es genau zur Formulierung der Transparenzziele gekommen ist, könne er sich nicht mehr genau erinnern.

  • 9.29 Uhr

    «Alle haben es gewusst, wir haben nur ausgeführt»

    Die VBL AG leistete seit dem Bestehen der Holdingstruktur jährlich eine Dividendenzahlung in Höhe von einer Million Franken an die Stadt Luzern, die Eignerin der VBL AG. In diesem Zusammenhang hat eine externe Untersuchung ergeben, dass die Dividenden mit Subventionen finanziert wurden.

    Er sei froh, habe es diese Untersuchung gegeben, sagt Schmassmann. «Wir haben auf der operativen Ebene ausgeführt, was von den zuständigen Stellen, dem Verwaltungsrat und dem Luzerner Stadtrat, gewollt war.» Er könne nicht verstehen, warum einige Verantwortungsträger aus der Politik argumentieren, sie würden nichts von der Finanzierung aus öffentlichen Geldern wissen. «Alle haben es gewusst», sagt Schmassmann.

  • 9.11 Uhr

    Nun wird Ex-Direktor Schmassmann befragt

    Als zweiter Beschuldigter nimmt der ehemalige VBL-Direktor Norbert Schmassmann vor dem Richtergremium Platz.

    Die Verrechnungsmechanik, die Hauptbestandteil der Vorwürfe ist, und die Holdingstruktur der VBL-Gruppe gehen auf einen Entscheid des Verwaltungsrats aus dem Jahr 2009 zurück, erläutert Schmassmann. In den Jahren vor dem Postauto-Skandal, von Schmassmann die «alte ÖV-Welt» genannt, sei diese Praxis verbreitet gewesen und entsprechend so angewandt worden. Nach der Postauto-Affäre habe das Bundesamt für Verkehr (BAV) die Kontrollen verstärkt und mit Strafverfahren ein entschlossenes Handeln demonstrieren wollen.

    Im Gegensatz zum Befragten vor ihm wirkt Schmassmann gefasst und gibt detailliert Auskunft.

  • 8.57 Uhr

    «Die Situation ist sehr belastend für mich»

    Der Gerichtsreferent spricht den Ex-Stv.-Direktor auf die verschiedenen Vorwürfe an. Der Beschuldigte will sich aber nicht detailliert äussern. Auf alle Fragen, die direkt auf die Vorwürfe gegen ihn abzielen, antwortet er mit dem Verweis auf seine Aussage beim Staatsanwalt.

    «Die Situation ist sehr belastend für mich», sagt er zum Abschluss der Befragung. «Ich hoffe, dass wir nun dieses Kapitel endgültig abschliessen können.»

  • 8.40 Uhr

    Impression vor dem Prozessstart

    Der ehemalige Direktor der VBL, Norbert Schmassmann (rechts), und sein Verteidiger Arno Thürig auf dem Weg zur Gerichtsverhandlung.
    Der ehemalige Direktor der VBL, Norbert Schmassmann (rechts), und sein Verteidiger Arno Thürig auf dem Weg zur Gerichtsverhandlung.
    Keystone
  • 8.34 Uhr

    «Mehr habe ich nicht zu sagen»

    Zuerst muss der ehemalige stellvertretende Direktor der VBL Auskunft geben. «Ich habe bereits beim Staatsanwalt ausgesagt, mehr habe ich nicht zu sagen», sagt er angesprochen auf die Vorwürfe.

  • 8.27 Uhr

    Gleich starten die Befragungen der Angeklagten

    Der Fall findet unter der Leitung von Kriminalgerichtspräsident Bernard Holdermann statt. Zum Prozessbeginn erläutert er das Verfahren. Vorfragen gibt es keine. Auch auf das Vorlesen der Anklageschrift wird verzichtet. Es folgen die Befragungen der Beschuldigten im Beweisverfahren.

  • 8.20 Uhr

    Der Prozess beginnt

    Mit fünf Minuten Verspätung haben sich die Türen geöffnet. Der Saal ist gefüllt. Der Prozess vor dem Kriminalgericht Luzern beginnt – allerdings im Hotel Radisson Blu, weil die Infrastruktur des Gerichts einen Prozess mit so vielen Beteiligten nicht zulässt.

  • 8.11 Uhr

    Prozess verzögert sich

    Noch dürfen Journalisten und Zuschauer nicht in den Saal und warten im Vorzimmer. Der Auftakt dürfte sich entsprechend verzögern. Etwa 20 Zuschauer*innen sind vor Ort. Zu ihnen gesellen sich ein halbes Dutzend Medienschaffende.

  • 8 Uhr

    Prozessauftakt um 8.15 Uhr

    Der dreitägige Prozess gegen die Kadermitarbeiter der VWL soll um 8.15 Uhr beginnen. Der Andrang ist gross, deswegen findet der Prozess nicht im Gerichtssaal, sondern im Radisson Hotel in Luzern statt.

Fünf Kadermitarbeiter der Verkehrsbetriebe Luzern (VBL), darunter der ehemalige Direktor und CVP-Kantonsrat Norbert Schmassmann, stehen ab Dienstag wegen des Verdachts auf mehrfachen Betrug vor dem Luzerner Kriminalgericht. Laut Anklage sollen sie den Verkehrsverbund Luzern (VVL) und das Bundesamt für Verkehr (BAV) um mehrere Millionen Franken betrogen haben.

Im Mittelpunkt stehen interne Abrechnungen zwischen der Muttergesellschaft VBL AG und der Tochtergesellschaft vbl AG. Ein früherer VBL-Direktor sowie vier weitere damalige Kadermitglieder, von denen zwei noch heute in leitender Funktion bei der VBL tätig sind, müssen sich wegen Betrugs verantworten. Es geht um 2,1 Millionen Franken.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, fingierte Dienstleistungen und Produkte zwischen den Unternehmen vorgetäuscht zu haben. Rechnungen wurden laut Anklage genutzt, um Geld von einer Gesellschaft zur anderen zu verschieben, das schliesslich auf privaten Konten der Beschuldigten landete. Zudem seien kalkulatorische Zinsen auf Eigenkapital berechnet worden, die nie von den zuständigen Behörden genehmigt wurden.

Diese nicht erlaubten Zinsen flossen in interne Verrechnungspreise ein und dienten unter anderem dazu, die jährliche Dividende von einer Million Franken an die Stadt Luzern zu finanzieren.

Postauto-Skandal legte Probleme offen

Als 2018 der Postauto-Skandal öffentlich wurde, intensivierten VVL und BAV ihre Kontrollen. Die Beschuldigten sollen versucht haben, kritische Fragen mit geschickten Formulierungen zu umgehen und in Berichten falsche Angaben zu machen, heisst es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. 

Trotz wiederholter Mahnungen wurden unzulässige Eigenkapitalzinsen weiterhin in Offerten für die Fahrplanjahre 2018/2019 enthalten. Die Kader der VBL haben sich mit diesem Vorgehen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft des Betrugs schuldig gemacht. Die VBL habe nämlich 2017 dem VVL in einer Vereinbarung zugesichert, dass sie bei der Verrechnung im subventionierten Regionalverkehr keine solche Zinsen oder Gewinnzuschläge verrechne.

Hohe Rückzahlungen und Reformen

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe forderten BAV und VVL im Jahr 2020 insgesamt 16 Millionen Franken an Subventionen zurück. 2024 einigte man sich auf eine Rückzahlung von 21,5 Millionen Franken. Die Struktur zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft wurde aufgelöst und die Rechnungslegung reformiert, um mehr Transparenz zu schaffen.

Die Staatsanwaltschaft fordert für die fünf Beschuldigten jeweils bedingte Freiheitsstrafen von 18 Monaten. Es gilt die Unschuldsvermutung. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.

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