Streitpunkt Lässt das CO₂-Gesetz die Mieten in die Höhe schiessen?

Von Gil Bieler

14.5.2021

Mieterland Schweiz: Umzugstag in der Stadt Luzern. 
Mieterland Schweiz: Umzugstag in der Stadt Luzern. 
Bild: Keystone/Urs Flüeler

Bei einem Ja zum CO₂-Gesetz drohten höhere Mietzinsen – damit droht der Hauseigentümerverband. Dies macht den Mieterinnen- und Mieterverband skeptisch: Er spricht von «Heuchelei».

Von Gil Bieler

Ölheizungen sollen dereinst der Vergangenheit angehören – das strebt der Bundesrat mit dem neuen CO₂-Gesetz an, über das wir am 13. Juni abstimmen. Zu den zahlreichen Neuerungen, die bei einer Annahme in Kraft treten würden, zählen auch strengere Energievorgaben für Gebäude.

Neubauten dürften per 2023 unter dem Strich kein CO₂ mehr ausstossen. Altbauten schon – aber wenn eine Heizung ersetzt wird, soll neu eine CO₂-Obergrenze gelten. Hausbesitzer können also nur noch dann eine neue Ölheizung einbauen, wenn das Haus sehr gut isoliert ist.

Was das alles für das Portemonnaie für Schweizerinnen und Schweizer bedeutet, die zur Miete wohnen, daran hat sich ein Streit zwischen dem Mieterinnen- und Mieterverband und dem Hauseigentümerverband (HEV) entzündet: Der Mieterverband wirft dem HEV «Falschaussagen» vor, dieser kontert: «Ganz so einfach, wie es der Mieterverband darzustellen versucht, ist das neue CO₂-Gesetz auch für die Mieter nicht.»

Hausbesitzer müssen Geld in die Hand nehmen

Um den Konflikt zu verstehen, muss man sich die Abstimmungsvorlage genauer ansehen. Per 2023 soll für Altbauten neu ein jährlicher Grenzwert von maximal 20 Kilogramm CO₂ pro Quadratmeter Wohnfläche gelten. Alle fünf Jahre soll dieser Wert um weitere 5 Kilogramm gesenkt werden. Mit dieser Regelung wird es ab einem gewissen Zeitpunkt praktisch unmöglich, eine neue Ölheizung einzubauen und gleichzeitig den CO₂-Grenzwert einzuhalten. Das soll die Hausbesitzer dazu animieren, auf umweltschonendere Technologien umzusatteln.

Das bedeutet: Die Hausbesitzer müssen Geld in die Hand nehmen. Entweder sie halten an einer Ölheizung fest, müssen dann aber zumeist auch die Gebäudehülle sanieren. Oder sie wechseln auf eine andere Heizmethode wie Holz-Pellets, Wärmepumpe oder Fernwärme.

Sämtliche Optionen kosten Geld – und hier kommen die Mieter ins Spiel. Denn die Hauseigentümer können einen Teil dieser Investitionskosten abwälzen. Der HEV warnt vor einem «Raubzug auf das Portemonnaie der Mieter» und vor «Zwangskündigungen für Mieter aufgrund der Sanierungspflicht».



Der Mieterverband nimmt dem HEV diese Sorgen nicht ab: Michael Töngi, Vizepräsident des Verbands und Grünen-Nationalrat, sprach diese Woche an einer virtuellen Medienkonferenz von einer «heuchlerischen Kampagne» und von «Falschaussagen, die man so nicht stehenlassen kann».

Töngi unterstrich, dass nur ein Teil der Kosten für einen Heizungsersatz auf die Mieter abwälzbar sei. Ausserdem gebe es kantonale Fördergelder, die die Investitionskosten ohnehin senken. Alles in allem hat der Mieterverband errechnet, dass die Mieten um weniger als 20 Franken pro Haushalt und Monat steigen dürften. «Ein Heizungsersatz ist für die Mieter damit kein Thema.»

Streitpunkt Nebenkosten 

Auch einer zweiten Neuerung des CO₂-Gesetzes blickt der Mieterverband gelassen entgegen: dem Aufschlag der CO₂-Abgabe auf Brennstoffen. Dieser soll von bisher 120 Franken bis auf maximal 210 Franken pro Tonne CO₂ erhöht werden können – jedoch nur, wenn die Emissionen nicht im gewünschten Ausmass sinken. Gegner des Gesetzes warnen, dass dies die Nebenkosten von Mietwohnungen in die Höhe treiben werde.

Der Mieterverband hält dagegen und sagt, die Mehrheit der Mieterinnen dürfte 2030 in einer Wohnung mit fossilfreier Heizung respektive mit tiefem Energieverbrauch leben. Sie würden daher sogar profitieren – und zwar dank der Rückerstattung aus dem Klimafonds, in den ein Drittel der CO₂-Abgabe fliessen soll. Nur in Einzelfällen sei eine leichte Mehrbelastung zu befürchten.

Zudem stimme es zwar, dass die Investitionen bei einem Wechsel des Heizungssystems grösser seien – doch dafür seien danach auch die laufenden Heizkosten geringer. All dies werde vom HEV unterschlagen.

Das CO₂-Gesetz habe kaum finanzielle Auswirkungen für Mieter, schlussfolgert der Mieterverband – er hat deshalb auch keine Abstimmungsparole beschlossen. Doch hält er fest: «Dass ausgerechnet diejenigen Kreise, welche die Rechte von Mieter*innen frontal angreifen, nun mit den Mieterinteressen argumentieren, ist scheinheilig.»

Mit dieser Kritik konfrontiert, entgegnet Thomas Ammann, Ressortleiter Energie beim HEV, auf Anfrage von «blue News»: Der vom Mieterverband angegebene Mietzinsaufschlag um 20 Franken sei «nicht unrealistisch» – für eine Liegenschaft, die bereits auf einem relativ hohen Energiestandard sei und wenn eine fossile Heizung durch eine Wärmepumpe ausgetauscht werden könne. «Allerdings ist dieses gewählte Beispiel alles andere als repräsentativ.»

Der HEV erwartet vielmehr, dass in drei von vier Wohnbauten bei einem Heizungsersatz umfangreiche zusätzliche Massnahmen vorgenommen werden müssten. Eine Studie der Bundesämter für Energie und für Wohnungswesen habe bei vergleichbaren Fällen im Schnitt für eine 4,5-Zimmer-Wohnung einen Aufpreis um 140 Franken pro Monat ergeben.

Was sagt der Bund?

Dass Streitparteien bei zahlenlastigen Abstimmungen zu unterschiedlichen Resultaten kommen, ist nicht neu. Klarheit kann auch das Bundesamt für Wohnungswesen nicht bieten, da jeder Fall einzeln betrachtet werden müsse. Sicher ist aber: «Der 1:1-Ersatz einer Heizung kann nicht auf die Mieterschaft überwälzt werden, da es sich hierbei um Unterhaltskosten handelt, die durch den bisherigen Mietzins bereits abgedeckt sind», erklärt das Amt auf Anfrage.

Bei energetischen Verbesserungen wie dem Wechsel von einer Ölheizung zu einer Wärmepumpe könne einzig jener Teil der Kosten überwälzt werden, «der die Kosten zur Wiederherstellung oder Erhaltung des ursprünglichen Zustandes übersteigt». Also die Mehrkosten. Und diese dürften nur über die gesamte Lebensdauer der neuen Heizung weitergegeben werden.



Es gebe jedoch mehrere Faktoren, die sich finanziell zugunsten der Mieter auswirkten – unter anderem die tieferen Nebenkosten einer Wärmepumpe. Unter dem Strich dürften Mehrpersonenhaushalte «mit verhältnismässig kleiner Wohnfläche eher profitieren».

Bleibt noch die Frage, ob Mieter wegen eines Heizungsersatzes vor die Tür gestellt werden. Für den Mieterverband ist klar, dass keine Zwangskündigungen zu befürchten seien. Man könne eine Heizung auch ersetzen, ohne dass die Wohnung leer stehen müsse. «Es gibt aber die Gefahr, dass Vermieter dies machen werden, um die Wohnung später dann wieder teurer auf den Markt zu bringen», warnt Töngy.

Ammann vom HEV kontert: «Umfassende Erneuerungsmassnahmen werden in einigen Fällen auch dazu führen, dass sie nur im unbewohnten Zustand des Gebäudes vorgenommen werden können und die Mieter somit ausziehen müssen. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn von einer Radiatorenheizverteilung auf eine Bodenheizung umgestellt werden muss, um die neue Wärmepumpe effizient zum Einsatz bringen zu können.»