Bericht zu Corona-Leaks Berset wusste von Kontakt seines Pressechefs zum Ringier-CEO

red./SDA

17.11.2023

Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset.
Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset.
Keystone

Wieso sickerten in der Corona-Pandemie immer wieder Interna aus dem Bundesrat an die Medien durch? Die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat veröffentlichen dazu ihren Bericht. 

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat (GPK) haben am Freitag ihren Bericht zu den Corona-Leaks veröffentlicht.
  • Es sei zu zahlreichen Indiskretionen gekommen. Das zeigt eine Analyse der parlamentarischen Oberaufsicht.
  • Auch habe Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset gewusst, dass sein damaliger Pressechef mit dem CEO des Ringier-Verlags im Austausch gestanden habe. 
  • Jedoch gebe es keine Hinweise, dass Berset diese Indiskretionen in Auftrag gegeben habe.
  • Die GPK geben acht Empfehlungen ab, die als Lehren der Covid-Leaks gezogen werden sollten. 

Während der Corona-Pandemie gab es zahlreiche Fälle, in denen die Medien vorab über geplante Massnahmen des Bundesrats Bescheid wussten. Wie diese Leaks aus dem Innendepartement von Alain Berset entstanden, haben die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat untersucht. Am Freitagabend legten sie ihren Bericht vor.

Die Kommissionen fanden Belege für zahlreiche Indiskretionen. Jedoch gebe es keine Hinweise, dass Gesundheitsminister Alain Berset diese gezielt in Auftrag gegeben habe.

Aufgrund der «sehr lückenhaften Quellenlage» hätten die Untersuchungsfragen nicht abschliessend beantwortet werden können, heisst es im Bericht. Fest stehen jedoch dennoch ein paar Dinge.

So habe Marc Walder, der CEO der Ringier AG, zu der unter anderem der «Blick» gehört, von Bersets ehemaligem Kommunikationschef Peter Lauener als vertraulich klassifizierte Informationen erhalten. Die Auswertung der Medienberichterstattung habe aber «keine Hinweise auf die Verwendung der übermittelten Informationen in der Berichterstattung ergeben».

Was wusste Berset?

Im Zentrum der Untersuchung steht natürlich auch die Rolle des Gesundheitsministers selber. Berset wusste laut den GPK vom regelmässigen Kontakt zwischen Lauener und dem Ringier-CEO. Es lägen jedoch keine Nachweise vor, wonach er über den konkreten Inhalt dieses Austausches informiert gewesen sei oder dass die Indiskretionen in seinem Auftrag erfolgt seien.

Jedoch ist es für die GPK nur beschränkt nachvollziehbar, dass Berset im Wissen um diese Kontakte und die zahlreichen und wiederholt auftretenden Indiskretionen zu Geschäften seines Departements keine spezifischen Massnahmen ergriffen hat.

Indiskretionen bewusst eingesetzt

Indiskretionen sind laut GPK-Mitglied und SVP-Nationalrat Thomas de Courten als politisches Instrument bewusst eingesetzt worden. Über die Motive dieses Einsatzes seien sich die angehörten Personen aber uneins.

Die einen hätten gesagt, es könne nicht sein, dass man sich mit Indiskretionen die eigene Arbeit kaputt mache. Die anderen hätten gesagt, dass die Indiskretionen für Positionsbezüge auch nützlich sein könnten, um die eigenen Anliegen entsprechend durchzubringen, sagte de Courten an der Medienkonferenz am Freitagabend in Bern.

Bundesrat Alain Berset (r.) und sein damaliger Kommunikationschef Peter Lauener stehen im Zentrum der Corona-Leaks. (Archivbild)
Bundesrat Alain Berset (r.) und sein damaliger Kommunikationschef Peter Lauener stehen im Zentrum der Corona-Leaks. (Archivbild)
Keystone

Der CEO der Ringier-Gruppe (Marc Walder) stehe zudem als einer der Empfänger der Indiskretionen fest, wobei die eigentliche Weitergabe der Informationen nicht geklärt sei.

«Wir können aber bestätigen, dass die E-Mails, die am Anfang unserer Untersuchung standen, die auch publik wurden am 14. Januar, keine Fake News waren», sagte de Courten weiter.

Alle Bundesräte befragt

Die Arbeitsgruppe der Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte hat zur Klärung der Corona-Indiskretionen alle Bundesratsmitglieder befragt, die während der Pandemie im Amt waren. Auch der Bundeskanzler und die Vizekanzler mussten antraben.

Das gab deren Präsident Philippe Bauer (FDP/NE) am Freitag in Bern vor den Medien bekannt. 14 Sitzungen habe die Arbeitsgruppe durchgeführt und 16 Personen seien befragt worden, einige davon zweimal. Auch hohe Bundesangestellte wurden eingeladen.

Zudem wurde Peter Marti angehört, der als ausserordentlicher Staatsanwalt zu den sogenannten Crypto-Leaks eingesetzt worden war. Zu den eigenen Informationsrechten liess die Arbeitsgruppe ein Rechtsgutachten ausarbeiten.

GPK geben acht Empfehlungen ab

Die GPK der Parlamentskammern gaben im Zuge der Untersuchungen acht Empfehlungen ab. Die erste: Für Hintergrundgespräche von Kommunikationsverantwortlichen mit Medienvertretern sollte es klare Regeln und Leitlinien geben. 

Damit wäre auch klar, was ein Hintergrundgespräch sei und was deren Inhalt sein könne, um einen Bundesratsbeschluss zu erläutern, sagte Nationalrat Thomas de Courten (SVP/BL) in Bern.

Die zweite Empfehlung betrifft die Löschfrist für E-Mails in der Bundesverwaltung. Man habe nur sehr beschränkt auf diese Quellen zugreifen können, da sie eben gelöscht worden seien nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so de Courten weiter. Die GPK empfehlen, dass mindestens für Kaderleute diese Löschfrist verwaltungsintern überprüft werden solle.

SVP-Nationalrat Thomas de Courten, Nationalrat (vorne) informiert die Medien über die Erkenntisse der parlamentarischen GPK zu den Corona-Indiskretionen.
SVP-Nationalrat Thomas de Courten, Nationalrat (vorne) informiert die Medien über die Erkenntisse der parlamentarischen GPK zu den Corona-Indiskretionen.
Bild: Keystone

Eine dritte Empfehlung beinhaltet laut de Courten die Festlegung, was genau eine Indiskretion sei, damit dies geschärft werden könne. Man müsse viertens mehr wissen darüber, wie die Entscheidungsprozesse innerhalb des Bundesrats aussahen, da man festgestellt habe, dass die Bundesratsprotokolle sehr summarisch abgefasst worden seien und die GPK die Entscheidungsprozesse daher nicht mehr genau habe nachvollziehen können.

Eine fünfte Empfehlung betreffe die Schärfung der Schulung der Kommunikationsabteilungen bezüglich der Zugriffsrechte zu klassifizierten Dokumenten. Weiter sollen sechstens die schriftlichen Mitberichtsverfahren fester Bestandteil von Bundesratsentscheiden bleiben, um die Qualität sicherzustellen.

Siebtens sollen für die Debriefings zwischen Departementsvorsteher und ihren Stäben entsprechende Regeln festgelegt werden, was dort festgehalten werde oder nicht, und was kommuniziert werden kann oder nicht. Achtens, so de Courten, sollen Indiskretionen im Bundesrat aktiv und zeitnah diskutiert werden.

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