Ist das erlaubt? Zürcher Chefarzt wohnt in billiger Genossenschaftswohnung

mmi

30.8.2023

Grundsätzlich kann sich jedermann/jedefrau um eine Genossenschaftswohnung bewerben.
Grundsätzlich kann sich jedermann/jedefrau um eine Genossenschaftswohnung bewerben.
Bild: Keystone/Gaetan Bally

Gut Verdienende, die in Genossenschaftswohnungen wohnen, machen erneut Schlagzeilen. Doch wer kann überhaupt diese Wohnform wählen und was macht sie aus? Die wichtigsten Fragen und Antworten gibt’s hier.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Dürfen gut Verdienende in einer Genossenschaftswohnung wohnen?
  • Wie finanzieren sich die Genossenschaften?
  • Was zeichnet diese «dritte» Wohnform sonst noch aus?
  • Die Antworten auf die wichtigsten Fragen liest du hier.

Wer in Genossenschaftswohnungen wohnen darf oder nicht, gibt angesichts der Wohnungsnot und explodierender Mieten in Schweizer Städten wieder zu reden. Wie der Finanzblog «Inside Paradeplatz» berichtet, wohnt ein Chefarzt des Zürcher Universitätsspitals mit seiner vierköpfigen Familie in einer 200 Quadratmeter grossen Genossenschaftswohnung.

Die monatliche Miete beträgt 2200 Franken – bei einem jährlichen Einkommen des Arztes und seiner Frau von über einer halben Million Franken. Zum Vergleich: Eine ähnliche Wohnung würde auf dem freien Mietmarkt in Zürich monatlich um die 7000 Franken Miete kosten.

Die Frage liegt nahe, wer in Genossenschaftswohnungen wohnen soll und darf – angesichts der Tatsache, dass diese Wohnform ohne Gewinnabsichten wirtschaften und dementsprechend günstigeren Wohnraum anbieten soll. Höchste Zeit also, die wichtigsten Punkte zu Genossenschaftswohnungen zu klären.

Was ist eine Genossenschaftswohnung?

Genossenschaftliches Wohnen und Bauen gilt im Schweizer Wohnwesen neben Miet- und Eigentumswohnraum als «dritter Weg». Das Gemeinschaftliche charakterisiert diese Wohnform und enthält Elemente sowohl des Eigentums als auch der Miete.

Wer Mitglied bei einer Genossenschaft werden will, bringt Anteilskapital ein, um – anders als beim Stockwerkeigentum, bei dem man eine bestimmte Wohnung erwirbt – einen Anteil am Ganzen zu kaufen.

Diese Art von Wohnen bringt eine gewisse Sicherheit mit sich. Denn als Genossenschaftsmitglied kann einem nicht einfach so die Wohnung gekündigt werden.

Demgegenüber steht, dass die Gemeinschaft mitentscheidet, wer in welcher Wohnung wohnen darf. Dabei sind diverse Kriterien relevant – etwa die Belegung. 

Wie viele Wohngenossenschaften gibt es in der Schweiz?

Der Dachverband Wohnbaugenossenschaften Schweiz zählt 1200 Wohnbaugenossenschaften und andere gemeinnützige Wohnbauträger, die schweizweit insgesamt gegen die 150’000 Wohnungen besitzen. Davon befinden sich mit 10’376 Wohnungen mit Abstand die meisten im Grossraum Zürich, gefolgt vom Grossraum Basel mit 2789, Bern mit 1087 und Winterthur mit 1053 genossenschaftlichen Wohnungen.

Am wenigsten Genossenschaftswohnungen zählt die Tessiner Region rund um Mendrisio mit total drei, gefolgt von Locarno, Lauterbrunnen im Berner Oberland und dem bündnerischen Scuol mit je vier Wohnungen.

Wie finanzieren sich Genossenschaften?

Die Mitglieder zeichnen Anteilsscheine. Zusammen bilden diese den Grundstock des Eigenkapitals. Die Fremdfinanzierung läuft wie bei anderen Bauherren und Immobilienbesitzerinnen über Bankhypotheken. Die Mieten der Genossenschaftsbewohner decken die Kosten inklusive Rückstellungen und Amortisation.

Der grösste Teil – rund 40 Prozent – der Mieteinnahmen fliesst gemäss Zahlen des Bundesamts für Wohnungswesen BWO in Abschreibungen und Rückstellungen. Weitere 21 Prozent in Unterhalt und Reparaturen und 20 Prozent in Kapitalzinsen. Die Verwaltung nimmt zirka 6,4 Prozent der Mieteinnahmen in Anspruch. 

Was zeichnet gemeinnützige Genossenschaften aus?

Laut dem BWO wirtschaften Wohnbaugenossenschaften ohne Gewinnabsichten und orientieren sich an der sogenannten Kostenmiete. Das heisst, die Mieten sind nur so hoch wie nötig.

Wer sich als Genossenschaft zur Kostenmiete verpflichtet und den Spekulationsverzicht in den Statuten geregelt hat, kann sich um eine staatliche Förderung bewerben.

Die wiederum besteht aus vergünstigten Darlehen, Landverkäufen oder Land im Baurecht zu vergünstigten Konditionen oder (Rück-)Bürgschaften für Hypotheken oder Anleihen. Gemeinden beteiligen sich auch teilweise direkt am Anteilskapital.

Sind Genossenschaftswohnungen tatsächlich viel günstiger?

Die Frage zu beantworten ist nicht ganz einfach, so viel schon mal vorweg: Es kommt darauf an.

Als Genossenschafter bezahlt man einmal den Kapitalanteil für die Mitgliedschaft, den Pflichtteil für die Wohnung sowie die Miete. Bei der Zürcher Wohnbaugenossenschaft beläuft sich der einzubringende Kapitalanteil im Schnitt auf 7800 Franken.

Bei einer neuen Baugenossenschaft, die noch nicht über Rückstellungen verfügt, kann sich das Startkapital auf bis zehn Prozent der Anlagekosten oder 50’000 Franken und mehr belaufen. Im Vergleich zum Stockwerkeigentum sind die Beträge deutlich geringer, wo ein Minimum von 20 Prozent an Eigenmitteln gilt.

Gemäss einer Studie von Sotomo im Auftrag des Bundesamts für Wohnungswesens (BWO) waren die Nettomieten vergleichbarer Wohnungen im konventionellen Mietverhältnis um 15,44 Prozent teurer als Genossenschaftswohnungen. In Grossstädten ist die Preisdifferenz mit 24 Prozent noch grösser. 

In den ländlichen Regionen hingegen unterscheiden sich die Mieten kaum. Dies lässt den Schluss zu, dass an schlechteren Lagen auch renditeorientierte Vermieter gerade darauf bedacht sind, mit den Mieten ihre Kosten decken zu können.

Hinweis: Die Differenz von laufenden Kosten wurden nicht untersucht. Der Untersuchungszeitraum fand von 2010 bis 2014 statt.

Wer wohnt in Wohngenossenschaften?

Grundsätzlich kann sich jedermann und jedefrau um eine Genossenschaftswohnung bewerben – und auch Mitglied werden. Einzig bei staatlich speziell subventionierten Wohnungen müssen gewisse Bedingungen erfüllt sein – wie etwa eine Einkommensgrenze.

Gemeinnützige Genossenschaften haben jedoch den Anspruch, zahlbahren Wohnraum unter anderem jenen zur Verfügung zu stellen, die darauf angewiesen sind.

Gibt es weitere Unterschiede zwischen Genossenschafts- und konventionellen Wohnungen?

Gemäss einem Bericht der NZZ gibt es bei der durchschnittlichen Zimmerzahl keinen Unterschied. 

Hingegen bei der Wohnfläche gibt es deutliche Differenzen: Genossenschaftswohnungen sind mit rund 78 Quadratmetern im Schnitt 8 Quadratmeter kleiner als konventionelle Mietwohnungen. Eigentumswohnungen sind mit durchschnittlich 133 Quadratmetern wesentlich grösser als die anderen beiden Eigentumstypen.

Auch der Wohnflächenverbrauch pro Kopf ist in Genossenschaftswohnungen mit 36,5 Quadratmetern deutlich kleiner als in Mietwohnungen (42,4 Quadratmeter). Wohneigentümer haben mit 52,2 Quadratmetern den grössten Wohnflächenverbrauch pro Kopf.