Kein Geld nach TodesfallFrau gibt Pensionskasse 750'000 Franken – Witwer geht leer aus
twei
19.12.2024
Nach dem Tod seiner Frau erhält ein Schaffhauser Witwerrente. Doch 750'000 Franken, die sie vor ihrem Tod freiwillig in die Pensionskasse einzahlte, könnten umsonst gewesen sein. Grund ist ein vermeintlich unscheinbares Detail im Reglement.
twei
19.12.2024, 19:50
20.12.2024, 06:46
Julian Weinberger
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Eine gebürtige Kanadierin zahlte in Schaffhausen 750'000 Franken freiwillig in die Pensionskasse ein. Dann starb sie 43-jährig.
Ihre Hinterbliebenen kämpfen derzeit jedoch vergeblich um das Geld. Die Ursache: ein Detail im Vorsorgereglement.
Der Witwer zieht bitter Bilanz, dass man «mit Pensionskasseneinkäufen im schlimmsten Szenario durch die Maschen» falle.
Früher an später denken: Um die finanzielle Situation im Alter zu verbessern, vertrauen viele Schweizer*innen auf freiwillige Einzahlungen in die Pensionskasse. Die Einkäufe erhöhen nicht nur die Altersrente, sondern bringen auch steuerseitig Vorteile – gerade für alle, die das 50. Lebensjahr bereits überschritten haben.
Doch die Einzahlungen haben ihre Tücken. Wie ein aktueller Fall in Schaffhausen offenbart, lohnt es sich, das Vorsorgereglement der Pensionskasse genau zu studieren. Denn im Todesfall ist – anders als viele Versicherten es erwarten – eine Auszahlung des Betrages an die Hinterbliebenen keinesfalls garantiert.
Frau wurde wegen Krebs arbeitsunfähig
Thomas Gisler kann davon ein tragisches Lied singen. Wie er gegenüber NZZ schildert, verlor seine Frau im März 2023 den Kampf gegen den Krebs. Ehe die gebürtige Kanadierin im Alter von nur 43 Jahren das Zeitliche segnete, hatte sie in vier Etappen insgesamt 750'000 Franken in die zweite Säule der Pensionskasse Johnson & Johnson Schweiz gesteckt.
Wie Gisler erklärt, wurde bei seiner Frau 2019 nur wenige Monate nach der Geburt des gemeinsamen Kindes Krebs diagnostiziert. Deshalb wurde sie zu 100 Prozent arbeitsunfähig. Entsprechend kam ihr Arbeitsverhältnis mit Johnson & Johnson zu einem Ende. Zu diesem Zeitpunkt belief sich das Pensionskassenvermögen der Frau auf rund 1,1 Millionen Franken.
Diese Summe wurde – so weit, so gewöhnlich – im Anschluss an eine Freizügigkeitsstiftung transferiert. Als die Frau verstarb, habe Gisler eine Nachricht erhalten, er solle das Geld zurück in die Pensionskasse überführen. Außerdem stellte ihm diese in Aussicht, er werde eine Rückerstattung über die freiwilligen Einkäufe erhalten.
Witwer klagt: «Die Einzahlungen wären verloren»
Bis heute hat Gisler jedoch nichts von dem Geld gesehen. Der von der Pensionskasse geforderte Antrag an den Stiftungsrat wurde abgelehnt. Per E-Mail sei er darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass Bestimmungen der Pensionskasse im «Todesfall von Ihrer Frau als IV-Rentnerin keine Auszahlung von Einkäufen» vorsehen.
Dass die Rückerstattung ausblieb, ist mit einem kleinen, aber feinen Detail im Reglement begründet. Weil die Frau rückwirkend Invalidenrente aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit bezogen hatte, war sie zu ihrem Tod nicht als aktiv Versicherte der Pensionskasse gelistet.
Zwar bekommen der Witwer und das gemeinsame Kind nun Witwer- und Waisenrente ausbezahlt, doch deren Höhe wäre identisch mit dem Fall gewesen, wenn die Frau niemals in die Pensionskasse eingezahlt hätte. «Die freiwilligen Einzahlungen in Höhe von 750'000 Franken wären verloren», klagt Gisler deshalb gegenüber NZZ.
Invalidenrente macht Witwer Strich durch die Rechnung
Seine verstorbene Frau erreichte der Vorbescheid der Sozialversicherungsanstalt (SVA) über die IV-Rente zwei Tage vor ihrem Tod auf der Palliativstation. Ohne den Bescheid wäre sie als aktiv Versicherte gestorben. In diesem Fall hätten die Hinterbliebenen aufgrund von vermerkten Risikoleistungen im Pensionskassenausweis der Frau immerhin 330'000 Franken erhalten.
So aber droht Gisler eine finanzielle Nullrunde, was ihn bitter Bilanz ziehen lässt: Man könne «mit Pensionskasseneinkäufen im schlimmsten Szenario durch die Maschen fallen». Derzeit läuft eine Klage am Obergericht Schaffhausen, in der er mindestens eine Auszahlung der freiwilligen Einkäufe in Höhe von 750'000 Franken fordert – Ausgang ungewiss.
Pensionskasse hält sich bedeckt
Thomas Moser, Sprecher von Johnson & Johnson, hält sich auf NZZ-Anfrage bedeckt, nur so viel: «Die Pensionskasse Johnson & Johnson empfiehlt allen Mitarbeitenden, vor freiwilligen Einkäufen die individuelle Situation und die Bestimmungen im Vorsorgereglement sorgfältig zu prüfen.»
Zudem weist er darauf hin, dass die Ausrichtung eines Todesfallkapitals eine überobligatorische, freiwillige Leistung darstelle. Das bestätigt auch Lukas Müller-Brunner, Direktor des Pensionskassenverbands Asip. «Eine Pensionskasse ist kein Wohlfahrtsfonds», begegnet er einer zuweilen überbordenden Anspruchshaltung von Versicherten. Eine Einzahlung bringe nicht automatisch einen Anspruch auf «ihr Geld» mit sich.
Stattdessen erwarten die Einzahlenden Leistungen gemäss Gesetz und Reglementen. «Diese Zahlungen können höher oder tiefer ausfallen als das angesparte Guthaben», stellt Müller-Brunner klar.