Ferienhaus-Steuer soll es richten Einwohner von Pontresina finden keine Wohnung mehr

gbi

4.1.2024

Die Gemeinde Pontresina sucht ein Mittel gegen den Wohnungsmangel. (Archivbild)
Die Gemeinde Pontresina sucht ein Mittel gegen den Wohnungsmangel. (Archivbild)
Keystone

Die Einheimischen finden in Pontresina kaum noch eine Wohnung. Nun schlägt der Gemeindevorstand des Oberengadiner Dorfs eine Lösung vor: Er will die Besitzer*innen von Zweitwohnungen zur Kasse bitten. 

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  • In der Oberengadiner Gemeinde Pontresina wird der Wohnraum für die lokale Bevölkerung knapp. Zugleich ist mehr als jede zweite Wohnung eine Zweitwohnung. 
  • Nun will der Gemeindevorstand durchgreifen: Er plant eine neue Steuer auf Zweitwohnungen. Mit den Einnahmen sollen bezahlbare Erstwohnungen finanziert werden. 
  • Die Bevölkerung ist aufgerufen, ab dem 8. Januar ihre Meinung zu den Steuerplänen zu äussern.
  • «Es wird sicher Diskussionen geben», sagt Gemeindepräsidentin Nora Saratz Cazin.

«Wildromantisch, sonnig und windgeschützt»: So bewirbt die lokale Tourismusorganisation das Bergdorf Pontresina. Gelegen auf rund 1'800 Metern über Meer am Bernina-Massiv, steht Pontresina vor allem bei Wintersportfans und Berggänger*innen hoch im Kurs.

Die Kehrseite der Medaille: Die Einheimischen finden kaum noch bezahlbaren Wohnraum. Der Anteil Zweitwohnungen liegt bei 65 Prozent, leerstehenden Wohnungen sind Mangelware. 

Gemeindepräsidentin Nora Saratz Cazin sagte der NZZ: «Melden sich Leute bei Einwohnerkontrolle der Gemeinde ab, hören wir oft, dass in Pontresina keine Wohnung zu finden war.» Erschwerend komme hinzu, dass sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt in den letzten zwei, drei Jahren rasant verschlechtert habe.

Erstwohnungen werden zu Ferienapartments

In einer Analyse der Gemeinde heisst es, dass vermehrt Erst- und Zweitwohnungen umgenutzt werden. Denn der Bau neuer Ferienwohnungen ist in Pontresina nicht mehr erlaubt: Das schreibt das Bundesgesetz über Zweitwohnungen für Gemeinden vor, deren Zweitwohnungsanteil mehr als 20 Prozent ausmacht.

Um die Situation zu entschärfen, will der Gemeindevorstand durchgreifen. Er plant, Zweitwohnungen zu besteuern. Mit den Einnahmen soll bezahlbarer Wohnraum für Einheimische finanziert werden. Es wäre die erste solche Zweitwohnungssteuer in der Schweiz.

Das System würde die Kosten für Zweitwohnungen in die Höhe treiben. Das soll Besitzer*innen von Immobilien dazu animieren, wieder mehr Wohnraum für die Einheimischen anzubieten.

Von der Steuer ausgenommen werden sollen Zweitwohnungen, die touristisch stark genutzt werden. Konkret, so die NZZ: wenn sie an 150 Tagen oder mehr pro Jahr vermietet wird. Das soll Besitzer*innen von Ferienwohnungen dazu anspornen, ihre Liegenschaften häufiger zu vermieten. Was wiederum mehr «warme Betten» bedeuten würde.

Gemeindepräsidentin stellt sich auf Diskussionen ein

«Es wird sicher Diskussionen geben», sagte Gemeindepräsidentin Saratz zur Zeitung «Südostschweiz». «Wie heftig diese werden, wissen wir noch nicht.»

Die Gemeinde ruft die Bewohner*innen von Pontresina dazu auf, ihre Meinung zu diesen Plänen zu äussern. Vom 8. Januar bis zum 6. Februar werde ein entsprechender Fragebogen auf der Gemeindewebsite abrufbar sein. Das Gesetz soll der Stimmbevölkerung voraussichtlich noch im Laufe des Jahres vorgelegt werden.

Eine ähnliche Steuer war vor rund zehn Jahren auch im benachbarten Silvaplana geplant, das Vorhaben scheiterte aber am Widerstand in der Bevölkerung. Ein neuer Versuch steht nicht zur Debatte, sagte Gemeindepräsident Daniel Bosshard der «Südostschweiz». 

Zweitwohnungsbesitzer kritisieren Pläne

Die Pläne aus Pontresina stossen bei den Zweitwohnungsbesitzer*innen schon jetzt auf wenig Gegenliebe. Heinrich Summermatter ist Präsident der Allianz Zweitwohnungen Schweiz. Dem «Blick» sagt der 77-Jährige: «Eine solche Steuer geistert immer wieder herum. Es ist sehr verlockend, die Zweitwohnungsbesitzer zu schröpfen und so die Finanzen aufzubessern.»

Doch bezweifelt er, dass der Wohnungsmangel etwas mit den Ferienwohnungen zu tun habe. Ausserdem wäre es falsch, die Zweitwohnungsbesitzer*innen vermehrt zur Kasse zu bitten.


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